Benediktbeuern: Lobby-Arbeit für die Tölzer Moorachse – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

Seit Jahrtausenden speichern Moore Kohlenstoff. Sie sind daher von unschätzbarem Wert für den Klimaschutz. Zudem dienen sie als Rückhalt bei Hochwasser, kühlen die Luft und reinigen das Trinkwasser. Dass Moore nicht nur geschützt, sondern trockengelegte Flächen renaturiert werden müssen, um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, hat man im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen schon vor mehr als 20 Jahren erkannt. Aber um den natürlichen Wasserstand auf ausgewählten Flächen wieder herzustellen, ist Geld nötig.
Doch Fördermittel für Naturschutzprojekte sind angesichts leerer öffentlicher Kassen knapp. Erst kürzlich kritisierte das bayerische Umweltministerium, dass in den bisherigen Haushaltsentwürfen des Bundes keine Aufstockung der Mittel zur Unterstützung der Naturschutzarbeit in den Ländern vorgesehen sei. Für Moorschützer eine Hiobsbotschaft.
Blauer Himmel, saftiges Grün und eine traumhafte Bergkulisse im Hintergrund. Man könnte die kleine Gruppe in den Loisach-Kochelsee-Mooren für Touristen halten, die sich zu einer Wanderung aufgemacht haben. Der Ortstermin indes hat einen ernsten Hintergrund. Es geht um die Renaturierung einer etwa sechs Hektar großen Hochmoorfläche. Entwässerungsgräben durchziehen das Areal, der Wasserstand ist viel zu niedrig.
Vor zwei Jahren konnte das Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) im Kloster Benediktbeuern die Fläche von einer Erbengemeinschaft erwerben. Deren Großvater, selbst Oberförster im Klosterdorf, hatte die elf schmalen, zusammenhängenden Grundstücke in den 1960er-Jahren gekauft, um sie der Natur zu erhalten. Durch die Entwässerung etablierten sich allerdings Pflanzen, die nicht typisch für ein Hochmoor sind. Und das ist ein Problem. Denn verschwindet die Flora, die an die feuchten Bedingungen angepasst ist, verlieren Tierarten ihren Lebensraum. Und wird Moor das Wasser entzogen, wird das organische Material, also der Torf, durch den Sauerstoffkontakt abgebaut und setzt Treibhausgase frei, vor allem Kohlendioxid und Lachgas. Letzteres ist weitaus klimaschädlicher als CO₂.

Auf einem Teilbereich ist ein Wald gewachsen. Kiefern und andere standortfremde Bäume sollen noch entnommen werden. Birken dürfen stehen bleiben. Es habe schon eine Entbuschungsaktion stattgefunden, berichtet Lukas Scharfe vom ZUK. Nun sollen die Entwässerungsgräben verschlossen und Dämme gebaut werden, damit sich das Wasser erneut anstauen kann. So könnte ein weiteres Refugium für Wiesenbrüter und Co. entstehen. Wenn nicht das liebe Geld wäre – oder besser gesagt: fehlte.
Aufgrund knapper Fördermittel seien in diesem Jahr nur wenige Projekte unterstützt worden, sagt Elisabeth Pleyl, Moormanagerin der ersten Stunde im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Im kommenden Jahr, so hofft man im ZUK, werde man ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung haben, um die Fläche sanieren zu können.
Verständlich also, dass zu der Exkursion unter anderem die Landtagsabgeordneten Thomas Holz und Harald Kühn (beide CSU) geladen waren. Die Tölzer Moorachse, ein Verbund aus im Naturschutz tätigen Vereinen, Vertretern der Naturschutzbehörden, dem Landrat und Landwirten, braucht dringend Fürsprecher. Ausgerechnet Kühn, der im Haushaltsausschuss des Landtags sitzt, ist beim Ausflug verhindert. Für den Stimmkreisabgeordneten Holz, Mitglied im Umweltausschuss und wohnhaft in Kochel am See, ist der Ortstermin ein Heimspiel.


Zwölf Prozent der gut 1100 Quadratkilometer großen Landkreisfläche sind Moore. Das bedeute eine besondere Verantwortung, sind sich die Teilnehmer einig. „Wir haben einen 30-Kilometer-Korridor, mit nahezu allen hier typischen Moorarten“, betont Holz. „Es ist ein besonderes Stückerl Erde, und es ist wichtig, dass man darauf schaut.“ Er werde sich bemühen, den Finger ein ums andere Mal in die Wunde zu legen, um Geld für Moorrenaturierungsprojekte lockerzumachen, sagt der Landtagsabgeordnete.

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Welcher Wissensschatz so ein Ökosystem ist, zeigt Moormanager Florian Hartwich. Er hat in dem Waldstück eine an die sechs Meter tiefe Bohrung gemacht. Was samt Torfboden zutage kam, mag unglaublich klingen: So präsentiert Hartwich ein Stückchen Erde mit einem nahezu intaktem Schilfblatt, das in drei Metern Tiefe schlummerte. „Das ist zweitausend bis dreieinhalbtausend Jahre alt.“ Auch lasse sich an den Schichten ablesen, wann es wärmere oder kältere Perioden gegeben habe, da sich die Vegetation dem Klima anpassen musste.

Je nach Klima, Geologie und Wasserhaushalt entstehen unterschiedliche Typen (Hoch-, Zwischen- oder Niedermoore) mit ebenso unterschiedlicher Flora und Fauna. Daher sind Moore nicht allein bedeutsam für das Klima, sie sind besonders wertvoll für den Erhalt der Biodiversität. Viele Arten, die auf der Roten Liste stehen, haben in Mooren ihren Lebensraum. Wer genau hinsieht, kann schon jetzt Besonderes finden: den fleischfressenden Sonnentau etwa. Bei Sonnenschein schwirren Argus-Bläulinge umher. Doch das Paradies ist fragil: Wird eine Moorfläche systematisch entwässert, geht der Torfboden zehn- bis fünfzehnmal so schnell verloren, wie er sich gebildet hat.

Die Tölzer Moorachse konnte gemeinsam mit den Bayerischen Staatsforsten bislang auf 372 Hektar im Landkreis den natürlichen Moorwasserstand wieder herstellen. Rund 6700 Tonnen Kohlendioxid werden so jährlich eingespart. „Wir könnten leicht noch einmal 1000 Hektar im Landkreis verbessern“, betont Pleyl. Ihre Arbeit als Moormanagerin besteht in erster Linie darin, mit den Eigentümern der Grundstücke zu sprechen und sie zu beraten. Die Scheu der ersten Jahre, Flächen für eine Renaturierung abzugeben, bestehe nicht mehr, sagt sie. Dennoch seien Verhandlungen zeitintensiv. Die Grundstücke seien in der Regel sehr klein. „Da ist viel Vorarbeit nötig.“ Wenn nun die Fördermittel zum Ankauf oder zur Pacht geeigneter Flächen in Zukunft fehlten, würde dies die Mühen der Naturschützer und insbesondere der Moormanager „richtig bremsen“, sagt Pleyl.