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Balearen: Menorca – eine steinreiche Insel | ABC-Z

„Menorca ist ein großer Felsen mit ein bisschen Erde drauf“, sagt Alvin Delanghe. „Die Steine scheinen hier zu wachsen“, fügt der Reiseleiter hinzu. Alvin ist gebürtiger Belgier, lebt aber bereits seit 2005 auf der zweitgrößten Baleareninsel. Die habe viel mehr zu bieten als Sonne und Meer. „Hier sprießt es nur so von Natur, Kultur, Geschichte und Archäologie“, schwärmt er. In der Tat: Menorca, katalanisch „die Kleinere“, ist zwar längst nicht so bekannt und gefragt wie die Nachbarinsel Mallorca, „die Größere“. Doch Gründe, das nördlichste und zugleich östlichste Eiland der Balearen zu besuchen, gibt es etliche.

Da sind, wie gesagt, jede Menge Steine. Auf den Balearen entwickelte sich zwischen dem 13. und zweiten Jahrhundert vor Christus die Talayot-Kultur. Ein Talayot ist ein Beobachtungs- und Wachturm mit dicken Wänden. Neben Türmen wurden aus großen Steinen weitere Bauwerke errichtet. Einige davon wie Rundhäuser, Grab- und Kultstätten sind weltweit einmalig. Auf Menorca mit seinen knapp 700 Quadratkilometern Fläche (Mallorca: 3640) sind die Talayot-Bauten besonders dicht gesät und imposant dazu. Mehr als 1500 solcher Fundstätten gibt es, die ­Unesco hat das „Talayotische Menorca“ deshalb 2023 zum Weltkulturerbe erklärt.

Spannend ist beispielsweise ein Rundgang durch die Reste der Siedlung von Torre d’en Galmés. Das talayotische Dorf auf einem Hügel im Süden war von 2000 vor Christus bis zur christlichen Eroberung 1287 besetzt, zeitweise lebten dort rund 900 Menschen. Heute spaziert man durch eine stille, grüne Landschaft, in der nur das Zwitschern vieler Vögel zu hören ist. Erhalten sind drei Türme, die Reste von mehreren Häusern mit kreisförmiger Grundfläche und Begräbnisstätten.

Als bedeutendstes Monument der Talayot-Kultur auf Menorca gilt die Naveta des Tudons im Norden. Einsam auf dem flachen Land steht diese eindrucksvolle Grabanlage, die von etwa 1400 bis 900 vor Christus genutzt wurde. Vorbei an Weiden mit grasenden Kühen und auf Mohnblumen tanzenden Schmetterlingen geht es zu der Grabstätte. Errichtet wurde sie in Form eines umgedrehten Schiffsrumpfes aus mittelgroßen Steinen ohne Zusatz von Mörtel. Letzteres gilt auch für die vielen Trockensteinmauern überall auf der Insel. Rund 11.000 Kilometer Trockensteinmauern gibt es hier. Sie dienen der Grundstücksbegrenzung und schützen vor dem Tramuntana-Wind, der von Zeit zu Zeit von Norden her über die Insel fegt.

Menorca ist bereits seit 1993 ­Biosphärenreservat. Die Unesco hat damit den respektvollen und behutsamen Umgang der Menschen mit ihrer Umwelt gewürdigt, vor allem die sorgsame Entwicklung der Wirtschaft und auch des Tourismus. Ein Paradebeispiel dafür sind die Steinbrüche ­S’Hostal-Lithica in der Nähe der Stadt Ciutadella. Dort wurde der Marés-Stein (ein ockerfarbener Kalkstein) für den Bau der Häuser auf Menorca geschlagen. 1994 wurde die Anlage geschlossen und der Steinbruch teilweise zugeschüttet. Zum großen Glück gründete sich die gemeinnützige Stiftung „Lithica“ und rettetet ihn vor dem Verfall. Eine einzigartige skulpturale Landschaft wurde geschaffen – ein in den Fels gehauenes Paradies für Mensch und Natur. Mächtige gemeißelte Felswände und ein großes Labyrinth begrüßen die Besucher. Steigt man in die Anlage hinab, tun sich grüne Gartenbereiche mit verschiedenen Bäumen und Sträuchern auf.

In den windgeschützten Schluchten sprießt und gedeiht menorquinische Fauna und Flora. Die Steinbrüche S’Hostal werden auch für kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte genutzt – ein einmalig schönes Ambiente.

Aus Marés-Stein sind auch viele Gebäude in den beiden größten Städten der Insel, in der Hauptstadt Mahon und der früheren Hauptstadt Ciutadella. Beide sind sehenswert. In Mahon an der Ostküste bietet sich eine Rundfahrt durch den rund sechs Kilometer langen Naturhafen an, ebenso eine Besichtigung der riesigen Festung La Mola. So bekommt man interessante Einblicke in die wechselvolle Geschichte der Stadt und der Insel, die von Piraten heimgesucht wurde und für Briten, Franzosen und Spanier wegen ihrer strategischen Lage ein begehrenswertes Eroberungsziel waren. Das gilt auch für Ciutadella im Nordwesten. Fast 400 Jahre stand die Stadt unter arabischer Herrschaft, Piraten, Korsaren und Osmanen folgten. Die autofreie Altstadt von Ciutadella ist heute ein sehr gut erhaltenes historisches Zentrum und lädt zum Bummel ein. Hier findet man schöne Gassen und Plätze, Adelspaläste und Kirchen wie die mächtige Catedral Santa Maria de Ciutadella.

Der wohl wichtigste Faktor des Biosphärenreservats Menorca sind aber nach wie vor die 216 Kilometer lange Küste, die bezaubernden Buchten und Strände und das klare Meerwasser. Heller Sand und flache Badebuchten im Süden, ockerfarbener bis rötlicher Sand und felsige Küsten im Norden sorgen für Abwechslung. Über den „Cami de Cavalls“ kann man Menorca umrunden und die Küste erkunden. Der alte Pferdeweg ist heute der beliebte Fernwanderweg GR 223 mit einer Läge von 185 Kilometern. Unterwegs laden gut 70 Strände ein: Baden, Surfen, Schnorcheln oder Tauchen. Ganz schön viel für einen großen Felsen mit ein bisschen Erde drauf.

Die Reise wurde unterstützt von Turespaña Deutschland, dem Spanischen Fremdenverkehrsamt und Turismo de Menorca.

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