Bahnchaos in München: Ein Frust-Tag mit der Stellwerkstörung | ABC-Z
München – Es ist Samstag, es ist Wochenende. Und es ist ja nicht ganz ungewöhnlich, die Freizeit mit einem Ausflug zu verbringen. Die Reise mit der Familie ist geplant. Der Kleinste feiert Geburtstag bei Freunden bei Augsburg. Ab in die Fuggerstadt. Wir sind rechtzeitig ans Gleis in München gekommen. Knapp, aber pünktlich. Nur der Zug, der fehlt noch.
Was folgt? Der obligatorische Blick in den Navigator; die Bahn-App zeigt immer zuverlässig alle Änderungen an. Inzwischen bin ich damit schneller als das Bahnpersonal “Ich schau mal eben nach” sagen kann. Glück gehabt, denke ich da noch. Der Zug fährt von einem anderen Gleis, in zwei Minuten. Und tatsächlich: wir erwischen ihn sogar. Das sind die kleinen Freuden als Bahnreisender, und ich reise wirklich viel auf der Schiene, in Deutschland und außerhalb.
Aber anders als früher mal der Käfer: Der Zug, den wir erwischt haben, rollt und rollt und rollt nicht. Irgendwann dann die Durchsage: Stellwerkschaden in Pasing – der Bahnhof steht still. Nur die Reisenden nicht. Nichts ist unruhiger als ein Reisender mit einem Ziel, der nicht reisen darf.
Also: erneuter Blick in den Navigator. Ein Regionalzug fährt zwei Gleise weiter gleich ab, sagt die App. Alle raus. Aus dem kleinen Fenster der Bahn schaut die Lokomotivführerin. “Kommt ihr raus?”, frage ich. “Ich glaub’ schon”, kommt die Antwort leicht fragend zurück. Es reicht, damit wir uns setzen.
Bahnchaos in München: Gesellt sich gut zur Stammstreckensperrung am Wochenende
Dann folgt die Paradedisziplin: das lange Warten nach dem Warten. Immer wenn die Zugtür sich öffnet, weht ein Fetzen einer Ansage hinein. Im Zug spielen wir “Stille Post der Bahndurchsagen”. Dann die Info: “Der Zug hält nicht in Pasing”. Die Menschen stürmen raus. Stimmt, nicht nur das Stellwerk spinnt, auch die Stammstrecke ist das gesamte Wochenende gesperrt.
Jetzt ist der Zug leerer, aber los fährt noch immer nicht. Vom Bahnhof kommt die Durchsage, dass es zu “umfangreichen Verzögerungen und Zugausfällen” kommt. Die nächste Durchsage folgt im Zug: Die Zugbindung ist aufgehoben. Man darf jetzt auch ICE fahren. Dreimal überlegt und raus mit der Familie. Frei nach Proust kann der Schnellzug vielleicht bei Suche nach der verlorenen Zeit helfen. Zumindest sitzen wir jetzt bequem an einem schnellen Vierer mit Tisch, und das mit Bayernticket.
Nach der gewohnten Verspätung fährt der Zug ab. Über eine Stunde, nachdem wir abfahren wollten, verlassen wir München. In der Bahn gibt es “kostenlose Softdrinks”, als Entschädigung. Der Kleinste kommt zur Geburtstagsparty, wenn auch nicht mehr pünktlich. Der Rest hat einen schönen Herbsttag in einer der ältesten Städte des Landes, die ihre vergangene Pracht und Rolle in der Geschichte noch immer gut zur Schau stellen kann.
Im Museum Römerlager bewundern wir ein 2000 Jahre altes Straßennetz, das einst von Rom aus die damals bekannte Welt miteinander verbunden hatte (und denken mit gewissem Grusel an die Abfahrt). Augsburg hat der heutigen bayerischen Landeshauptstadt doch gut 1000 Jahre Geschichte voraus.
Drei Züge später kommt das Auto
Irgendwann müssen auch wir uns von Augusta Vindelicum verabschieden; und einen Familienteil wieder einsammeln. Das wird zur Herausforderung: Der Kleinste muss auf halber Strecke nach München abgeholt werden. Kein Problem. Gäbe es da nicht den alle Bahnreisenden im Leid verbindenden Stellwerkschaden.
Erster Zug? Fährt erst nicht ab. In der Bahn dann die freundliche Meldung: “Liebe Fahrgäste: Hören Sie jetzt genau zu und stupsen Sie bitte auch ihre Sitznachbarn an, die gerade schlafen oder Musik hören. Dieser Zug fährt direkt nach Pasing und München Hauptbahnhof.”
Gut für alle, die schnell weiter müssen. Blöd für alle wie uns, die ein Kind auf der Strecke abholen müssen. Nächster Zug, dieselbe Ansage nach 20 Minuten Wartezeit auf dem Gleis. Was sagt das Fachpersonal? “Wir sind heute ein ICE und fahren durch.” Meinem Großen entfährt eine Beschimpfung, die ich hier nicht wiedergeben darf. Nützt nämlich alles nichts, wenn der Kleinste unterwegs eingesammelt werden muss.
Dasselbe Drama in Zug drei. Langsam beneide ich die Raucher, die sich immer wieder vor den Türen sammeln: Schön, wenn man eine Beschäftigung hat, bei der man sich auch noch abreagieren kann. Die Lösung sieht dann so aus, wie sie sich kein Bahnfahrer wünscht:
Der Kleine wird nach Augsburg gebracht, mit dem Auto. Wir warten 30 Minuten am aktuell weniger schönen Bahnhof und fahren schließlich alle gemeinsam mit knapp zwei Stunden Verspätung ab. Und der Regionalzug? Hält brav nach Fahrplan an jeder Station zwischen Augsburg und München, ganz als wäre nichts gewesen.
Wie sich herausstellte, hatte am Samstag ein Bagger bei Arbeiten am Stellwerk in München-Pasing mehrere wichtige Kabel durchtrennt. Dadurch wurde der Zugverkehr nach Westen und Süden ins Chaos gestürzt. Die Züge nach Buchloe und Garmisch-Partenkirchen fielen komplett aus, andere wurden massiv beeinträchtigt.
Diesmal lag es also nicht an der maroden Infrastruktur, mit der die Bahn seit Jahrzehnten zu kämpfen hat, sondern an einem menschlichen Fehler. Für den leidgeprüften Bahnkunden spielt das freilich kaum noch eine Rolle.