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BASF, Evonik, Lanxess und Co.: Lebenszeichen der deutschen Chemieindustrie | ABC-Z

Kein Applaus, keine Zwischenrufe, keine spontanen Redner aus dem Publikum – das Setting, das der Chemiekonzern Evonik für seine diesjährige Hauptversammlung gewählt hatte, war denkbar steril. Zum bereits zweiten Mal in Folge führte Evonik eine rein virtuelle Hauptversammlung durch, auch, um Kosten zu sparen, wie Evonik-Chef Christian Kullmann mit ernstem Blick vor weißer Wand betonte.

Der Konzern hat ein schwieriges Jahr hinter sich, 2023 musste Evonik erstmals in seiner Geschichte eine Gewinnwarnung abgeben. Trotzdem sei der Konzern noch mit einem blauen Auge davongekommen und werde in diesem Jahr – auch dank konsequenter Sparmaßnahmen – wieder stärker wachsen als die Gesamtwirtschaft. Ein Hoffnungsschimmer, immerhin.

Die Hauptversammlung von Evonik könnte ein frühes Signal zu einer Trendumkehr in der Chemiebranche markieren. Die drittgrößte deutsche Exportbranche hat in den vergangenen Monaten eine Hiobsbotschaft nach der anderen vermeldet: Lanxess überraschte bereits im zweiten Quartal 2023 mit einer deutlichen Gewinnwarnung, ebenso wie Sartorius und der Düngemittelproduzent K+S.

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Covestro strich die Dividende für 2023, zum mittlerweile zweiten Mal in Folge. Und auch der weltgrößte Chemiekonzern BASF konnte sich dem Negativtrend nicht entziehen und reagierte mit einem umfangreichen Sparprogramm. Branchenweit kündigten zudem mehrere Chemiekonzerne an, wegen der schwierigen Bedingungen statt in Deutschland zunehmend im Ausland investieren zu wollen.

Doch diese Negativspirale könnte nun in ersten Ansätzen durchbrochen sein. So sieht der Verband der Chemischen Industrie (VCI) die Chemiebranche immerhin wieder im leichten Aufwind. Demnach seien die Auslandsumsätze der Branche im ersten Quartal des Jahres im Vergleich zum Vorquartal um 3,6 Prozent gestiegen. Insbesondere die Geschäfte mit Kunden außerhalb Europas hätten angezogen.

„Endlich bekommt unsere Branche wieder Rückenwind. Das Auslandsgeschäft hat eine große Bedeutung. Über 60 Prozent des Umsatzes wird mit Kunden im Ausland erzielt“, sagte VCI-Chefvolkswirt Henrik Meincke. Doch trotz der konjunkturellen Erholung vieler Auslandsmärkte und der steigenden Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen „Made in Germany“ ist die Branche damit noch nicht aus dem Schneider.

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Matthias Zachert ist seit April 2014 Vorstandsvorsitzender der Lanxess AG

Ausgerechnet im Heimatmarkt Europa würden die Geschäfte weiterhin „schleppend“ laufen, konstatiert der VCI. Noch lägen die Auslandsumsätze in vielen Regionen zudem deutlich unter ihren Vorjahreswerten. Zudem würden die Absatzchancen durch die Kostenprobleme gerade am Standort Deutschland gedämpft. Dass die Chemiekonzerne ihre wegen der Krise aufgelegten Sparprogramme reduzieren, ist deshalb nicht zu erwarten.

Auf der Hauptversammlung in Essen sprach Evonik-Chef Kullmann zwar von einem „starken Start“ ins Geschäftsjahr, nachdem der Konzern nach sieben rückläufigen Quartalen erstmals wieder ein bereinigtes Ergebnis deutlich über Vorjahreswert verzeichnen konnte. „Für das zweite Quartal sehen wir ähnliche operative Trends wie im ersten Quartal, und das, obwohl noch keine breit angelegte makroökonomische Erholung in Sicht ist“, sagte Kullmann.

Auch die Jahresprognose von 1,7 bis zwei Milliarden Euro beim Ergebnis vor Steuern und Abschreibungen sei schon „gut untermauert”. Für eine Prognoseanpassung nach oben reichte es trotz der gestiegenen Zuversicht allerdings noch nicht, wie Kullmann betonte: „Wir ziehen es vor, vorsichtig und konservativ zu handeln und auf der besseren, sicheren Seite in der Programmplanung zu bleiben.“

Wachsende Umsätze in Asien, Naher Osten und Afrika

Wie sehr das Wachstum bei Evonik zuletzt insbesondere durch die Region Asien beflügelt wurde, zeigt allein der Blick auf die Umsatzentwicklung. So stieg der Umsatz in China nach Konzernangaben im ersten Quartal um 20 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr – verglichen mit einem Minus von fünf Prozent beim Gesamtumsatz.

Auch andere Chemieunternehmen spüren den Aufwind. Das Kölner Spezialchemieunternehmen Lanxess teilt mit, dass sich der Umsatz für die Marktregionen außerhalb von Deutschland im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum vorherigen Dreimonatszeitraum um acht Prozent erhöht habe. Besonders markant sei dabei der Anstieg im Wirtschaftsraum Europa (ohne Deutschland), Naher Osten und Afrika, in dem das Umsatzplus bei rund 21 Prozent liegt.

In Wirtschaftsraum Asien-Pazifik liegt das Umsatzplus in diesem Zeitraum bei circa zwei Prozent. Gleichzeitig betont Lanxess, dass es sich bei diesen Zahlen bloß um einen „leichten Aufwärtstrend“ handeln würde und „die Zahlen noch deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre“ liegen würden.

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Blick auf die über zehn Quadratkilometer großen BASF-Werksanlagen in Ludwigshafen

„Ein Anziehen des Exports aus Deutschland in alle Regionen“ im ersten Quartal 2024, verglichen mit dem vierten Quartal des Vorjahres, verzeichnete auch der Chemiekonzern BASF aus Ludwigshafen. „Dieser gestiegene Umsatz war vor allem auf höhere Verkaufsmengen zurückzuführen“, teilt BASF mit.

Gleichzeitig bleibt der Konzern zurückhaltend, wenn es um Aussagen zu einer möglichen Erholung der Branche geht. „Ob dieser Mengenanstieg ein temporäres Anziehen durch Vorratsaufbau war oder eine strukturelle Verbesserung der Nachfrage darstellt, wird der weitere Verlauf im Jahr 2024 zeigen“, heißt es von der BASF. So seien die Exportumsätze aus Deutschland – bereinigt um das Segment der landwirtschaftlichen Lösungen – im ersten Quartal des Jahres verglichen mit dem ersten Quartal 2023 „in alle Regionen immer noch rückläufig“.

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An ihren Sparprogrammen wollen die Chemiekonzerne trotz der ersten Erholungszeichen der Branche festhalten. BASF teilt mit, dass die angekündigten Einsparprogramme „unverändert“ weiterlaufen würden. So habe der Konzern bis Ende des Vorjahres bereits 600 Millionen Euro an Einsparungen erzielt. Besonders betroffen von den Sparprogrammen ist der Hauptsitz in Ludwigshafen. Insgesamt will der Konzern ab Ende 2026 rund 2,1 Milliarden Euro pro Jahr einsparen.

Auch Lanxess gibt an, dass die aktuellen Zahlen „keinerlei Einfluss“ auf das laufende Sparprogramm hätten. Für Evonik ist eine Abkehr des vor einigen Monaten verkündeten Sparprogramms ebenfalls keine Option. „Unser Fokus bleibt auf Liquidität und Kosteneinsparungen gerichtet. Das aktuelle Sparprogramm läuft unverändert weiter“, teilte der Konzern auf Anfrage von WELT mit. Der Konzern hatte im März angekündigt, weltweit 2000 Stellen streichen zu wollen, damit einher geht der Abbau von vier der bisher zehn Hierarchieebenen.

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