Basketballerinnen von Alba Berlin: Deutscher Meister, jetzt auch bei den Frauen – Sport | ABC-Z
Dass sie es bei Alba Berlin ernst meinen mit dem Frauenbasketball, hätte man schon im Sommer 2022 erkennen können. Damals verschickte der Klub eine hochglänzend anmutende Teambroschüre an Interessierte und Journalisten. Zu sehen in der einen Hälfte: Porträts und Interviews zu den Männern um Nationalspieler wie Johannes Thiemann oder Maodo Lo, die ein Jahr später Weltmeister werden sollten. Und in der anderen, quasi spiegelverkehrt, die Frauen. Die entscheidende Info fand sich in der Mitte des Jahrbuches, kombiniert mit einem gemeinsamen Foto aller Profis: “Ein Club, ein Weg, zweimal erste Liga.”
Wobei das mit dem Profitum so eine Sache ist. Lena Gohlisch zum Beispiel, immerhin Kapitänin des Frauenteams, arbeitet als Allgemeinmedizinerin in Teilzeit in einer Berliner Praxis – um zukünftig von einem Beruf leben zu können, aber auch um einen “Ausgleich” von den Mühlen des Sports zu haben, wie sie sagt. “Ich trainiere weniger als unsere Vollprofis. Unter der Woche habe ich meist einen normalen Arbeitstag, ehe ich um 15 Uhr ins Training fahre.” Das Einzeltraining lässt sie aus, wenn das Team zusammenkommt, ist sie dann dabei. Vorher behandelt sie Patienten, von denen die meisten nicht wissen, dass sie es neuerdings mit einer deutschen Meisterin zu tun haben.
Meinung
:Raus aus dem Turnhallenmief
Zum Basketball aus Deutschland gehören nicht nur Dennis Schröder, die Wagner-Brüder oder Dirk Nowitzki, sondern auch Leonie Fiebich und Marie Gülich. Die EM-Teilnahme des Frauen-Nationalteams muss ein Anfang sein, den Sport zu professionalisieren.
So ist diese Geschichte der Berlinerinnen eben nicht nur eine über einen blitzartig eingetretenen Erfolg, sondern auch über die Herausforderungen des Frauensports in der Nische. Gohlisch, 30, ist das, was man landläufig als Berliner Original bezeichnet. Sie berlinert zwar nicht, aber dafür ihr Lebenslauf: geboren und aufgewachsen in Prenzlauer Berg, als Kind Vereinseintritt bei den Minis, als junger Fan jahrelang bei Auftritten der Männer, damals noch in der Max-Schmeling-Halle, wo sie später selbst mit den Alba-Frauen spielte. Und dann in der vergangenen Woche dieser Triumph.
Die Entwicklung des Basketballs hat eine steile Kurve genommen – nur nicht in der Frauen-Bundesliga
Fünf teils thrillerhafte Duelle lieferte sich Alba in den Finals der Damen-Basketball-Bundesliga (DBBL) mit den Rutronik Stars Keltern. In der alles entscheidenden fünften Partie dann ein 68:53 vor 2400 Zuschauern in der Sömmeringhalle in Charlottenburg, wo die Berlinerinnen mittlerweile ihre Heimspiele austragen. Alle waren tief in den Westen gepilgert, fast die gesamte Männer-Mannschaft, Alba-Funktionäre, Promis wie Nora Tschirner, Freunde, Familie, dann spritzte nach dem Schlusspfiff das Bier übers Parkett.
Realisiert hat Gohlisch dieses kleine Berliner Wunder immer noch nicht ganz, sie hatte wie der Rest der Truppe ja noch nie einen Titel gewonnen, “außer mal ein Streetball-Turnier”, wie sie erzählt. Dann war es so weit. “Ich weiß noch, wie ich kurz vor Schluss auf den Punktestand kuckte und dachte: Unbeschreiblich, was hier passiert.”
Vor zwei Jahren war man überhaupt erst aus der zweiten Liga aufgestiegen, nachdem der Verein 2019 beschlossen hatte, dem Frauenbasketball Anschub zu verleihen. Die Entwicklung des Basketballs in Deutschland hat eine steile Kurve genommen, bei den Männern gab es 2023 den Triumph bei der WM, das Frauen-Nationalteam schaffte es nun erstmals zu Olympia. Aber die eigene Liga wirkte tatsächlich so graumäusig, wie ins Ausland geflüchtete Spielerinnen wie Leonie Fiebich (bald in der WNBA in New York) oder Nationalteam-Kapitänin Svenja Brunckhorst (zugleich Managerin im Alba-Frauenbereich) sie beschrieben.
“In Deutschland spielt aktuell keine Topspielerin, die Nationalmannschaft war lange nicht auf Topniveau”, kritisierte Brunckhorst die Zustände zuletzt in einem Interview mit dem RBB. “Weil wir den Unterbau nicht haben. Wir spielen in Schulhallen, in denen man im Livestream 15 Linien auf dem Court sieht. Du kannst dieses Produkt nicht verkaufen.” Darum geht es neben allem Bemühen der Vereine eben auch: Wie bekommt man den Sport attraktiv vermittelt? Wie schafft man professionelle Strukturen und Wiedererkennung beim Publikum? Was bedeutet es, wenn 2023 mitten in der Saison kurzerhand der Tabellenführer Rheinland Lions nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens den Spielbetrieb einstellt? Oder der jahrelange Meister Wasserburg plötzlich abstürzt (und jetzt wieder da ist)?
:Zum richtigen Zeitpunkt mit den Besten
Es passiert was im deutschen Basketball: Die Männer sind Weltmeister und Medaillenkandidat bei Olympia – und auch die Frauen haben gute Chancen auf einen bisher nie dagewesenen Erfolg. Das liegt an einem einfachen Konzept.
Bei Alba haben sie recht naheliegende Antworten gefunden. Initiiert vom Spanier Himar Ojeda, seit 2016 Alba-Sportdirektor, gliederte man die Frauen über die Jahre immer näher ans Profiumfeld der Männer an – Synergie ist das Stichwort. Dieser Prozess reicht von der eingangs beschriebenen Medienpräsentation bis hin zur Spielphilosophie: Alba-Basketball ist der Nachhaltigkeit verschrieben, statt großer Namen steht die Entwicklung von Talenten im Vordergrund, Frauen und Männer versuchen teils sogar mit denselben taktischen Systemen erfolgreich zu sein. Das klappt bei den Frauen besser als bei den Männern, die in der Euroleague auf Topniveau nicht immer mithalten können und jüngst in der BBL eine heftige Pleite gegen den FC Bayern kassierten.
Aber es geht ja ums große Ganze – und da fruchten die Investitionen. Die Teams von Alba teilen sich bereits vorhandene Infrastruktur wie Trainingshallen, Krafträume oder medizinische Abteilungen. Für Aktive wie Lena Gohlisch stellten sich so konkrete Verbesserungen ein: “Ich habe Fortschritte beim Athletiktraining gemerkt, da kam aus dem Männerbereich viel Input, sodass ich plötzlich an Spieltagen fittere Beine hatte.” Der Aufbruch für den Frauenbasketball fußt dabei nicht nur auf reinem guten Willen der Vereinsführung, sondern auch auf Ojedas Herkunft. Wie Gohlisch beobachtet hat, geht er die Dinge nicht zuletzt mit einer spanischen Perspektive an. Dort habe “der Frauensport generell einen anderen Stellenwert”.
Dass all diese Anstrengungen in der Großstadt auf besonders fruchtbarem Boden erwachsen, hilft zusätzlich. Sponsoren sind ebenso vorhanden wie eine gewisse Medienaufmerksamkeit, außerdem ist Basketball durch die Männer hier traditionell tief verankert. Diese Begünstigungen sind den Beteiligten bewusst. “Klar haben nicht alle Standorte die Möglichkeiten wie wir bei Alba”, sagt Gohlisch, “trotzdem haben wir hier vielleicht eine Vorreiterrolle.” Ernst machen mit dem Frauenbasketball – das könnte sich auch der FC Bayern abschauen, wo die Voraussetzung ähnlich wären. Noch spielen die Münchner Frauen in der Regionalliga Südost.