Wirtschaft

Sportmagazin „Kicker“ schafft die Chefredaktion ab | ABC-Z

Der „Kicker“ – dieses Urgestein unter den deutschen Sportmagazinen – hatte einmal Chefredakteure, die in Fußball-Deutschland jeder kannte, bald bekommt er ein „Editorial Board“. Der Name scheint nicht richtig zu passen zum Olympia-Verlag aus Nürnberg, der den „Kicker“ herausgibt und nie durch schmissiges Eigenmarketing auffiel, sondern eher durch bodenständige Zurückhaltung und sprachliche Unaufgeregtheit.

Aber der neue Führungszirkel soll, Bezeichnung hin oder her, den angeschlagenen Fußballerklärern aus Franken den Weg in die ungewisse Zukunft weisen, die Chefredaktion ist abgeschafft. Jörg Jakob und Alexander Wagner, bislang „Kicker“-Chefredakteure, scheiden aus ihren Positionen aus, wie es in einer Pressemitteilung heißt, in absehbarer Zeit übernimmt das „Board“. Die Beschäftigten erfuhren davon bereits in einer außerordentlichen Mitarbeiterversammlung am Dienstag.

„Groß angelegtes Transformationsprojekt“

In der Mitteilung erklärt die Verlegerin Bärbel Schnell, worum es geht: neue Strukturen, neue Prozesse, Effizienzsteigerung, ein „groß angelegtes Transformationsprojekt“. Es ist nötig, weil der „Kicker“ mit seinem Printgeschäft ins Schlittern geraten ist, wie viele in der Branche. Die Montagausgabe des Magazins ist auf eine Auflage von rund 70.000 abgesackt, am Donnerstag, dem zweiten Erscheinungstag, sind es nur noch wenig mehr als 60.000 Exemplare. Es waren mal mehr als 200.000, denn den „Kicker“ nach oder vor einem Bundesligaspieltag in die Hand zu nehmen, war lange Fußballfanroutine. Eine Pflichtlektüre. Inzwischen gibt es offenbar Überlegungen, wie eine Zukunft ohne gedruckten „Kicker“ aussehen kann – es geht darum, ob die Umstellung auf eine einzige Ausgabe in der Woche eine tragfähige Lösung sein könnte oder das Leiden nur noch verlängert.

Erst einmal aber geht es darum, wer demnächst über solche Fragen entscheiden wird. Die ausgeschiedenen Chefredakteure sind es jedenfalls nicht mehr, ihnen wurde nicht zugetraut, den richtigen Kurs zu finden. Ihre Ablösung kam einerseits überraschend: Intern galten sie zwar nicht gerade als großer Wurf auf dem Chefposten, aber auch nicht als so waidwund, dass man sie hätte fortschicken müssen. Andererseits ist es dem „Kicker“ seit den Zeiten der Chefredakteure Karl-Heinz Heimann und Rainer Holzschuh, die dem Blatt Gewicht und ein Gesicht gaben, nicht mehr gelungen, ähnliche Kaliber zu holen oder aufzubauen. Wer diesen Fußballschwergewichten nachfolgte, entpuppte sich schnell als Enttäuschung, musste gehen oder wurde irgendwo im Haus geparkt. Das Duo Jakob/Wagner war in dieser Hinsicht längst nicht der größte Fehlgriff.

Verunsicherung in der Belegschaft ist groß

In der Redaktion mit ihren rund 100 Beschäftigten ist die Verunsicherung groß, und wie der Verlag das Führungsvakuum füllen will, erschließt sich nicht jedem. Dort bilden vier Führungskräfte einen kleinen Kreis der Entscheider, die Redaktion ist nicht mehr vertreten. Sie wird fortan von jener sechsköpfigen Interimsleitung geführt, in der die wesentlichen Abteilungen vertreten sind: Print, Digital, Datenredaktion. Es ist eine Führungsriege auf Zeit, bis der „Editorial Board“ übernimmt. Dessen Gesicht wird auch Jenne Beckmann mitbestimmen, den sich der Verlag als externen Berater ins Haus geholt hat. Er hat sich der Redaktion schon vorgestellt und ist ein Mann, dessen Biographie überwiegend Stationen bei Fernsehsendern aufweist.

Beckmann und allen am Umbau Beteiligten wird zugutekommen, dass der „Kicker“ – so bieder und betulich er Kritikern oft vorkam – ein Frühstarter in die Onlinewelt war. Als in anderen Häusern alles Digitale noch zaghaft und sehr skeptisch angegangen wurde, setzte der „Kicker“ mit seiner Internetseite Standards. Sie gilt als Vorreiter und bringt dem Olympia-Verlag stabile Werbeerlöse ein – nur deshalb kann dieser in der Woche seiner angekündigten Neuerfindung glaubhaft behaupten, er agiere aus einer Position der Stärke.

Zunächst setzte der „Kicker“ auf Reichweite, um online voranzukommen, erst seit dem vergangenen Jahr gibt es ein Bezahlmodell. So oder so ist der Onlineauftritt der große Stabilisator. Der jetzt verabschiedete Alexander Wagner war als langjähriger Chef der Onlineredaktion an dieser frühen digitalen Blüte beteiligt, dass ausgerechnet für ihn kein Platz mehr sein soll, erschließt sich nicht jedem. Den einen oder anderen „Head of“ hat Berater Beckmann für das neue „Kicker“-Führungstableau schon angekündigt.

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