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Bayern: Politiker kritisieren geplantes Flüchtlingsheim am Starnberger See | ABC-Z

Seeshaupt – In der Gemeinde Seeshaupt am Starnberger See entbrennt ein Streit um ein Millionen-Grundstück des Freistaats. Unweit des Ufers, eines Campingplatzes und eines Gasthofs soll im Ortsteil Sankt Heinrich auf dem rund 4000 Quadratmeter großen Areal eine dezentrale Unterkunft für Asylbewerber entstehen.

Kommunalpolitiker aus dem Gemeinderat lehnen das Vorhaben aus wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten parteiübergreifend ab. Zudem befürchten sie, dass der Ort so viele Geflüchtete gar nicht mehr integrieren kann.

1,7 Millionen Euro nur für Altlasten

Der Zoff sorgte vor einigen Tagen bundesweit für Schlagzeilen, weil der Freistaat für den Bau der Einrichtung viel Geld in die Hand nehmen muss. Zunächst müssen Altlasten entsorgt werden. Kostenpunkt allein dafür: rund 1,7 Millionen Euro.

Dann soll ein neues, modernes Gebäude errichtet werden – mit einer Photovoltaikanlage, Wärmepumpentechnik und Außenanlagen. Wie viel Geld dafür genau aufgebracht werden muss, ist derzeit noch unklar, berichten mehrere Mitglieder des Gemeinderates.

In dem rot markierten Bereich soll die Unterkunft entstehen. Auf der anderen Straßenseite liegt der Starnberger See.
© Google Maps
In dem rot markierten Bereich soll die Unterkunft entstehen. Auf der anderen Straßenseite liegt der Starnberger See.

von Google Maps

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Letztlich sollen dann 99 Asylbewerber, die dem Landkreis Weilheim-Schongau zugewiesen werden, ihr neues Zuhause dort finden. Doch das passt nicht jedem.

Vor allem rechte Medien heizten den Streit rund um das Vorhaben an. Auch zwei Abgeordnete der AfD sprachen von einem „Luxus-Asylheim“, das aus Steuergeldern finanziert wird.

Die Behauptung ist aber irreführend: Der Staat möchte immerhin kein Geld in billige, bald wieder baufällige Räumlichkeiten pumpen.

Auch Wohnungen für Einheimische sind vorgesehen – zum ortsüblichen Preis

Was in der Debatte immer wieder außen vor gelassen wird: Auch Einheimische sollen in dem geplanten Gebäude eine Unterkunft finden. Für 53 Bürger soll dort Platz sein.

Es gibt aber die Befürchtung, dass in die Wohnungen niemand einzieht. Sie sollen zur ortsüblichen Miete angeboten werden. Am Starnberger See sind die Preise ohnehin hoch – ob dann auch noch jemand direkt neben den Geflüchteten einziehen will, sei fraglich.

Was ebenfalls für Aufsehen sorgt: eine angeblich kostenlose Kinderbetreuung für die Geflüchteten. Auch das stimmt nicht ganz: Es geht um keine unentgeltliche Tagesstätte, sondern um ein Angebot aus den Reihen der Geflüchteten mit einer Qualifikation, die auf Kinder aufpassen.

Einer der Entscheidungsträger in Seeshaupt ist das Gemeinderatsmitglied Maximilian Amon (Partei für Bürger Seeshaupt-Magnetsried). Er verfolgt die Auswirkungen der Flüchtlingskrise bereits seit Jahren: „Wir haben nichts gegen Flüchtlinge.“

Fast 50 Asylbewerber hätten schon ein Zuhause im Ort am Starnberger See gefunden. Aus dem einst großen Kreis an Helfern, die in der Vergangenheit Geflüchtete unterstützt haben, sei jedoch nur eine Person übrig geblieben.

„Wo bekommen wir jetzt so viele Helfer her?“, fragt Amon. „Das überfordert den Ort völlig.“ Er warnt davor, die Infrastruktur weiter zu überlasten. Mit Blick auf Schulen und Kindergärten sei man bereits jetzt am Limit.

Amon spricht von „Erpressung“

Die einzige Hilfe aus dem Landratsamt sei, dass „zwei Security-Leute“ vor die Unterkunft gestellt werden. Die Behörde wies wiederum in der Vergangenheit darauf hin, was passiert, wenn mit Blick auf die Einrichtung keine Lösung gefunden wird. Dann könnte die Regierung von Oberbayern auch ohne die Gemeinde bauen.

Für Amon ist das „Erpressung“. Zudem weist der Ortsvorsteher darauf hin, dass es unwirtschaftlich sei, Flüchtlinge auf einem Millionen-Grundstück unterzubringen.

Für ihn spielt auch die soziale Frage eine Rolle: Wenn die übrigen Wohnungen zur ortsüblichen Miete angeboten werden, „dann ist das nicht das, was wir uns für einkommensschwache Familien vorstellen“, so Amon.

„Normalere“ Unterkünfte seien sinnvoller

Bürgermeister Fritz Egold (CSU) sieht Schwierigkeiten auf den Ort zukommen. Generell sei es zwar wichtig, dass Flüchtlingen geholfen werde, aber man müsse auch erkennen, wenn es nicht mehr gehe, sagt er. Kindertagesstätte oder Schule hätten im 3200-Einwohner-Ort keine unbegrenzten Kapazitäten.

Auch den Flüchtlingen tue man mit dieser Unterkunft keinen Gefallen, meint Egold – denn eine solche Bleibe mit Seeblick schüre den Neid in der Gesellschaft. Sinnvoller fände er „normalere“ Unterkünfte.

Wie viele Flüchtlinge tatsächlich kommen, ist noch unklar.

Das zuständige Landratsamt teilt auf AZ-Anfrage mit, dass es sich noch in Absprachen mit der Gemeinde befinde. Bisher sei nichts in Stein gemeißelt – auch nicht, wie viele Flüchtlinge überhaupt nach Sankt Heinrich kommen.

Grundsätzlich achte die Behörde auf „wirtschaftliche und angemessene Kalkulation“. Auch die Rahmenbedingungen sollen dabei nicht außer Acht gelassen werden.

Bald wird sich herausstellen, ob Bürgermeister Egold mit den Verantwortlichen aus dem Landratsamt eine überzeugende Lösung präsentieren kann. Jetzt haben die Einheimischen am 24. Oktober bei einer Bürgerversammlung zunächst die Möglichkeit, auf ihre Bedenken aufmerksam zu machen. Ob Egold diese vollständig ausräumen kann, bleibt abzuwarten. 

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