BASF – „Donald Trump hat die Gesamtheit wachgerüttelt“ – Wirtschaft | ABC-Z

SZ: Herr Kamieth, gehören Sie auch zu jenen Menschen, die morgens aufstehen und erst mal nachschauen, was US-Präsident Donald Trump in der Nacht zu Zöllen und anderen Dingen gesagt hat? Markus Kamieth: Gar nicht so sehr. Ich konzentriere mich auf die Dinge, die ich beeinflussen kann. Natürlich beobachte ich diese Volatilität und diese Hektik an den Finanzmärkten. Aber man muss ein bisschen Gelassenheit mitbringen. Viele Dinge sortieren sich dann auch wieder sehr schnell.
Ist dies das Rezept – cool bleiben?
Meine Beobachtung ist: Diejenigen, die etwas mehr Ruhe an den Tag legen, haben sich in den vergangenen Wochen besser geschlagen als diejenigen, die gleich hektisch und reflexartig reagiert haben. So gehe ich auch vor: Ich prüfe immer, ist diese News wirklich etwas, worauf wir sofort reagieren müssen? Oder kann ich nicht auch sagen: Schauen wir mal! Wir wissen ja auch nie, wie lange die Halbwertszeit von einigen Aussagen ist.
24 Stunden, zwölf Stunden … hängt davon ab.
Einige Dinge sind nach kurzer Zeit schon wieder zurückgenommen worden. Bei anderen ist allein die Überschrift schon ein Aufreger. Nur: Wenn Sie ein Unternehmen leiten, müssen Sie Ruhe ausstrahlen.
Wollen Sie uns verraten, wer hier zu hektisch reagiert hat?
Ich kann zumindest Folgendes sagen: Die Reaktion der EU-Kommission auf die Zölle fand ich angemessen und gut. In den ersten Tagen nach dem „Liberation Day“ haben sich einige europäische Politiker geäußert, da hatte ich Sorge, dass die Lage eskaliert und die Vernunft am Ende verliert. Die EU-Kommission aber hat sich erst mal ein paar Tage Zeit genommen und dann klug gehandelt, das rechne ich Brüssel hoch an.
Warum bleiben Sie so gelassen?
Ich neige nicht zu extremen Ausschlägen. Ich bin weder euphorisch noch bin ich schnell deprimiert. Das hilft in solchen Zeiten. Ich teile große und schwer zu fassende Probleme lieber in kleine Pakete auf und löse die dann nacheinander. Dann ist die Welt nicht mehr ganz so kompliziert.
So einfach ist das?
Natürlich ist die allgemeine Weltlage nicht so, wie man sie sich wünschen würde. Es ist wie beim Formel-1-Rennen, bei dem ich einen Rundenrekord aufstellen will. Aber wenn es stark regnet, dann weiß ich, dass ich diesen Rundenrekord jetzt nicht schaffen werde. Aber ich kann ja trotzdem versuchen, der beste Regenfahrer zu werden – für die anderen regnet es ja auch. Wir müssen viel schneller werden. Das ist ein zentrales Thema unserer Strategie.
Werden die Amerikaner am Ende nicht die sein, die wegen der Zollpolitik Trumps im Regen stehen?
Ein Teil von Trumps Kalkül kann aufgehen – es wird am Ende sicherlich ausländische Unternehmen geben, die dann verstärkt in den USA investieren.
Aber auch die werden doch von den Zöllen betroffen sein. Selbst wenn ich ab nächster Woche meine Autos oder Waschmaschinen direkt in den USA baue, dann brauche ich doch immer auch Teile, die aus Europa oder aus China kommen.
Das stimmt. Die Idee, nur über hohe Zölle Jobs und Investitionen ins Land zu holen, funktioniert nicht. Dafür ist die Weltwirtschaft viel zu verzahnt. Ich hoffe sehr, dass dies am Ende auch von der US-Administration erkannt wird.
Wie ist es mit BASF?
Auf BASF dürften die Zölle gar keine so große direkte Wirkung haben. Wir produzieren in den USA für die USA, überwiegend mit Vorprodukten und Rohstoffen aus den USA. Viel schlimmer ist die Art und Weise, wie die Zölle gerade überall das Wachstum abwürgen. Das können wir dann auch zu spüren bekommen. Fakt ist: Die Zölle sind in der Realwirtschaft angekommen, alle warten erst mal ab, was noch passiert, und halten sich mit Investitionen zurück.
Wie können Sie da noch ein Unternehmen wie BASF führen? Sie brauchen doch Planungssicherheit, die es gerade überhaupt nicht gibt. An den Börsen geht es runter, rauf, runter.
Man plant ja auf unterschiedlichen Zeitebenen: kurzfristig, also für die nächsten sechs bis neun Monate, und mittel- bis langfristig. Investitionen in Anlagen beispielsweise planen Sie für viele Jahre, das sind meist unumkehrbare Entscheidungen. Richtige Planungssicherheit über eine Dekade hinweg gab es auch früher schon nicht. Vielleicht war es früher weniger hektisch, aber wer überblickt schon so viele Jahre im Voraus? Es ist schon so: Wir müssen heute kurzfristiger planen als früher.
Chinesische Firmen werden jetzt viele Waren vor den Zöllen Trumps in Sicherheit bringen, indem sie sie auf den europäischen Markt werfen. Sollte Europa sich noch stärker in Richtung China orientieren?
Am wichtigsten ist vor allem, jetzt Europa zu stärken. Eine ganze Weile wurde darüber gesprochen, Europa unabhängiger von China zu machen. Jetzt heißt es, Europa müsse unabhängiger von den USA werden. Beides sind keine guten Tendenzen. Im Grunde müssen wir als Europäer in der Lage sein, den USA und China mit Stärke auf Augenhöhe zu begegnen. Je schwächer wir sind, desto abhängiger werden wir. Wir sind 450 Millionen Menschen in der EU, wenn wir die Briten noch dazu nehmen, über eine halbe Milliarde Menschen. Das sind weitaus mehr, als in den USA leben.
Sie bauen gerade für zehn Milliarden Euro einen Standort in China. Braucht es den noch in dieser Größe? China hat wahnsinnige Überkapazitäten aufgebaut und ist bereit, die Weltmärkte damit zu fluten. Gleichzeitig sagen Sie, Europa müsse gestärkt werden. Was nun?
Es gibt diese Überkapazitäten, und sie drücken vor allem die Gewinnmargen von Massenprodukten wie beispielsweise Acrylsäure. Die braucht es zur Herstellung von Kunststoffen, Farben, Klebstoffen, für sehr vieles. Irgendwann aber wird sich auch dieser Markt normalisieren und wieder wachsen. Dann braucht es weitere Investitionen. Dafür sind wir nach China gegangen – um mit diesem Riesenmarkt zu wachsen. Und das werden wir, denn in China ist CO₂-Reduktion ein wahnsinnig wichtiges Thema. Am neuen Standort können wir mit einem wesentlich niedrigeren CO₂-Fußabdruck produzieren als die meisten Wettbewerber, und das zu wettbewerbsfähigen Kosten.

Es gibt ja noch die politischen Unwägbarkeiten, dass das Werk vielleicht irgendwann mal weg ist?
Das glaube ich nicht. Es gibt derzeit keinen einigermaßen wahrscheinlichen und plausiblen Grund, weshalb uns das Werk abhandenkommen sollte.
Was ist, wenn sich dieser Konflikt zwischen den USA und China irgendwann so hochschaukelt, dass Sie sich werden entscheiden müssen – entweder mit den USA oder mit China?
An solch spekulativen Szenarien will ich mich nicht beteiligen. Aber eines ist klar: Je stärker Europa wirtschaftlich ist, umso besser werden sich die Europäer in dieser Konstellation schlagen. Je schwächer Europa ist, desto mehr sind wir manipulierbar und abhängig. Deshalb gilt: Fokus auf Europa. So wie wir bei BASF uns darauf fokussieren, auf unseren Feldern die Besten und Stärksten zu sein.
Es gibt eine Partei, die immer stärker wird in den Umfragen und die nicht unbedingt ein Freund der EU und des Euro ist: die AfD. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es sie, die Feinde der Demokratie und Europas. Europa ist doch als Projekt längst in Gefahr.
Sollte sich dieses Gedankengut durchsetzen, wäre dies wirtschaftlich enorm schädlich. Für Deutschland, aber auch für ein weltweit tätiges Unternehmen wie BASF wären das keine guten Nachrichten. Wenn irgendwelche Leute behaupten: „Ist die EU erst weg, dann geht es uns allen besser“ – dann sehe ich das komplett anders. Denn das Gegenteil wäre der Fall: Ohne die EU würde es uns allen deutlich schlechter gehen.
Ist Donald Trump am Ende doch für etwas gut? Weil er den Europäern gerade vor Augen führt, wie wichtig Europa ist?
Donald Trump hat alle wachgerüttelt. Das war ein Schuss vor den Bug. Europa muss jetzt handeln und sich und den Binnenmarkt stärken, sonst könnte es schwierig werden.
Deutschland hat bald eine neue Regierung …
Im Januar war ich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Die Amerikaner konnten vor Kraft kaum laufen in der Hoffnung, mit Trump werde alles besser. Indien, der Mittlere Osten, das waren riesige Themen, China sowieso, wie immer. Über Europa hat kaum jemand geredet. Als großen Konzern mit Hauptsitz in Deutschland haben uns die Amerikaner fast schon ein wenig bemitleidet. Das hat sich inzwischen schon verändert. Investoren schauen nun anders auf Deutschland. Es ist nicht so, dass jetzt alle gleich hier investieren wollen, aber es gibt Hoffnung, dass sich da was tut. Ich gebe Union und SPD einen Vertrauensvorschuss – die nächste Bundesregierung könnte es hinkriegen.
Haben Sie Friedrich Merz schon nach Ludwigshafen eingeladen?
Er kennt Ludwigshafen. Aber natürlich wollen wir ihn als Bundeskanzler erneut zu Gast haben. Ich würde ihn gerne hier begrüßen, weil ich das Gefühl habe, da kennt sich jemand aus, hört zu und will Dinge verändern.
Ein Thema könnte das Sparprogramm von BASF für Ludwigshafen sein – es sollen eine Milliarde Euro jährlich bis Ende 2026 eingespart werden. Ist Deutschland, ist Ludwigshafen noch der richtige Standort?
Ludwigshafen ist und bleibt das Herz der Chemieindustrie in Europa, das wird in zehn und auch in 20 Jahren noch so sein. Davon bin ich hundertprozentig überzeugt. Der Druck auf die Chemieindustrie bleibt hoch, aber die Gefahren für Standorte, die weniger integriert sind, die isoliert sind und deswegen höhere Kosten haben, sind viel größer. Bei uns baut eine Produktion auf der anderen auf, eine Anlage liefert das Produkt für die nächste, das ist das, was wir Verbund nennen, davon profitieren wir.

Sie sparen und verkleinern den Standort, so etwas machen gerade viele großen Unternehmen. Die einen halten das für eine sinnvolle Transformation, die anderen würden sagen: Das ist ein Indiz für die schleichende Deindustrialisierung des Landes.
Ich mag das Wort Deindustrialisierung nicht, weil es einen Endpunkt signalisiert, der null sein kann – dass etwas irgendwann mal komplett weg wäre. Daran glaube ich nicht. Für mich bleibt Europa auch in den nächsten Jahrzehnten ein Wirtschaftsraum, in dem viel produziert wird. Die Industrie wird weiter einen starken Anteil an der Volkswirtschaft haben. Wenn das so ist, wird Europa auch eine starke Chemieindustrie brauchen. Wir machen viele Branchen erst wettbewerbsfähig, ob das nun Klebeband, Autos oder Halbleiter sind. Man kann nicht Zigtausende Chemieprodukte importieren und noch wettbewerbsfähig bleiben.
Was geht noch in Ludwigshafen?
Wir investieren hier kontinuierlich. Wir werden zum Beispiel ein neues Werk für Schwefelsäure errichten, die ist essenziell für die neuen Halbleiterfabriken in Europa. Und wir investieren gerade mehrere Hundert Millionen Euro in neue Infrastruktur, zum Beispiel in ein neues Ausbildungszentrum und ein neues Zentrum für die Werksfeuerwehr. Das würde ich doch nicht machen, wenn ich nicht an die Zukunft von Ludwigshafen glauben würde.