Bei Baerbocks Feuertaufe auf der Weltbühne stachen drei Szenen besonders raus | ABC-Z

Die Rolle von Annalena Baerbock als Leiterin der UN-Generalversammlung hat es in sich. Rhetorik-Experte Michael Ehlers schaute genau zu und erklärt Details.
Annalena Baerbock hat ihre neue Rolle als Präsidentin der UN-Generalversammlung sichtbar ernsthaft gespielt: streng im Protokoll, sparsam im Pathos, mit einer einzigen, pointierten Spitze (sinngemäß: „Die Teleprompter funktionieren sehr gut“) als bewusstem Souveränitätssignal.
In einem Saal, der nach Donald Trumps Auftritt spürbar unruhig war, war sie die Ordnungskraft – mit Hammer, knappen Hinweisen und einem trockenen Konter, der die Bühne zurück an die Institution gab.
Michael Ehlers ist Rhetoriktrainer, Bestsellerautor und Geschäftsführer der Institut Michael Ehlers GmbH. Er coacht Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Sport und Medien. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Szene 1 – Hinter dem Redner: kontrollierte Mimik statt Mit-Inszenierung
Während Trump sprach, sah man Baerbock im Bildhintergrund. Auffällig dabei: Sie gab keine Kommentarmimik von sich, kein sichtbares Einsteigen in die Szenerie – sondern: ein professionelles „Neutralitäts-Face“, das die Vorsitzrolle verlangt. Gerade weil Kameras permanent suchen, war diese Zurückhaltung in dem Moment eine Kunst.
Szene 2 – Nach der Rede: die Saal-Regie
Unmittelbar nach Trumps Abgang wurde es unruhig in der Halle. Baerbock holte den Saal mit dem Hammer zurück, forderte Sitzplätze und Ruhe ein – das waren klassische, aber in dem Moment nötige Autoritätssignale („Please take your seats“).
Das ist Ethos durch Rolle: Der Vorsitz der Generalversammlung ist keine Beifallsmaschine, sondern Ordnungsmacht.
Szene 3 – Die Pointe: „Die Teleprompter funktionieren sehr gut“
Auf die Teleprompter-Klage von Trump reagierte Baerbock knapp, trocken, hörbar: sinngemäß, „Die UN-Teleprompter funktionieren sehr gut.“
Das war nicht kleinlich, sondern ein Meta-Signal – hier gelten die Regeln des Hauses, nicht die Dramaturgie einzelner. In der Kürze lag Wirkung – und Social-Media-Tauglichkeit.
Was fiel außerdem noch an Baerbocks Verhalten auf?
- Sie agierte als „Rule Keeper“: Reihenfolge, Redezeiten, Ruhe. Nach einer populistischen Performance des US-Präsidenten war das bewusste Zurückdrehen auf Verfahren glaubwürdig.
- Sie verzichtete auf große Emotion. Understatement war das Kontrastmittel zur Show – das stärkte die Institution, statt sie zu überblenden.
- Der Hammer, die kurzen Ansagen, der neutraler Ton – so erfüllte sie die Erwartungen an die Stuhlführung. Die eine Pointe markierte Souveränität, ohne in Parteipolitik abzurutschen.
Die “Under-Acting”-Strategie: Was an Baerbocks Körpersprache besonders war:
- Haltung: aufgerichtet, frontal – Präsenz ohne Aggression.
- Mimik: überwiegend neutral; keine sichtbaren Reaktionen auf Trumps Worte. Eine bewusst kontrollierte „Under-Acting“-Strategie, um nicht Teil der Show zu werden.
- Gestik/Requisite: der Hammer als einzig dominantes Zeichen; klarer Schlag, ein Teil der „Order!“
- Stimme: ruhig, mittlere Tiefe, kurze Imperative; das Tempo gibt den Takt für den Saal vor.
Was funktionierte – und wo die Fallstricke lagen:
1. Institution über Person: Sie verschob die Aufmerksamkeit zurück auf Verfahren und Reihenfolge – das entwaffnete Dramen.
2. Eine präzise Pointe: Kurz, zitierfähig, nicht verletzend – ideal für News-Zyklen und als Autoritätsmarkierung.
Und das waren die Fallstricke
- Schmale Neutralitätslinie: Jede Spitze kann als Parteinahme gelesen werden. Die Dosis war hier richtig – mehr davon würde den Vorsitz politisieren.
2. Dauer-Kamera: Baerbocks Auftritte werden in sozialen Medien permanent zergliedert. In der GA-Rolle muss jede nonverbale Spur doppelt neutral bleiben.
Das Fazit zu Annalena Baerbocks Führung der UN-Generalversammlung:
Andere inszenieren. Baerbock führt – mit Verfahren, nicht mit Volumen. Ihre Vorsitzrolle verlangt genau das: Ruhe herstellen, die Bühne der Institution schützen und nur dosiert pointieren.
Der Auftritt zeigt: Eine einzige, sauber gesetzte Spitze kann reichen, um das Protokoll gegen die Show zu behaupten. Die Linie bleibt schmal – aber sie hat sie gehalten.





















