Geopolitik

Deutsche Justiz : Richterbund fordert politische Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft | ABC-Z

Nach Ansicht des Deutschen Richterbunds (DRB) sind die deutschen Staatsanwaltschaften nicht ausreichend vor politischer Einflussnahme geschützt. DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn sieht darin insbesondere in Zeiten, in denen “rechtspopulistische Parteien quer durch Europa im Aufwind sind”, eine Gefahr für eine unabhängige Justiz. “In den falschen Händen wäre ein politisches Durchgriffsrecht auf konkrete Strafverfahren fatal.” Deswegen fordert der Richterbund eine von Politikern unabhängig agierende Staatsanwaltschaft.

In Deutschland sind Staatsanwälte nicht per Gesetz unabhängig – anders als in anderen Ländern Europas. Beamte der Staatsanwaltschaft müssen den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten folgen, die Teil von staatlichen Behörden sind. Für den Generalbundesanwalt und die Bundesanwälte liegen Aufsicht und
Leitung etwa beim Bundesjustizministerium, für die Staatsanwaltschaften bei
niederrangigen Gerichten liegen sie bei anderen Behörden. 

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags spricht unter
Berücksichtigung von Experten davon, dass Anweisungen zu jeder
staatsanwaltschaftlichen Aufgabe und zu jedem Zeitpunkt umgesetzt werden
müssten. “Eine inhaltliche Einschränkung dieses Weisungsrechts ist dem
Gesetz nicht zu entnehmen.” Es könnte also beispielsweise,um die Frage
gehen, ob ein Delikt weiterverfolgt oder ob Vermögen eingezogen wird.

“Allein der böse Anschein, dass Minister Strafverfahren im Hintergrund
politisch steuern könnten, erschüttert das Vertrauen in eine objektive
und nur den Gesetzen verpflichtete Strafverfolgung”, sagt Rebehn. Dieser Vorwurf war zuletzt bei der Einstufung der Bundes-AfD als rechtsextrem durch den Bundesverfassungsschutz erhoben worden.

Deutschland solle sich ein Beispiel an Österreich nehmen

In Österreich hat sich die Regierung aus konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos vor Kurzem auf die Schaffung einer dreiköpfigen Bundesstaatsanwaltschaft geeinigt. Diese übernimmt ab sofort die oberste Fachaufsicht über die Staatsanwälte. Bisher lag diese Aufgabe bei der Spitze des Justizministeriums. “Die Bundesregierung sollte dem Beispiel Österreichs folgen und Schwachstellen in der Justizarchitektur beseitigen”, sagt Rebehn. Deutschland stehe “mit seiner antiquierten Rechtslage künftig in Europa ziemlich allein”. Auch der Europäische Gerichtshof hat die deutsche Justiz zuletzt kritisiert und die Unabhängigkeit deutscher Staatsanwaltschaften in Entscheidungen angezweifelt. 

Die letzte Bundesregierung hatte versucht, den Einfluss auf die Staatsanwaltschaften einzuschränken. Nach einem Gesetzesentwurf von Justizminister Marco Buschmann (FDP) hätten Anweisungen der Justizminister von Bund und Ländern an die Staatsanwaltschaften zunächst schriftlich begründet werden müssen. Zudem wären die Weisungen nur noch innerhalb engerer Grenzen erlaubt gewesen. Das Vorhaben wurde aber nicht mehr umgesetzt. Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD finden sich keine entsprechenden Pläne zu einer möglichen Umgestaltung, um mehr Unabhängigkeit zu garantieren. 

In Nordrhein-Westfalen hatte der dortige Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) Buschmanns Pläne als unzureichend kritisiert. Er setzte diesem noch weiterreichende Vorschläge entgegen. Ihm zufolge sollte das Ministerium nur dann eingreifen, wenn es Rechtsfehler erkennt und der Generalstaatsanwalt bisher nicht eingegriffen hat.

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