Beliebte Bar im Existenzkampf – das letzte Fünkchen Hoffnung | ABC-Z

Berlin. Kurz schien es, als könnte die WATT-Bar im Kollwitzkiez der Gentrifizierung trotzen. Dann wich die Euphorie dem nächsten Schock.
Beinahe sah es so aus, als ließe sich das Ruder mit einer gemeinschaftlichen Kraftanstrengung tatsächlich herumreißen. Als hätten die WATT-Bar im Kollwitzkiez in Prenzlauer Berg, dieses Urgestein unter den Eckkneipen in Berlin, und all ihre Unterstützer das Momentum auf ihrer Seite, um sich dem gnadenlosen Primat der Gentrifizierung zu widersetzen. So plötzlich der Hoffnungsschimmer aufblitzte, so schnell verflüchtigte er sich wieder. Zurück bleibt gedämpfter Glanz. Aber wie zuvor: leise Hoffnung.
Mein Pankow-Newsletter
Bestellen Sie hier den wöchentlichen Newsletter zu Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Wie die Berliner Morgenpost erstmals im April berichtete, kämpft die Bar mit ihren fairen Preisen und dem bunt gemischten Publikum um ihre Existenz. Setzen sich Kliche und eine eigens gegründete Initiative für die Rettung der Räumlichkeiten ein, die auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken. Ein Ort, der sich unter verschiedenen Betreibern und Namen immer wieder verwandelt und doch Kultur-Treffpunkt für Künstler, Schriftsteller und alle anderen Kreativen geblieben waren. Die Eigentümer des Eckhauses in der Metzer Straße nämlich – selbst Kulturschaffende – wollten den nach zehn Jahren Ende September auslaufenden Mietvertrag mit Kliche nicht verlängern, zeigten der Betreiberin zufolge keine Bereitschaft zu Verhandlungen. Stattdessen soll es angeblich einen potenziellen Nachmieter geben. Wer genau, sei nicht bekannt. Es soll sich wohl um ein Restaurant handeln.
Kliche führt die WATT-Bar in der Metzer Straße in Berlin seit 2015. Die Geschichte der Räumlichkeiten reicht über 100 Jahre zurück.
© Berliner Morgenpost | Sebastian Struwe
WATT-Bar in Prenzlauer Berg: „Unmissverständlich so gesagt“
Im Mai dann die vermeintliche Überraschung: Als sich einige Dutzend Unterstützer zur angemeldeten Begehung der Eigentümer zum stillen, aber entschlossenen Protest zusammengefunden hatten, trat plötzlich Kliche aus der Bar. Die Eigentümer selbst waren nicht erschienen. Stattdessen habe ein Vertreter der Hausverwaltung in der Bar mit ihr gesprochen, erzählte die freudig perplex wirkende Wirtin damals. Und diese Verwaltung habe empfohlen, mit konkreten Mietpreisvorstellungen die Kontaktaufnahme mit den Vermietern zu versuchen.
„Da lag mein Herz direkt auf der Zunge“, sagt Klische der Morgenpost nun. Die große Hoffnung, sie währte nämlich nur kurz. Schon bald habe sie ein Schreiben der Hausverwaltung erhalten, die bestreite, genannte Äußerungen getätigt zu haben. „Der Vertreter hat das so unmissverständlich gesagt und suggeriert“, so Klische – „aber es ist jetzt so wie es ist“. Eine Vermutung der Bar-Unterstützer: die Hausverwaltung hat im Sinne der Eigentümer einen Rückzieher gemacht.

„Da lag mein Herz direkt auf der Zunge“: Nach dem Protest vor der WATT-Bar Prenzlauer Berg im Mai keimte eine trügerische Hoffnung.
© Berliner Morgenpost | Sebastian Struwe
Kultur-Bar im Kollwitzkiez bekam besonderen Besuch
Und so habe es zuletzt gar eine schriftliche Erinnerung der Hausverwaltung gegeben, dass der Mietvertrag auslaufe, dass ein Übergabetermin zu vereinbaren sei. Und doch haben Kliche und ihre Mitstreiter, darunter viele Kulturschaffende aus Prenzlauer Berg, die Hoffnung eben noch nicht ganz aufgegeben. „Wir wollen jetzt noch von zwei Seiten etwas versuchen“, so viel verrät sie, möchte aber nicht ins Detail gehen – und schwärmt, ganz unabhängig vom baldigen Endergebnis, von der breiten Unterstützung für ihre Bar.
Kneipen-Sterben in Berlin – mehr zum Thema
So habe es vor einigen Wochen besonderen Besuch gegeben. „August Lehmann hat den Laden von 1921 bis 1937 geführt. Seine Urenkelin kam vorbei, mit alten Fotos der Fassade. Die Bar entspringt der alten Tradition der Berliner Eckkneipe, das wurde da nochmal anschaulich und eindrücklich“, erinnert sich Kliche.
Gentrifizierung in Berlin: Eine Widmung, wenn es zu Ende geht
Vor rund einem Monat zog das WATT dann Hunderte zur Fete de la Musique an. Zum ersten Mal hatten die Wirtin und ihre Unterstützer für das alljährliche Event eine Bühne vor der Bar aufgebaut. Zwei Monate lang sei das vorbereitet worden. Der Schriftsteller Jim Avignon hatte extra ein großes Banner gestaltet. „Die Resonanz war toll, die Dynamik positiv, es gab keine Trauerstimmung“, erinnert sich Kliche. Auch ein traditionelles Sommerkino mit 35-Millimeter-Maschine sei sehr gut angenommen worden.
Mehr Beiträge aus dem Bezirk Berlin-Pankow
Und schließlich ist ein „Heft zum WATT“ entstanden, mit Beiträgen von Lyrikern und Autoren, initiiert vom Ostberliner Künstler Alexander Krohn, in dessen selbstverwalteten Verlag das Schriftstück erschienen ist. „Wenn es wirklich zu Ende geht, bleibt dieses Heft“, sagt Kliche. „Eine Widmung“.