Bekämpfung von Wohnungslosigkeit: „Die Problembeseitigung: Wohnraum schaffen“ | ABC-Z
Am Tag der Wohnungslosen diskutieren in Berlin Betroffene über die Bedarfe von Obdachlosen. Es brauche dringend bessere Notunterkünfte und Teilhabe.
Berlin taz | In einem Innenhof in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes stehen am Mittwoch zahlreiche weiße Kreuze, die an Verstorbene erinnern. „Andreas H. nach Zwangsräumung auf einem Stück Teppich im Park erfroren“, steht auf einem. Zum Tag der Wohnungslosen haben sich bei Nieselregen mehrere Dutzend Menschen unter dem Motto „Jetzt reden wir!“ zusammengefunden. Hier diskutieren keine Politiker*innen, sondern Menschen, die selbst von Wohnungslosigkeit betroffen sind.
„Das größte Problem der Straßenobdachlosigkeit ist die ordnungsrechtliche Unterbringung“ sagt Hartmut Nölling, der sich selbst als „alten Landstreicher“ bezeichnet. 1981 wurde er das erste mal wohnungslos, kam zunächst bei Bekannten und Verwandten unter, irgendwann zog er durch Deutschland und Europa.
Heute wirkt der Aktivist auch mit am Nationalen Aktionsplan zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit, der im April verabschiedet wurde. Bis 2030 – das ist das Ziel der Bundesregierung – soll jeder eine Wohnung haben. Dass das wirklich klappt, daran glaubt hier kaum jemand. Aber für Verbesserungen wollen sie trotzdem kämpfen, selbstorganisiert, selbstbestimmt.
Nölling erzählt, dass er in den 1980er Jahren mal in einer Notunterkunft übernachtet habe mit 60 anderen Personen in einem Zimmer. 2024 könne man zwar auch zu viert in einem Zimmer übernachten. Aber dann sei man da „vielleicht mit einem Junkie, einem psychisch Kranken und einem Vollalkoholiker zusammen“. Wie man so zur Ruhe kommen solle, fragt er.
Wichtig seien deshalb Einzelzimmer. Oder dass das Hab und Gut sicher aufbewahrt werden könne, dass digitale Teilhabe ermöglicht werde. Vor allem brauche es sogenannte 24/7-Unterkünfte – gemeint sind Unterkünfte, in denen Obdachlose nicht morgens wieder auf die Straße entlassen werden. Der Nationale Aktionsplan sieht vor, Mindeststandards für Notunterkünfte zu erarbeiten.
Als Frau nicht mehr sicher
Janet, die sich nur mit Vornamen vorstellt, schaltet sich ein. „Wohnraum zu schaffen, ist die Lösung“, sagt sie und bekommt Applaus. Janet lebt derzeit im Berliner Bezirk Mitte in einem Gebäude in der Habersaathstraße. Der Plattenbau stand lange Zeit leer, eigentlich wollte der Eigentümer das Haus abreißen und Luxuswohnungen bauen. Heute wohnen dort aber viele ehemals Obdachlose und Geflüchtete, die das Haus besetzt haben.
Seit Jahren wird gestritten, ob das Gebäude abgerissen werden darf. Voraussichtlich soll das Ende 2025 passieren. „Ich fühle mich als obdachlose Frau nicht mehr sicher“, sagt sie. Aber damit abfinden will sie sich nicht. Sie kämpft für die Aussetzungen von Zwangsräumungen und erwägt derzeit in Berlin eine Klage auf Beschaffung einer Wohnung.
Erschütternd sind auch die Schilderungen von Manja aus der Eifel. Frauen mit Kindern stünden „vor besonderen Herausforderungen“, sagt sie. 8 Jahre sei sie wohnungslos gewesen, 3 davon obdachlos: „Ich habe meine Tochter in der Obdachlosigkeit auf die Welt gebracht und dann schweren Herzens zur Adoption freigegeben.“
Das zweite Kind gab sie im Alter von 11 Jahren in eine Pflegefamilie, als sie erneut in die Wohnungslosigkeit rutschte: „Vielleicht war das der größte Fehler meines Lebens.“ Die Pflegefamilie sei problematisch gewesen. Mit 16 kam der Sohn wieder zu ihr, heute leben sie zusammen und Manja engagiert sich im Netzwerk der Wohnungslosen_Stiftung für Frauen mit Kindern. Erst am Montag wurde ein Bericht der BAG W veröffentlicht, der zeigt, dass viele junge Menschen von Wohnungslosigkeit bedroht sind.