Kultur

Bayeux-Teppich in diplomatischer Mission: Echter Stoff für eine Kränkung | ABC-Z

Berlin taz | Der Teppich von Bayeux hat schon einiges mitgemacht. Wahrscheinlich wurde er im 11. Jahrhundert in England angefertigt, nach der Schlacht bei Hastings 1066. Von dem epochalen Ereignis berichtet die gestickte Bildergeschichte des Teppichs auf siebzig Metern Leinwand. Das macht seinen Ruhm aus. Nun steht ihm ein Auftritt im British Museum bevor. Präsident Macron möchte es so, Alter und Zustand spielen keine Rolle.

Patrioten, Kunstliebhaber, Kuratoren und Restauratoren sind erbost. Wie kann es sein, dass dieses singuläre Werk, ein unwiederbringliches Weltkulturerbe, das in der Normandie im Dienst des Tourismus steht, durch die Reise über den Ärmelkanal noch Risse im Gewebe oder Schlimmeres riskiert. Eine Onlinepetition des Kunstmagazins Tribune de l’art verzeichnet bereits über 70.000 Unterstützer. Doch ist der Teppich französischer Staatsbesitz und hat Anweisungen Folge zu leisten. Er kann den Job auch nicht auf seinen Stellvertreter im Museum von Reading abwälzen, wo seine Kopie aus dem 19. Jahrhundert gezeigt wird.

Verlangt wird das Original, Zeitalter der Reproduzierbarkeit hin oder her. Mehrfach hatten die Briten das Zeugnis der eng verwobenen Geschichte Englands und Frankreichs angefragt. Lange schien ein Transport des ehrwürdigen Textils abwegig. Nun aber muss der Teppich seinen Dienst tun, den Brexit zur Episode werden lassen, Frankreich stärken, Europa einen. Das Unmögliche möglich machen. Noch immer in Erinnerung sind auch die 4.000 Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, die heute in der britischen Kriegsgräberstätte von Bayeux begraben liegen. Es sind Armeeangehörige aus dem britischen Commonwealth, die Frankreich und Europa vor Hitler-Deutschland von der Normandie aus befreit hatten.

Die politische Symbolkraft des fragilen Originals

Erlebt also das Original ein Comeback? Das glaube er nicht, sagt der Kunst- und Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich. „Deutlich wird, dass ein Original in gewissen Situationen offenbar nicht substituierbar ist. Gerade weil mit dem Transport ein Risiko verbunden ist und die Restauratoren abwinken, kann sich daraus umso größere Symbolkraft entwickeln.“ Frankreich zeige, dass es bereit sei, für ein gutes Verhältnis zu England alles zu geben. England könne beweisen, dass es sich des Vertrauens würdig erweist, wenn der Teppich unversehrt nach Bayeux zurückkehre.

Eine verzwickte Geschichte, die jene Wissenschaftlerinnen und Restauratoren auf ihre Plätze verweist, die um den Erhalt des Teppichs von Bayeux kämpfen. Die Kränkung würde zu verschmerzen sein, wenn Großbritannien wieder Mitglied der EU wird, die gerade mehrere diplomatische Schlachten gleichzeitig zu schlagen hat. Doch klingt diese Vision nicht minder utopisch als die, dass Macron und der britische Premierminister Keir Stamer den Teppich dort lassen, wo er ist, zum Wohle künftiger Generationen.

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