Bayer Leverkusen: Grimaldo glänzt beim Sieg gegen Eintracht Frankfurt – Sport | ABC-Z

Edmond Tapsoba, Bayer Leverkusens nicht gerade schwächlicher Innenverteidiger, griff zu und hievte die Ladung auf seine rechte Schulter. Dann lief er ein paar Schritte durch die Gegend und gab damit ein Bild ab, das sowohl Übermut und Freude als auch Anerkennung ausdrückte – bis er den ehrenhalber geschulterten Alejandro Grimaldo so achtsam auf den Boden zurückstellte, als wäre dieser eine teure Ming-Vase.
Und so ähnlich verhielt es sich ja auch: Der spanische Linksaußen war am Freitagabend für Tapsobas Bayer 04 kostbar wie ein Wertgegenstand. Weil er zwei wunderbare Freistoß-Tore zum 3:1 (2:0)-Sieg gegen Eintracht Frankfurt beisteuerte. Und weil er mit seinem profilierten Auftritt dafür sorgte, Glanz in das ansonsten recht wüste Spiel zu bringen. Spitzenfußball made in Bundesliga war am Freitagabend beim Treffen des Vorjahreszweiten und Vorjahresdritten eher nicht zu sehen. Doch während die Frankfurter mit sich haderten („schwache Leistung“, meinte Sportchef Markus Krösche), empfanden die Leverkusener ihren Auftritt als gelungenen Neubeginn.
Seinen zweiten kunstvollen Treffer landete Grimaldo zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Frage stellte, ob er den Ball nicht besser sichern als aufs Tor schießen sollte. Bayer 04 führte 2:1, die vorletzte von sieben Minuten Nachspielzeit war angebrochen, und es galt die Devise, mit neun Verbliebenen den Vorsprung zu retten, nachdem Kapitän Robert Andrich (59.) und der eingewechselte Ezequiel Fernández (90.+3.) vom Feld gestellt worden waren. Doch Grimaldo lehnte es ab, den Ball zum Zweck des Zeitspiels zu einem Mitspieler zu lenken, er nahm Maß zum Abschuss, und Kaspar Hjulmand fand, dass es gut war. In den drei Trainingseinheiten, die er seit Mittwoch geleitet habe, habe Grimaldo „so viel Stärke und Selbstvertrauen“ demonstriert, „dass ich dachte: Go for it“.
Für Hjulmand, seit Mittwoch der neue Bayer-Trainer, war es nicht nur wegen des Resultats ein guter Einstand. Auch die Signale, die von seiner Mannschaft ausgingen, durften ihm gefallen. Je weniger Spieler auf dem Platz standen, umso besser fand der Rest zueinander. Dem Team habe es öfter an Ruhe und Struktur gemangelt, „aber was zum Vorschein kam, das war ein sehr guter Charakter“, hob Hjulmand hervor, und damit sprach er kein Standard-Kompliment aus. Der gemeinschaftliche Kampfgeist war das auffällige Merkmal, das die an vielen Stellen noch unfertige Bayer-Mannschaft auszeichnete. Ähnliches hatten sie in den ersten beiden Partien vermissen lassen, und den Interviews nach Spielschluss war zu entnehmen, dass die Profis dafür auch die von Anfang an gescheiterte Beziehung mit Hjulmands Vorgänger Erik ten Hag verantwortlich machen. Je öfter Torjäger Patrick Schick oder Torwart Mark Flekken von der „Klarheit“ ihrer Vorgaben und der Erfüllung der Basis-Aufgaben sprachen, um so deutlicher wurde, dass sie damit die neue von der alten Lehre abgrenzten. Der Name Ten Hag fiel nicht, aber zwischen den Zeilen stand er in Großbuchstaben.
Trotzdem hätte die Premiere schiefgehen können. Mit ihrem Vorteil nach Andrichs Platzverweis wusste die Eintracht nicht viel anzufangen, dabei war der Zeitpunkt ideal: Nach miserabler erster Halbzeit hatten die Frankfurter den zweiten Akt stark begonnen und prompt durch Can Uzun das 1:2 geschossen. Doch dann verloren sie sich in Ballverlusten und Hektik und erleichterten Bayer die Arbeit. Der Ivorer Tapsoba formierte außerdem mit dem aus Liverpool gekommenen Engländer Jarell Quansah und dem aus Sevilla zugereisten Franzosen Loic Badé ein schlagkräftiges neues Abwehrzentrum.
Neben seinen Türsteher-Kollegen muss sich Grimaldo, 1,71 Meter hoch und 63 Kilo leicht, etwas benachteiligt vorkommen. Aber auch der Spanier ist ein zäher Athlet, ein Artist am Ball ist er sowieso. Als im Sommer die großen Völkerwanderungen durch Leverkusen zogen, die Bayer-Kabine gar nicht so schnell aufgefüllt werden konnte, wie alteingesessene Profis sie verließen, da hatte Grimaldo ebenfalls zur Disposition gestanden. Nicht von Seiten des Klubs, sondern aus eigener Sehnsucht. Er wolle endlich auch mal in der Primera Division spielen, wiederholte er in Interviews einen altbekannten Wunsch. Ausgebildet in La Masia in Barcelona, hatte er seine Profikarriere bei Benfica Lissabon bestritten, bevor ihn Bayer und Xabi Alonso an den Rhein lockten. Dass er immer noch dort ist, liegt an den labilen finanziellen Verhältnissen in der spanischen Liga, aber nachdem man in Leverkusen schon etwas genervt war von Grimaldos Spanien-Träumen, ist man nun heilfroh, dass bei den wenigen zahlungskräftigen Klubs kein Bedarf herrschte. Grimaldo und sein Landsmann Lucas Vázquez auf der rechten Seite stabilisieren die Flügel des neuen Leverkusener Teams, während im Zentrum noch eine Menge Integrationsarbeit erforderlich ist.
Wie weit sich Robert Andrich, 30, daran beteiligen darf, ist noch nicht abzusehen. Fürs nächste Spiel hat er sich selbst rausgenommen, sein grobes Einsteigen gegen Ritsu Doan war eine unsinnige Tat, die seine Position schwächt. Nachdem ihn Erik ten Hag – auch mangels Auswahl – zum Kapitän ernannt hatte, hat Hjulmand angedeutet, dass er sich einen anderen Teamvorstand vorstellen kann. Am Freitagabend aber hat er erstmal durchgeatmet. Seit dem EM-Aus gegen Deutschland beim 0:2 in Dortmund vor zwanzig Monaten hatte Hjulmand nicht mehr als Trainer am Spielfeld gestanden. „Mit zwei roten Karten war es kein perfekter Start“, sagte er, „aber ich habe es vermisst!“