Bad Tölz: „Großes wachsen lassen“ mit Carl Orff – Bayern | ABC-Z
Drei Hirten, 30 junge Sängerinnen und Sänger, sieben Flöten, sechs Schlagwerker, vier Streicher und eine Laute: Mit ihnen allen lässt die Tölzer Musikpädagogin Stephanie Waldherr die Weihnachtsgeschichte von Carl Orff und Gunild Keetman lebendig werden. Zusammen mit Sarah Thompson (Inszenierung) und Judith Geißler-Herzog (Instrumentalbeiträge) bringt sie das traditionsträchtige Stück im Namen der Tölzer Sing- und Musikschule am Sonntag, 8. Dezember, im Tölzer Kurhaus einmal mehr auf die Bühne.
SZ: Frau Waldherr, haben Sie einmal nachgezählt, wie oft die Tölzer Musikschule schon die Weihnachtsgeschichte von Carl Orff und Gunild Keetman aufgeführt hat?
Stephanie Waldherr: Nein. Unzählige Male!
Orffs Namen verbindet man in der Region gemeinhin mit dem Kloster Benediktbeuern und den Carmina burana. Welchen Bezug hatte er zu Bad Tölz?
Carl Orff hat eng mit dem Tölzer Knabenchor zusammengearbeitet, den Gerhard Schmidt-Gaden Ende der Fünfzigerjahre in Bad Tölz ins Leben gerufen hat. Um dem Knabenchor eine rechtliche Grundlage zu geben, hat Schmidt-Gaden 1959 die Tölzer Singschule gegründet, aus der zehn Jahre später die Sing- und Musikschule hervorgegangen ist. Deshalb gab es seit jeher eine enge Zusammenarbeit zwischen Orff, Knabenchor und Musikschule.
Sind in der Tölzer Musikschule noch Instrumente im Einsatz, die Orff selbst in der Hand gehabt hat?
Das ist gut möglich. Orff hat der Musikschule Instrumente vermacht, die bis heute hergenommen werden, das ganze Orff-Schulwerk-Instrumentarium, das auch bei der Weihnachtsgeschichte zum Einsatz kommt. Wir spielen am Sonntag auch bekannte Weihnachtslieder, die in der Orffschen Bearbeitung einen ganz eigenen Klang entfalten, etwa „Maria durch einen Dornwald ging“ mit Alt-Metallofon und Glockenspiel – das ist so etwas Bezauberndes.
Gunild Keetman hat mit Orff zusammen das nach ihm benannte Schulwerk konzipiert. Es basiert darauf, das musikalisch-rhythmische Gefühl aus der Bewegung heraus zu entwickeln. Welche Rolle spielt diese Pädagogik im Alltag der Tölzer Musikschule?
Das ist ganz elementar, dass man von der Sprache oder der Bewegung her zum Rhythmus und zur Musik kommt. Ich habe am Orff-Institut in Salzburg studiert, bin damit pädagogisch aufgewachsen und hab das eingesogen. Es geht darum, mit einfachen Mitteln etwas Großes wachsen zu lassen. Das beginnt bei der musikalischen Früherziehung im Kindergartenalter. Gerade jüngere Kinder brauchen die Bewegung. Auch später beim Instrumentalunterricht ist diese zumindest innerlich noch immer dabei. Ganz besonders beim Gesang, wenn der ganze Körper das Instrument ist.
Was macht für Sie den Reiz dieser Weihnachtsgeschichte aus?
Da ist zum einen Sentimentalität. Ich bin mit ihr aufgewachsen. Als Kind habe ich die Schallplatte rauf und runter gehört. Mein Vater hat bei den ersten Aufnahmen 1963 mit dem Tölzer Knabenchor mitgesungen. Da hat er auch Orff erlebt – er muss eine faszinierende Persönlichkeit gewesen sein, der die Chorknaben fesseln und motivieren konnte. Deshalb habe ich das Stück seit meiner Kindheit verinnerlicht. Aber zugleich ist da einfach die Kraft dieser besonderen Musik, die ja sehr eigen ist. Die macht etwas mit einem. Vor einer Woche hatten wir die erste Orchesterprobe: Was das Schlagwerk auslöst, der Klang, der Rhythmus, das geht nach innen, das rührt einen an. Die Geschichte wird aus der Perspektive dreier Hirten erzählt. Dadurch entsteht auch noch einmal eine reizvolle Gewichtung. Die Hirten haben den Engel gesehen und die Krippe und Maria und Josef, aber am meisten sind sie von den Königen beeindruckt: Die Elefanten! Die Karawane! Das bekommt bei Orff auch musikalisch Raum.
Sie haben schon viele Inszenierungen der Weihnachtsgeschichte erlebt. Nun übernehmen Sie erstmals die musikalische Leitung. Gibt es noch etwas, das Sie überrascht?
Ja, die Freude der Kinder zu spüren, das ist unglaublich schön. Dass wir ihnen diesen Raum geben können. Gerade für die mitwirkenden Kinder ist das etwas sehr Besonderes.
Wie alt sind die Kinder?
Die meisten sind im Grundschulalter. Aber der Chor wird durch einige ältere Schülerinnen und Schüler verstärkt. Da gibt es vierstimmige Stellen, die vom Kinderchor nicht zu schaffen wären. Und außerdem brauche ich an manchen Stellen Stimmgewalt. Wenn die große Trommel reinhaut, bebt alles. Ein Gloria braucht dann schon Power.
Ist es schwieriger geworden, Kinder für die Weihnachtsgeschichte zu begeistern?
Die Kinder spüren meine Begeisterung, gerade im Chor. Das überträgt sich. Und dann merkt man, wie es immer mehr wächst, und dann kommt erstmals das Orchester dazu: Das ist der Wahnsinn. Einer der drei Hirten hat schon vor zwei Jahren an einer Inszenierung der Tölzer Knaben mitgewirkt. Sie hatten um Aushilfe gebeten, weil sie Buben suchten, die Bairisch sprechen. Er war sofort wieder mit Begeisterung dabei. In diesem Alter auf der Bühne zu stehen und das zu spielen, das ist einfach eine einmalige Erfahrung.
Was zeichnet Ihre Inszenierung aus? Kann man sich da immer wieder etwas Neues einfallen lassen?
Sarah Thompson und ich wollten das Ganze sehr schlicht halten, um der eigenen Vorstellung Raum zu geben. Gerade Orff bietet dazu große Freiheiten. Ich bin davon überzeugt, dass das in seinem Sinn ist. Es sind immer andere Kinder, dadurch ist auch jede Inszenierung anders.
Ihre Lieblingsstelle?
Die wechselt immer wieder. Für meine Weihnachtskarte habe ich einen Ausschnitt vom Ende des Stücks gewählt. Da sagt einer der Hirten: I wann a König war, i hätt’ das Kind mitgnommen, auf an goldenen Thron hätt i’s gsetzt! Und ein anderer entgegnet: Dös is doch alls gar net möglich, die G’schicht geht ganz anderst. Weil’s so Gottes Wille ist.
Sonntag, 8. Dezember, 17 Uhr, Tölzer Kurhaus; Gesamtleitung: Stephanie Waldherr, Inszenierung: Sarah Thompson, Karten zu 10 Euro (Erwachsene) und 5 Euro (Kinder) gibt es im Vorverkauf bei der Tölzer Sing- und Musikschule und der Tourist-Info.