Basketball in Bayreuth: Nationalspieler Leon Kratzer als Gesellschafter – Sport | ABC-Z
Vor gut zwei Wochen saß Leon Kratzer mal wieder auf der Tribüne der Oberfrankenhalle. Es war ein Sonntagnachmittag, die Bayreuther Basketballer hatten es in der zweitklassigen Pro A mit Tübingen zu tun, und Kratzer, Center und deutscher Nationalspieler, verfolgte die Partie an der Seite von Johannes Schlamminger, Mitglied im Aufsichtsrat des Vereins.
Wenn Kratzer jetzt über die Bayreuther Mannschaft spricht, die er da auf dem Parkett gesehen hat, nennt er sie: „die Jungs“. Trainer und Spieler, die Fans, das alles habe auf ihn „wie eine Familie“ gewirkt, sagt Kratzer. Anfangs seien die Zuschauer zwar ziemlich angespannt gewesen, schließlich steht gerade einiges auf dem Spiel – aber, und das hinterließ bei Kratzer Eindruck: Die Fans waren da. Und sie standen bis zur Schlusssirene hinter ihrer Mannschaft.
Als Kratzer, 27, von seinem Heimatbesuch erzählt, ist er gerade in Paris, über 800 Kilometer entfernt von Bayreuth. Dort spielt er seit eineinhalb Jahren, dort ist er mittlerweile zu Hause, doch im Gespräch merkt man, dass er im Bilde ist, was in Bayreuth, seiner Geburtsstadt, gerade vor sich geht. Kratzer kennt die Ergebnisse, er weiß, was im Verein Thema ist und was die Menschen umtreibt, die jedes zweite Wochenende in die Oberfrankenhalle gehen.
Kürzlich ist er in Bayreuth als Gesellschafter eingestiegen. Ein Schritt, der zwar nahelegt, Parallelen zu Dennis Schröder zu ziehen, der die deutsche Nationalmannschaft 2023 zur Weltmeisterschaft führte und sich in seiner Heimatstadt Braunschweig als Hauptgesellschafter bei den Löwen engagiert. Der Vergleich hinkt aber schon allein deshalb, weil die Strukturen in Bayreuth andere sind.
„Früher ist die halbe Stadt samstags in die Halle gerannt. Da war Bayreuth im Ausnahmezustand.“
Als Alleingesellschafter Carl Steiner ausstieg, traten 18 Gesellschafter an seine Stelle. Seitdem ist die Zahl in eineinhalb Jahren auf 25 angestiegen. Nun engagiert sich auch Kratzer, ein Kind des Bayreuther Basketballs. „Früher“, sagt er, „ist die halbe Stadt samstags in die Halle gerannt. Da war Bayreuth im Ausnahmezustand. Ich habe mich schon in der Früh gefreut, abends in die Halle zu gehen. Meistens habe ich erst selbst gespielt, mich daheim umgezogen – und dann bin ich natürlich auch zur Halle gegangen.“
Es sind Kindheitserinnerungen eines Mannes, der mittlerweile weit herumgekommen ist. Kratzer spielte im Bayreuther Nachwuchs, bis er 14 war, später machte er sich in der Bundesliga einen Namen. Er warf seine Körbe für Würzburg, kurzzeitig in Bamberg, dann für Frankfurt und Bonn, ehe es ihn 2023, nach dem Champions-League-Sieg mit Bonn, nach Paris zog.
Dass er nun als Gesellschafter in Bayreuth einsteigt, soll auch eine Signalwirkung nach außen haben. Nach innen, für den Verein, ist es ein weiterer Schritt beim Wiederaufbau. In welchem Umfang er sich engagiert, will Kratzer nicht verraten – schließlich sind es die weichen Faktoren, die ihn dazu bewogen haben, sich in Bayreuth einzubringen.
Seit er in Frankreich spielt, ist er zwei, drei Mal pro Jahr zu Hause. Die Bayreuther Beschaulichkeit ist ein willkommener Kontrast zur Aufgeregtheit der Weltstadt Paris. Hier kann Kratzer nach einer langen Saison runterfahren, hier ist er verwurzelt. Weil es in Paris recht hektisch zugehe, fühle es sich wie Urlaub an, wenn er nach Bayreuth kommt. Nur dass es hier weder Palmen noch Strand gibt und Kratzer den Urlaubsort bestens kennt. Alles ist vertraut, alles ist warm – selbst in diesen Tagen, die nicht nur, was die Temperaturen angeht, ziemlich kalt sind, sondern auch im metaphorischen Sinne.
„Es sind schwere Zeiten“, sagt Kratzer, „aber es ist auch ein guter Zeitpunkt, um zu zeigen: Der Bayreuther Basketball lebt.“ Dass er das überhaupt betonen muss, heißt im Umkehrschluss auch: Manche halten ihn vielleicht noch nicht für tot, sehr wohl aber für einen Patienten, der Hilfe braucht. Und so ist es im Grunde ja auch. Bayreuth hat sieben der ersten zehn Saisonspiele verloren und steht auf Platz 15, dahinter folgen nur noch die Nürnberg Falcons, die Giants Düsseldorf und die zweite Mannschaft des Bundesligisten Vechta. Trotz des jüngsten Sieges gegen den Tabellenvierten Kirchheim ist die Lage angespannt.
Die Situation sei nicht gerade rosig, sagt Kratzer und schlägt dann eine Brücke zu den guten Zeiten, als Bayreuth noch in der Bundesliga spielte. Da habe es der Verein verpasst, die Infrastruktur zu verbessern. Ein Fehler, der ihm nun auf die Hände fällt. Ohne die damaligen Versäumnisse, da ist sich Kratzer sicher, wäre Bayreuth gar nicht erst so tief gefallen. Doch jetzt findet sich der Klub, 2018 noch in den Playoffs, im Abstiegskampf der Pro A wieder. Kratzer findet: Die Infrastruktur muss sich verbessern, die Jugend mehr Beachtung finden, die Stadt mehr Unterstützung liefern.
Dass das ein langer Weg ist, der Geduld und Nachsicht erfordert, ist ihm klar. Illusionen gibt sich Kratzer nicht hin. „Die Kurve wird nicht steil nach oben gehen“, sagt er, „es ist eine junge Mannschaft, und auch der finanzielle Spielraum ist nicht mehr so groß wie früher.“ Der Nationalspieler weiß, dass Bayreuth gerade zu kämpfen hat, doch er, Leon Kratzer, hat sich entschieden, diesen Kampf mitzukämpfen.