Bayern-Patron Hoeneß kritisiert die Deutschen: “Wir sind aber im Moment ein Jammer-Volk” | ABC-Z
München – Glaubt man Dieter Nuhr – und warum sollte man dies nicht tun? –, dann war vorab nichts abgesprochen, was die Talkrunde mit Uli Hoeneß betrifft. “Ich habe keine Ahnung, worüber wir reden”, sagte Nuhr, “ich bin gespannt”.
Das waren an diesem Abend im Bayerischen Nationalmuseum bei der Eröffnung der Ausstellung “Woanders ist überall” des vor allem als Kabarettisten bekannten bildenden Künstlers Nuhr sehr viele Menschen, und sie alle fragten sich: Wie haben ausgerechnet diese beiden zusammen gefunden?
Hoeneß bei Talkrunde von Dieter Nuhr
Nuhr klärt vorab auf: “Uli Hoeneß rief bei meiner Agentur an, bat, mich anrufen zu dürfen – und sagte mir dann, dass ihm mein kabarettistischer Jahresrückblick gut gefallen habe.” Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?
Nuhr sagt: “Ich kenne niemanden, der Uli Hoeneß kennt und ihn nicht für einen tollen Menschen hält. Eine faszinierende Persönlichkeit.” Die Häme und Schadenfreude, die dem Bayern-Boss im Zuge seiner Haftzeit entgegenschlug, empfand Nuhr als unangebracht: “Er hat bezahlt dafür und ist nun wieder einer von uns.”
Bayerns Klubpatron Hoeneß mit Appell: “Wir müssen wieder mehr nach vorne schauen”
Und Hoeneß? Saß bei der Diskussionsrunde im völlig überfüllten Foyer des Museums zunächst in Reihe eins, von Nuhr getrennt durch Bodo Hombach, den Vorstandsvorsitzenden der die Ausstellung finanzierenden Brost-Stiftung. Auf der Bühne stellt ein Moderator zwar Fragen, doch die nimmt Hoeneß nur zum Anlass, das loszuwerden, was ihm zur Lage der Nation offenbar unter den Nägeln brennt, und das klingt dann so:
“Im Moment wird ja alles schlecht gemacht. Wir müssen wieder mehr Selbstvertrauen haben, aber auch mehr Demut – ohne schon wieder den nächsten Bundestagswahlkampf im Sinn zu haben.”
Schließlich bestehe durchaus Anlass für Optimismus, findet Hoeneß: “Deutschland ist ein unglaublich wohlhabendes Land, mit einer tollen Wirtschaft. Wir sind aber im Moment ein Jammer-Volk – und die Medien hauen jeden Tag drauf! Schaut man derzeit die Nachrichten, wird man ja wahnsinnig.” Die Lösung: “Wir müssen wieder mehr nach vorne schauen.”
Hoeneß auf Podiumsdiskussion: “Ich bin der ruhigste Mensch der Welt”
Dieter Nuhr äußert derweil, er habe ein Problem mit der Toleranz: “Intoleranz macht die Ränder der Gesellschaft aus. Ideologen gehen mir zunehmend auf die Nerven.” Er wolle auch nicht länger zwischen rechts und links unterscheiden, sondern lieber zwischen totalitär und individuell.
Mit Blick auf den hanebüchenen Wahlkampf in den USA sagte Nuhr: “Da haben wir nur noch einen leichten Kulturvorsprung. Und wir haben das große Glück, dass der AFD eine Figur wie Trump fehlt – sonst sähe es noch schlimmer aus.” Hoeneß meint dazu nur: “Den könnte ich keine Sekunde ertragen.”
Hoeneß: “Wir brauchen neue Kräfte, neuen Mut”
Generell verortet der Bayern-Boss viele der aktuellen Probleme bei den Medien: “Zu jedem Mist wird irgendeine Pressekonferenz gemacht. Die sollen doch mal arbeiten! Meinen Sie, Franz-Josef Strauß hätte für ntv jede Woche eine Pressekonferenz gegeben? Niemals! Wenn heute die FDP irgendeinen Furz lässt, muss es eine Pressekonferenz geben.”
Auch hier hat Hoeneß eine Lösung parat: “Es muss extrem mehr gearbeitet werden. Das schreit ja zum Himmel!” Und weiter: “Deshalb brauchen wir den Wechsel, so schnell wie möglich. Wir brauchen neue Kräfte, neuen Mut. Die müssen schauen, dass sie unser Leben verbessern.” Mit die meint er wohl die Politiker und ausnahmsweise nicht die Medien.
In die selbe Kerbe schlägt auch Mit-Diskutant Nuhr: Das Problem sei nicht die Meinungsfreiheit, die in Deutschland “absolut” gegeben sei, sondern das Meinungsklima, die Beschleunigung der medialen Wahrnehmung: “Man kommt nicht mehr zur Ruhe. So entsteht Hysterie, eine Erregungswirtschaft.”
Da kann Uli Hoeneß wieder seinen Klassiker zum Besten geben: Noch nie in seinem ganzen Leben habe er eine SMS geschrieben, besitze keine Email-Adresse. “Die Millionen Shitstorms, die über mich ergangen sind, habe ich nicht registriert. Ich bin der ruhigste Mensch der Welt.” Wenn das mal kein schönes Schlusswort war.