Politik

Baden-Württemberg: Initiative gegen ein „XXL-Parlament“ – Politik | ABC-Z

Dieter Distler hofft noch auf eine sechsstellige Zahl an Unterschriften, auf mindestens 200 000 Unterstützer für seine Initiative für ein kleineres Landesparlament. „Das wäre ein Aufschrei!“, sagt er. Einer, den die Politik in Stuttgart nicht ignorieren könnte, der sie vielleicht sogar noch zum Umdenken bewegen würde. Groß ist die Hoffnung des 81-Jährigen auf ein spätes Einlenken von Grünen, CDU und SPD im Landtag von Baden-Württemberg allerdings nicht.

Seit eineinhalb Jahren kämpft der parteilose Pensionär gegen einen „XXL-Landtag“. 120 Abgeordnete beträgt die Sollgröße des Landtags. Gegenwärtig sitzen da aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten bereits 154. Nach der Wahl 2026, bei der ein neues Landtagswahlrecht gilt, könnten es bis zu 216 sein, je nach Ergebnis. Also nochmals 62 Abgeordnete mehr, die wiederum Mitarbeiter und Büros benötigen. Das alles würde laut einem Prüfbericht des Landesrechnungshofs rund 200 Millionen Euro pro Legislaturperiode zusätzlich kosten.

Ist das Thema unpopulär oder sind die Hürden für ein Volksbegehren zu hoch?

Es ist ein Szenario, das Distler mit seiner Initiative ausschließen will. Rund 57 000 Unterschriften kamen bis Ende November 2024 zusammen, neuere Zahlen liegen nicht vor. Um eine Volksabstimmung zu erzwingen – das eigentliche Ziel der Aktion –, sind mindestens 770 000 Stimmen erforderlich. Unterstützer können noch bis 11. Februar 2025 ein unterschriebenes Formular beim Rathaus ihrer Heimatgemeinde abgeben. Die amtliche Sammlung auf den Rathäusern mit ausliegender Unterschriftenliste ist dagegen bereits abgeschlossen. Dass das Quorum noch erreicht wird, glaubt nicht einmal Distler.

Bewegt das scheinbar populäre Thema die Menschen also doch nicht – oder sind die Hürden für ein Volksbegehren schlicht zu hoch?

Zu ersterer Einschätzung neigen die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU sowie die oppositionelle SPD, die 2022 das neue Zweistimmenwahlrecht beschlossen. Bis dahin hatten die Baden-Württemberger bei Landtagswahlen nur eine Stimme, man wählte damit zugleich den Direktkandidaten vor Ort und dessen Partei.

Bei der Nominierung der Direktkandidaten im Wahlkreis wurden aber hauptsächlich Männer aufgestellt. Der Frauenanteil im Landtag lag lange unter 30 Prozent. Das Zweistimmenwahlrecht wird als Mittel für mehr Vielfalt gesehen, da die Parteienzentralen mehr Einfluss auf die Aufstellung der Listen haben als auf die Nominierung der Kandidaten vor Ort.

Das Problem sind zu viele Überhang- und Ausgleichsmandate

Das Risiko, sich mit dem neuen Wahlrecht jene Probleme einzuhandeln, die der Bundestag mithilfe einer umstrittenen Reform gelöst hat, halten Grüne, CDU und SPD für überschaubar. Tatsächlich hängt die künftige Größe des Parlaments stark vom Wahlverhalten ab, von der Verteilung der Erst- und Zweitstimmen und der Anzahl der Fraktionen im Landtag.

Das liegt an der sogenannten Stimmspreizung, den Unterschieden zwischen Erst- und Zweitstimmen, die dafür sorgen können, dass über die Erststimme mehr Direktkandidaten einer Partei gewählt werden, als ihr an Parlamentssitzen über die Zweitstimme zustehen. Das führt zu Überhangmandaten, die mit Ausgleichsmandaten für andere Parteien kompensiert werden.

Zwei Rechenbeispiele: Wendet man das Stimmverhalten der Baden-Württemberger bei der Bundestagswahl 2021 auf das neue Landtagswahlrecht an, kommt man, so eine Berechnung des Politikwissenschaftlers Joachim Behnke, auf 216 Mandate. Nimmt man dagegen das Ergebnis der Landtagswahl 2021 als Grundlage, das zeigt eine Berechnung der Befürworter, bliebe es bei 154 Abgeordneten – wie beim alten Wahlrecht.

Könnten die Menschen auch digital unterschreiben, wäre schon viel gewonnen, sagt Distler

Allerdings geht bei den Regierungsfraktionen inzwischen die Angst um, dass doch nicht alles so bleibt, wie es ist. Dass sie in Haftung genommen werden, sollte der Landtag 2026 doch Rekordgröße erreichen. Sie versprechen deshalb inzwischen, tätig zu werden, sollte das Parlament 2026 tatsächlich viel größer werden.

Das Risiko müsse doch präventiv ausgeschlossen werden, sagt dagegen Distler. Er schlägt deshalb die Reduzierung der Landtagswahlkreise von derzeit 70 auf 38 vor, der Landtag soll höchstens 120 Sitze haben. Er habe, sagt der Pensionär, noch keinen Bürger getroffen, der die Idee nicht gut finde. Es sei für private Initiatoren aber unheimlich schwierig, die Wähler zu erreichen. Die Hürden für ein Volksbegehren seien schlicht zu hoch; wenn die Menschen digital unterschreiben könnten, wäre schon viel gewonnen. Die Kritik teilen auch andere, vom Verein „Mehr Demokratie“ bis hin zur FDP. Viele Rathäuser seien gar nicht vorbereitet gewesen, sagt FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke.

Ein eigenes Volksbegehren der FDP gegen die Wahlrechtsreform hatte das Innenministerium nicht zugelassen. Die Liberalen klagten dagegen, am 28. Februar entscheidet der Verfassungsgerichtshof des Landes darüber. Sollte das Urteil zugunsten der FDP ausfallen, hätte die um ihre Existenz kämpfende Partei ein erstes Mobilisierungsthema für die Landtagswahl ein Jahr später.

Back to top button