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Belarus als “Putins Nachspeise”?: Lukaschenko setzt auf massive Russifizierung | ABC-Z


Belarus als “Putins Nachspeise”?

Lukaschenko setzt auf massive Russifizierung

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Ob bei Sprache, Symbolen oder Kultureinrichtungen: Seit Langem merzt Moskau die belarussische Identität aus, verstärkt seit 2022. “Mir ist klar, dass unser Belarus besetzt ist”, klagt Literaturnobelpreisträgerin Alexijewitsch. Analyst Friedman sagt: “Der Kreml scheut keine Kosten und agiert im großen Stil.”

Seit diesem Schuljahr hat Mikalaj einen anderen Namen. Die Lehrkräfte in seiner Schule in Belarus nennen den 15-Jährigen jetzt “Nikolai”. Das ist die russische Variante. Auch die Unterrichtssprache hat sich geändert. Mikalaj – oder Nikolai – muss nun Russisch statt Belarussisch sprechen.

“Es ist offensichtlich, dass unsere Kinder absichtlich ihrer Muttersprache, ihrer Geschichte und ihrer belarussischen Identität beraubt werden”, sagt Mikalajs Vater, der aus Angst vor Konsequenzen nur seinen Vornamen Anatoli nennen will. “Aber uns Eltern wurde dringend geraten, keine Fragen über die Russifizierung zu stellen.”

Mikalajs Schule zählt zu den besten des Landes. Wie hier im Bildungswesen erlebt Belarus einen allumfassenden Einfluss Russlands ebenso auf Wirtschaft, Politik und Kultur.

Es ist nicht das erste Mal, dass die belarussische Identität zurückgedrängt wird. Zu Zeiten der Zaren sowie in der Sowjetunion zwang Russland Belarus seine Sprache, Symbole und kulturellen Einrichtungen auf. Mit dem Ende der UdSSR im Jahr 1991 begann Belarus jedoch, seine Identität neu zu behaupten. Belarussisch wurde zur Amtssprache, eine weiß-rot-weiße Nationalfahne ersetzte die Flagge aus Sowjetzeiten.

Rückkehr zu sowjetischen Symbolen unter Lukaschenko

Die Phase währte nur kurz. Als Alexander Lukaschenko 1994 ins Präsidentenamt kam, machte er Russisch neben Belarussisch zur Amtssprache und schaffte die nationalstaatlichen Symbole ab. Die 1995 eingeführte Flagge sieht – abgesehen vom Verzicht auf Hammer und Sichel – nahezu aus wie die aus der UdSSR-Ära.

Inzwischen ist der autokratisch herrschende Lukaschenko seit mehr als drei Jahrzehnten an der Macht. Er ist ein treuer Verbündeter des Kremls und öffnet dem Einfluss des großen Nachbarn Tor und Tür. Auf den Straßen der Hauptstadt Minsk ist Belarussisch mittlerweile kaum noch zu hören. Offizielle Geschäfte werden auf Russisch getätigt, das auch in den meisten Medien vorherrscht.

Belarus ist von russischen Krediten und günstigen Energielieferungen abhängig. Politisch ebenso wie militärisch hat sich die Regierung in Minsk mit Moskau verbündet. Dies ermöglicht es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, Truppen und Waffen für seinen Krieg gegen die Ukraine in Belarus zu stationieren.

“Mir ist klar, dass unser Belarus besetzt ist”, beklagt die belarussische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch. Die Nation werde gedemütigt, sagte die in Deutschland im Exil lebende Schriftstellerin. “Und es wird für die Belarussen sehr schwer sein, sich davon zu erholen.”

“Die russische Sprache ist meine Sprache”

Das konsequente Durchsetzen des Russischen ist ein Aspekt. Lukaschenko berichtete einst in den russischen Staatsmedien, dass Putin ihm dafür gedankt habe. Er habe erwidert: “Die russische Sprache ist meine Sprache.” Deswegen sei das nur natürlich. Auch Äußerungen wie: “Auf Belarussisch kann nichts Großes ausgedrückt werden”, sind von Lukaschenko überliefert.

Schon zu Sowjetzeiten ging der tägliche Gebrauch der belarussischen Sprache zurück und wurde hauptsächlich noch im Westen und Norden des Landes sowie in ländlichen Gebieten gepflegt. Dennoch wurden 1994 noch etwa 40 Prozent der Schüler auf Belarussisch unterrichtet. Heute sind es etwa 9 Prozent. Und obwohl Belarussisch wie Russisch eine ostslawische Sprache ist, unterscheidet sich der Wortschatz erheblich.

“Die belarussische Sprache wird zunehmend als Zeichen politischer Illoyalität wahrgenommen und in der öffentlichen Verwaltung, im Bildungswesen, in der Kultur und in den Massenmedien zugunsten des Russischen aufgegeben, auf Anweisung der Hierarchie oder aus Angst vor Diskriminierung”, hat auch die UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtssituation in Belarus, Anaïs Marin, erklärt.

Zugleich sei Belarussisch zu einem “Symbol der Freiheit” geworden, sagt die Autorin Alina Nahornaja. Immer mehr Menschen wollten Belarussisch sprechen, aber sie hätten Angst, dies öffentlich zu tun. Mikalajs Schule war zuletzt eine von wenigen im Land, in denen einige Fächer noch auf Belarussisch unterrichtet wurden.

“Der Kreml scheut keine Kosten”

In vier belarussischen Städten gibt es inzwischen “Russland-Häuser”, die die Kultur und den Einfluss Russlands fördern sollen. Dazu werden Seminare, Filmclubs, Ausstellungen und Wettbewerbe angeboten. “Ziel ist es, russische Narrative zu etablieren, damit so viele Belarussen wie möglich das Russische als eigen annehmen”, sagt der Analyst Alexander Friedman. “Der Kreml scheut keine Kosten und agiert im großen Stil.” In einer Situation der Informationsisolation, wie es sie in Belarus gebe, könne dies besonders effektiv und gefährlich sein.

2021 habe Putin einen Artikel veröffentlicht, in dem er die Existenz einer unabhängigen Ukraine geleugnet habe, ergänzt der ehemalige Direktor des belarussischen Janka-Kupala-Theaters, Pavel Latuschka, der inzwischen als Oppositioneller im ausländischen Exil lebt. “Schon damals war uns klar, dass er in Belarus ähnliche Ziele verfolgte”, sagt Latuschka über Putins Ambitionen. “Der Hauptgang sollte die Ukraine sein”, erklärt er, ein russifiziertes Belarus “die Nachspeise”.

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