Bergkirchen: Protest gegen die „Hierarchien alter Männer“ – Dachau | ABC-Z
Vieles an diesem Fall erinnert an die Weihnachtsgeschichte: Es ist Dezember – das Weihnachtsfest steht kurz bevor – eine junge ledige Frau erwartet ein Kind und wird deshalb von ihren kirchlichen Ehrenämtern ausgeschlossen. So zumindest schilderte es die betroffene Pfarrgemeinderatsvorsitzende der Johann Baptist Kirche in Bergkirchen, Magdalena Mösl, vergangene Woche in einem Artikel der tz. Danach soll ihr der derzeitige Übergangspfarrer nahegelegt haben, von ihren liturgischen Diensten – der Leitung von Wortgottesfeiern und der Kommunionausteilung – solange Abstand zu nehmen, wie sie nicht verheiratet ist.
Um ihre Solidarität mit der werdenden Mutter zu bekunden, versammeln sich am Sonntag etwa 50 Menschen zu einem stillen Protest vor der Gemeinde in Bergkirchen. „Mit Nächstenliebe hat dieser Ausschluss nichts zu tun“, sagt Regina Nitsche, eine der Teilnehmerinnen des Protests. „Die Kirche sollte froh sein, dass junge Leute sich überhaupt engagieren wollen und nicht gegen sie wettern.“ Pfarrgemeinderatsmitglied Cornelia Doll betont, dass sich das Gremium „keine bessere Pfarrgemeinderatsvorsitzende hätte wünschen können“. Der Ausschluss sei nicht im Rat beschlossen worden.
Die Gedanken sind bei Mösl und dem ungeborenen Kind
Auch Christine Billers aus Deutenhausen gehört zu den Protestierenden, ihre Gedanken kreisten primär um die junge Mutter und das Kind, erzählt sie. Mösl leidet unter einer Lungenfibrose, ist tumorkrank und benötigt eigentlich eine Chemotherapie, heißt es aus familiären Kreisen. „Ich hoffe nur auf das Beste für das Kind“, sagt Biller deshalb. In der vergangenen Woche habe sie vor allem ein Gedanke tief berührt: „Gott hat Maria für das höchste Ehrenamt ausgewählt und sie war auch ledig.“ Biller hat sich diesen Satz sogar auf einen Zettel geschrieben und zur Solidaritätsbekundung mitgebracht. Hochhalten durfte sie ihn auf Anordnung der Polizei allerdings nicht. „So ein Ausschluss wegen einer unehelichen Schwangerschaft passt doch nicht mehr in die heutige Zeit“, findet Biller.
Inzwischen hat die Erzdiözese München und Freising auf die Medienberichterstattung reagiert und Pfarrer Marek Bula mit „Rücksicht auf die aktuelle Situation vor Ort“ von seinen Aufgaben als Pfarradministrator und Leiter des Pfarrverbands Bergkirchen-Schwabhausen entbunden. Leiter des Pfarrverbands Erdweg könne er allerdings bleiben, teilte die Diözese mit. Für die Diözese sei es wichtig gewesen in dieser Situation zu „deeskalieren“, berichtet deren Pressesprecher. Gleichzeitig wird in der Mitteilung betont, dass die Situation vielschichtig sei und eine differenzierte Betrachtung erfordere. Das Kirchenrecht lege die Entscheidung, wer ehrenamtlich liturgische Dienste übernehmen könne, in das Ermessen der zuständigen Leitung der Pfarrei. Allein die persönliche Lebenssituation könne in dieser Frage nicht ausschlaggebend sein, heißt es weiter.
Pfarrer Bula hat bislang keine Stellungnahme abgegeben. Das Dekanat in München hat für das kommende Jahr ein Gespräch zwischen den Parteien angestoßen, an dem auch die abgesetzte Ehrenamtliche teilnehmen will.
„Für mich ist die ganze Sache mit der Entbindung des Pfarrers erledigt“, sagt eine Christin, die schnellen Schrittes den Weg ins Gotteshaus sucht und nicht zitiert werden will. Nicht so für Gisela Liedl: „Für mich ist noch nichts erledigt, weil die Hierarchien alter Männer und ihrer Machtstrukturen in der Kirche weiter bestehen bleiben“, sagt sie. Die Entbindung des Pfarrers von seinen Ämtern in Bergkirchen empfindet Liedl lediglich als „Ruhigstellung des Volkes“.
Josef Mayer, Pfarrer und Direktor der Katholischen Landvolkshochschule Petersberg, hatte von seinem Generalvikar den Auftrag erhalten, an diesem Sonntag in Bergkirchen zu sein, dabei war seine Predigt für den Petersberg schon vorbereitet.
Die habe er in einer Nacht umgeschrieben und am Sonntag schlussendlich doch nicht vorgelesen. „In der Nacht kam mir die Einsicht, dass alles, was ich auch sage, falsch verstanden oder missverständlich interpretiert werden kann.“ So entschied er sich einen „oh, weh“-Gottesdienst, einen Gottesdienst ohne Worte und eine längere Gebetsstille einzuführen.
Sein Gebet richtete sich an all diejenigen, die „in dieser Geschichte verletzt, aufgehetzt und angestachelt worden sind“. Über die „ganze Situation“ zeigt Mayer sich betroffen. „Wenn es so ist, wie in den Zeitungen berichtet, kann man nur schockiert sein“, sagt der Pfarrer und fügt hinzu: „Aber man hat nur eine Seite gehört.“ Eine Teilnehmerin des Protests, die nicht namentlich genannt werden will, sagt, dass die Entbindung für das Leben des Pfarrers bereits einen tiefen Einschnitt bedeuten dürfte. „Er wird seinen Fehler eingesehen haben“, sagt sie, „jeder macht im Leben Fehler, und der Herrgott verzeiht sie“.