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Bei der Fernwärme ist Bad Tölz ganz vorn – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

Ob Bad Tölz jetzt deutschlandweit eine Spitzenposition in der Fernwärme-Versorgung hat? So hoch mag Wolfgang Stahl nicht greifen. Das wäre zu oberflächlich, sagt der Geschäftsführer der Tölzer Stadtwerke. Schließlich hätten manche Großstädte schon solche Versorgungsnetze. In der Wärmeplanung, zu der Kommunen per Gesetz verpflichtet sind, liege man aber weit vorn. „Die meisten Gemeinden gehen da jetzt erst rein, wir sind mit dem Fernwärme-Ausbau eigentlich fertig“, sagt Stahl.

Denn die Stadtwerke haben das Herzstück der CO₂-neutralen Energieversorgung in Betrieb genommen: Die rund 30 Millionen Euro teure Wärmeenergiezentrale (WEZ) an der Lenggrieser Straße versorgt bereits den ersten Wohnblock. „Damit ist ein großer Schritt erreicht“, meint der Geschäftsführer.

In den vergangenen Jahren haben die Stadtwerke eine Fahrt durch Bad Tölz für Verkehrsteilnehmer zur Geduldsprobe gemacht. Um die Leitungen zu verlegen, waren immer wieder Straßen wochenlang gesperrt. Spektakulär war vor allem der Bau des Isar-Dükers: Mithilfe von sechs Baggern und zwei Baukränen wurden Ende 2024 zwei jeweils 35 Tonnen schwere und 92 Meter lange Stahlrohre unter dem Flussbett deponiert. „Wir hatten leidgeprüfte Autofahrer, das wissen wir“, sagt Stahl. Aber die aufwendigen Arbeiten waren nötig, um die Hauptadern des Fernwärmenetzes durch die Stadt zu ziehen: vom Kurviertel ins Stadtzentrum und bis zur Karwendelsiedlung, von Ellbach hinüber zur Flinthöhe. Und auch das neue WEZ musste an die Leitungen erst einmal angedockt werden.

Die Energiezentrale mit einer Gesamtleistung von 30 Megawatt ähnelt einem Körper mit diversen Organen, die im Zusammenspiel dafür sorgen, dass klimaneutrale Wärme produziert wird – und dies, ohne einen Versorgungsinfarkt zu riskieren. Ein Herzstück sind zwei große Luftwärmepumpen, die 30 Prozent des Wärmebedarfs abdecken sollen. Betrieben werden sie mit Strom aus Solaranlagen auf den Dächern der WEZ selbst, des Feuerwehrhauses, der Südschule und verschiedenen Gebäuden der Stadtwerke. Auch die warme Luft, die unter der PV-Anlage auf dem Dach des Neubaus entsteht, wird in die Pumpen geleitet.

Doppelspitze: Wolfgang Stahl und Andrea Abels sind die beiden Geschäftsführer der Tölzer Stadtwerke.
Doppelspitze: Wolfgang Stahl und Andrea Abels sind die beiden Geschäftsführer der Tölzer Stadtwerke. (Foto: Manfred Neubauer)

Im Winter oder anderen Phasen im Jahr, wenn sich die Sonne selten blicken lässt, erzeugen zwei Hackschnitzelanlagen weitere 40 Prozent Wärme. Die beiden Kessel, der eine mit 2,5, der andere mit vier Megawatt, werden kaskadenartig zugeschaltet. Weitere 20 Prozent kommen von einem Blockheizkraftwerk, das noch eingebaut wird. Und fünf Prozent stammen von Power-to-Heat-Anlagen, die überschüssigen Strom in Wärme verwandeln.

Verbleiben noch fünf Prozent: Die werden nicht aus regenerativer Energie abgedeckt, sondern mit Gas.  Allerdings würden die beiden Gaskessel lediglich in Spitzenlastzeiten gebraucht, erst der kleine mit drei, dann vielleicht noch der große mit fünf Megawatt, so Stahl. Diese Wärme werde rasch produziert, schneller als mit Hackschnitzeln. Dies sei punktuell erforderlich, „wenn es minus 15 Grad hat, alle anfangen, die Wohnungen hochzuheizen, auch die Klinik und andere Einrichtungen Wärme brauchen“.

Die vier Pufferspeicher in der WEZ haben ein Fassungsvermögen von je 150 Kubikmetern.
Die vier Pufferspeicher in der WEZ haben ein Fassungsvermögen von je 150 Kubikmetern. (Foto: Stadtwerke Bad Tölz)

Ein wichtiges Organ sind außerdem die vier Pufferspeicher mit jeweils 150 Kubikmeter Fassungsvermögen. „Egal, was wir an Wärme erzeugen, es geht immer in die Pufferspeicher“, sagt der Stadtwerke-Geschäftsführer. Was die Hackschnitzel betrifft, so stammen sie aus Wäldern in der Region. Dabei handle es sich ausschließlich um Restholz, sagt Stahl. „Wir sehen zu, dass alles regional ist und die Transportwege nicht zu lange sind.“

Die Lastwagen müssen auf dem Gelände hinter dem Feuerwehrhaus nicht wenden, sondern können von der Lenggrieser Straße in einer Einbahnregelung zum großen Tor kommen, die Hackschnitzel in eine 280 Kubikmeter große Abkippgrube abladen und über die Feuerwehreinfahrt auf die Bundesstraße 13 hinausfahren. In der Energiezentrale sortiert dann ein vollautomatischer Greifer-Kran das Kleinholz, je nach Qualität.

Ein vollautomatischer Greifer-Kran sortiert die angelieferten Hackschnitzel.
Ein vollautomatischer Greifer-Kran sortiert die angelieferten Hackschnitzel. (Foto: Stadtwerke Bad Tölz)

„Er weiß, wo welche Ware liegt, kennt die Wettervorhersage und schaufelt im Lager die Hackschnitzel um, damit nichts zu riechen beginnt“, so der Geschäftsführer. Man wolle die Geruchsbelästigung für die Bewohner der benachbarten Häuser so gering wie möglich halten. Ebenso die Feinstaubwerte. Die Filter der WEZ ließen „vom Feinstaub 0,0 Prozent übrig, da geht nichts aus dem Gebäude raus.“

Die Kosten von rund 30 Millionen Euro für die neue Energiezentrale müssen die Stadtwerke nicht komplett selbst tragen. Vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) bekomme man einen Zuschuss von neun Millionen Euro, sagt Stadtwerke-Geschäftsführerin Andrea Abels. Etwa 20 Millionen Euro investieren die Tölzer Stadtwerke ins Leitungsnetz. Auch dabei rechnet Abels mit einer Förderung durch die Bafa von etwa 40 Prozent.

Lärmschutz und Filter wurden eingebaut, damit die Anwohner der neuen Energiezentrale nicht belästigt werden.
Lärmschutz und Filter wurden eingebaut, damit die Anwohner der neuen Energiezentrale nicht belästigt werden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Wärmeenergiezentrale versorgt künftig zusammen mit dem Heizkraftwerk Hoheneck das südwestliche Stadtgebiet von Bad Tölz mit Fernwärme, das Heizkraftwerk an der General-Patton-Straße den nordöstlichen Teil. Die Energiezentrale wird nun peu à peu hochgefahren, das Versorgungsnetz bis 2027 weiter ausgebaut, wenn auch nicht bis in den letzten Winkel. Die Zahl der Kunden nehme sukzessive zu, teilt Abels mit – ohne genaue Zahlen zu nennen.  „Wir versuchen, jährlich Zuwachs zu bekommen. Wir wollen und müssen die großen Kunden zuerst gewinnen“, sagt Stahl. Was die Preise angeht, würden sie oft von externen Faktoren bestimmt. Ziel der Stadtwerke sei es, die Kosten auf einem konstanten Niveau zu halten.

„Wir haben jetzt eine unglaubliche hohe Versorgungssicherheit“, sagt der Stadtwerke-Geschäftsführer.

Den Grund, warum Bad Tölz mit dem Fernwärmenetz anderen Kommunen voraus ist, sieht Stahl in dem Energienutzungsplan der Stadt. Der wurde bereits 2017 vorgestellt und verabschiedet. „Das war die Basis für unsere Planungen“, sagt der Geschäftsführer. Ein vorausschauender Beschluss. Und dann lässt sich Stahl doch zu einem Superlativ hinreißen: „Wir haben jetzt eine unglaublich hohe Versorgungssicherheit.“ Und dies fast ausschließlich mit regenerativer Energie.

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