Bayerische-Boss Martin Gräfer in der AZ: “Langfristig braucht 1860 eine neue Gesellschafterstruktur” | ABC-Z

AZ-Interview mit Martin Gräfer. Der 56-Jährige ist Vorsitzender des Vorstands bei “Die Bayerische”. Im letzten Jahr kandidierte der Chef des Hauptsponsors des TSV 1860 mit dem “Bündnis Zukunft 1860” ohne Erfolg für einen Sitz im Verwaltungsrates bei den Löwen.
Herr Gräfer, wir erwischen Sie gerade im Auto. Auf dem Weg zu einem potenziellen Gastgeber für die Regio-Tour des TSV 1860, die “Die Bayerische” unterstützt?
(lacht) Heute nicht zu einem Bewerber der Regio-Tour – aber die Begeisterung ist riesig: Über 100 Vereine haben sich gemeldet. Das zeigt, wie groß die Strahlkraft von 1860 ist. Die Idee dahinter ist klar: 1860 stärken, neue Fans gewinnen und dort präsent sein, wo auch “Die Bayerische” aktiv ist. Wir sind keine Mäzene, wir investieren gezielt in Verein, Fans und Marke.
1860-Hauptsponsor Gräfer: “Neue Stars allein reichen nicht”
Wie kam es zu der Idee, die Löwen in die Region zu bringen, wo und bei wem hat sie ihren Ursprung?
Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Christian Werner und ich haben über verschiedene Möglichkeiten diskutiert – und plötzlich war die Idee da. Im Zweifel kam sie von ihm (lacht). Der Grundgedanke kam auf, als wir über neue Spieler wie Kevin Volland oder Florian Niederlechner diskutierten. Klar ist: Neue Stars allein reichen nicht, wir müssen auch neue Fans gewinnen, im Idealfall über Bayern hinaus. Wenn 1860 irgendwo aufläuft, entsteht Begeisterung, und viele bleiben hängen.
Ich glaube auch, dass es ein Mehrwert ist, in Regionen zu gehen, wo nicht nur Löwen-Fans zu Hause sind. Ich würde mich tatsächlich freuen, wenn sich auch Vereine außerhalb Bayerns bewerben. Warum nicht da neue Fans gewinnen? Wenn ich sehe, wie viele junge Fans in den letzten Monaten dazugestoßen sind, da ist positive Bewegung drin.
Wie erleben Sie den Hype um 1860 derzeit? Da muss Ihnen als Hauptsponsor doch das Herz aufgehen – vermutlich so sehr, wie selten zuvor.
Die letzten sieben Jahre waren eine Achterbahnfahrt – Euphorie, Krisen, Neustarts. Klar freuen wir uns darüber, dass die Stimmung aktuell so positiv ist. Als kurzzeitig ein neuer Gesellschafter im Raum stand, war meine Begeisterung riesig. Als es dann doch nicht geklappt hat, ist mir das Herz in die Hosentasche gefallen. Mittlerweile ist es aber wieder draußen und ich spüre neuen Schwung, sportlich wie strukturell. Trotzdem gilt: Euphorie allein reicht nicht – der Spielbetrieb muss wirtschaftlich tragfähig werden.
Gräfer: “Das 1860-Trikot ist für mich das Schönste im deutschen Profifußball”
Ein kleiner Wermutstropfen, dass die heißbegehrten Heimtrikots mit ihrem Logo derzeit vergriffen sind?
Das freut mich enorm. Offensichtlich erleben wir in den Profiligen gerade einen Hype um Trikots. Die Kölner Ausweichtrikots sind erst im Januar wieder bestellbar, bei den Kollegen in Augsburg sieht es auch so aus. Aber das 1860-Trikot ist für mich das Schönste im deutschen Profifußball. Punkt. Dass es vergriffen ist, zeigt: Die Löwen sind zurück in den Herzen vieler Menschen. Ich hoffe nur, dass Joma schnell nachliefert.
Wie erleben Sie das neue 1860-Präsidium um Gernot Mang?
Ich habe Gernot Mang vor der Mitgliederversammlung 2024 besser kennengelernt. Ein wesentlicher Teil eines Neuanfangs ist, dass Menschen in der Lage sind zu kommunizieren, gerne kommunizieren und sichtbar für den Verein stehen. Das sind gute Voraussetzungen – aber es ist eben erst der Anfang einer Veränderung. Personell sind wir damit schon sehr gut aufgestellt.
© sampics
von sampics
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Gräfer über Stadionfrage: “Mein Herz schlägt klar für Giesing”
“Ich bin sicher, die Zukunft der Löwen liegt in Giesing”, schrieben Sie im Juli in den Sozialen Medien. Mit den Olympia-Plänen der Stadt ist neuer Schwung in die Diskussion um das Grünwalder Stadion gekommen. Wie ist ihr derzeitiger Blick auf die Thematik?
Ich glaube, dass eine Stadt mehr Verantwortung übernehmen kann als es auf die Abteilungen und die Gremien zu schieben. Das Grünwalder Stadion hat eine enorme Strahlkraft, aber in seiner heutigen Form ist es am Ende. Wenn 1860 eine Zukunft haben will, braucht es ein Stadion, das eine größere Anzahl an Zuschauern fasst – mit modernen Bereichen, nicht nur für VIPs. Dafür braucht es einen Finanzplan, die Stadt an Bord und Mut zur Veränderung. Trotzdem: Mein Herz schlägt klar für Giesing, weil dieser Standort ein einmaliger Trumpf für die Marke 1860 ist. Man muss wirklich alle Grenzen überdenken, die man umsetzen kann. Natürlich ist auch immer eine Frage der Alternative, da wird ja immer wieder Riem genannt. Aber die Marke 1860, dieser Verein lebt nicht nur von Fragen des nationalen Erfolgs, sondern auch von der Intensität der Anhängerschaft. Mein Wunsch: Ich hätte das alles gerne in Giesing.
Der Verkauf der 1860-Anteile von Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik ist im Juli spektakulär gescheitert, dennoch steht die Veräußerung weiterhin auf dem Plan. Könnte “Die Bayerische” in diesem Prozess eine Rolle spielen, selbst Anteile erwerben?
Ich bin Hasan Ismaik dankbar, dass er dazu beigetragen hat, die Insolvenz abzuwenden. Das ist dem alten Präsidium um Robert Reisinger und Ismaik gelungen, dafür gebührt allen handelnden Personen großer Respekt und Dankbarkeit Aber langfristig braucht 1860 eine neue Gesellschafterstruktur. Am besten eine regionale Lösung. Wenn sich eine Koalition starker, lokaler Unternehmen bildet, dann sind wir sehr offen, darüber zu reden. Für den Verein und die Fans wäre das ein echter Neustart.
“Bei 1860 dominieren seit Jahren die Gesellschafterstreitigkeiten”
Der Vertrag als Hauptsponsor der Löwen läuft noch bis zum Ende der Saison 2026/27, dann prangt elf Jahre lang Ihr Logo auf der Brust. Was muss geschehen, dass da noch ein paar Jahre dazukommen?
Wir leben als Unternehmen und Sponsor davon, dass man Geschichten erzählen kann – und zwar idealerweise positive Geschichten. Die gibt es beim TSV 1860. Aber es war in den letzten Jahren durchaus stark geprägt von schrillen, schwierigen Momenten. Das ist dann für den Journalismus wahrscheinlich eine gute Geschichte, aber ich weiß, dass alle, die sich mit 1860 beschäftigen, lieber von Erfolgen berichten. So geht es uns auch, die Geschichte muss eine positive Fortsetzung finden und die Voraussetzung ist dafür ist, dass es auch tatsächlich eine positive Entwicklung gibt, dass eine Geschichte geschrieben wird. Das muss nicht zwingend der Aufstieg sein. Auch Pokalwunder oder Siege gegen Favoriten nähren den Mythos 1860. Wenn es solche Geschichten gibt, sind wir gerne weiter dabei.
Welche Löwen-Geschichte würden Sie denn dann am liebsten zeitnah lesen?
Ganz klar: ‘1860 findet neue Gesellschafterstruktur’. ‘Stadionlösung in Giesing fix’. Und: ‘Die Löwen spielen um den Aufstieg’. Diese drei Schritte würden eine neue Ära einleiten.
Dafür braucht es aber auch Ruhe und Kontinuität.
Absolut. Bei den meisten Vereinen dominiert der Sport alles. Bei 1860 dominieren seit Jahren die Gesellschafterstreitigkeiten. Mein Eindruck ist aber: Hasan Ismaik trifft überraschend konstruktive Personalentscheidungen, und das neue Präsidium ist bereit, den Neuanfang zu wagen. Das ist die große Chance.