Bad Tölz-Wolfratshausen: Warum glutenfrei auf dem Land Ausnahme ist – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z
Glutenfreie Ernährung ist in Deutschland seit Jahren auf dem Vormarsch. Eine echte Glutenunverträglichkeit, also eine nachgewiesene Zöliakie, haben laut Experten etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung in Europa. Wer betroffen ist, entwickelt chronische Darmentzündungen, wenn er das in vielen Getreidesorten enthaltene Klebereiweiß nicht konsequent meidet. Typische Folgen sind Durchfall, Blähungen, Bauchschmerzen und Mangelerkrankungen wie Eisendefizite. Doch glutenfreie Produkte sind im Oberland nur schwer zu bekommen. „Ich sage meinen Kunden, sie sollen doch bitte im Reformhaus schauen“, sagt Florian Perkmann.
Der Obermeister der Bäcker-Innung Miesbach-Bad Tölz-Wolfratshausen hat seinen Betrieb in Miesbach und bietet selbst keine glutenfreie Produkte an. Und auch keiner der weiteren 37 Mitgliedsbetriebe der Innung in der Region, wie er sagt. „Das ist den finanziellen Möglichkeiten geschuldet“, so Perkmann. Denn wer glutenfrei backen wolle, müsse einen separaten Produktionsbereich mit eigenem Ofen einrichten. Denselben Ofen für glutenhaltige Getreidesorten zu nutzen, sei unverantwortlich und nicht praktikabel. Den selbst kleine Rückstände in einem als glutenfrei deklarierten Produkt könnten Beschwerden unter Konsumenten auslösen, so Perkmann. „Die Gesundheit der Kunden geht vor.“
Zwei- bis drei Prozent der Kunden fragten nach glutenfreiem Brot
Um die 700 Käufer pro Tag verzeichne sein Betrieb, sagt der Bäckermeister. Etwa zwei bis drei Prozent von ihnen erkundigten sich nach glutenfreien Produkten. „Der Bedarf ist also da.“ Derzeit bleibe ihm aber nichts anderes übrig, als die Kunden anderswohin zu schicken, sagt Perkmann. Glutenfreie Brote habe etwa die Fritz-Mühlenbäckerei in Aying im Angebot. Für viele kleine Betriebe sei das aber kaum zu leisten. Und alles auf rein glutenfrei umzustellen, komme für ihn derzeit ebenso wenig infrage, so der Bäcker. Dafür sei die Nachfrage aktuell einfach nicht groß genug.
Für neue Entwicklung müsse aber jeder Betrieb offen sein, findet Perkmann. So betreibe er auch noch die Kaffeerösterei Bohnenreich. Dort habe er das Geschäft teils von Kuh- auf Hafermilch umgestellt. Die sei nämlich global gesehen ressourcenschonender, sagt der Innungs-Obermeister. Um seine Backwaren bekömmlicher zu machen, setze er zudem auf Langzeitführung. So dürfe der Teig etwa lange gehen. Regionale Inhaltsstoffe und vollständige Transparenz zur Herkunft seien für ihn selbstverständlich.
Das Tölzer Café im Süden zählt zu den kleinen Betrieben im Landkreis und wirbt auf der Homepage mit seiner Wohnzimmeratmosphäre. Während der Corona-Pandemie stand Inhaberin Snezana Schreibauer oft alleine im Geschäft. „Da habe ich angefangen, mit veganen und glutenfreien Kuchen zu experimentieren“, sagt sie. Bis sie mit ihren Produkten zufrieden war, um sie auch den Gästen anzubieten, dauerte es jedoch. Schreibauer probierte verschiedene glutenfreie Mehlsorten aus. Sie verwendete Obst, um mit Fruchtzucker statt raffiniertem Zucker zu süßen. „Ich habe mich durch die Corona-Zeit durchgekämpft.“
Seitdem bietet sie in ihrem Café regelmäßig einige vegane, gluten- und auch laktosefreie Kuchen an. Auf Vorbestellung bekämen Gäste mit entsprechenden Unverträglichkeiten auch ein auf sie abgestimmtes Frühstück, sagt Schreibauer. Das umzusetzen, ist aufwendig. Damit sich keine allergenen Inhaltsstoffe untermischen, benutzt die Café-Inhaberin getrennte Gerätschaften – von Messern bis zu Backformen – und stellt ihre veganen, gluten- und laktosefreien Produkte stets am Anfang jedes Arbeitstags her. „Das kann ich nur so machen, weil ich einen kleinen Betrieb habe“, sagt Schreibauer.
Ein Rohkostkuchen ohne raffinierten Zucker schmeckt für viele ungewohnt
Mittlerweile riefen sogar Menschen an, um sich explizit nach ihren allergenfreien Produkten zu erkundigen. Zur Hauptzielgruppe zählten aber junge Mütter mit Kindern. Die Nachfrage nach solchen Produkten gebe es, so Schreibauer – auch wenn es für viele ungewohnt sei, wie etwa ihre Rohkostkuchen ohne Zucker schmeckten.
Potenziell allergieauslösende Stoffe von Gluten bis zu Laktose oder Nüssen müssen Gastronomie– und Lebensmittelbetriebe kenntlich machen. „Wirbt ein Lebensmittelunternehmer mit bestimmten Produkten/Aussagen, trägt dieser auch die volle Verantwortung dafür, dass seine Produkte den beworbenen Eigenschaften entsprechen“, erklärt Sabine Schmid, Sprecherin des Landratsamts Bad Tölz-Wolfratshausen. Laut gesetzlicher Vorgaben gelte ein Lebensmittel als laktosefrei, wenn es weniger als 0,1 Gramm Laktose auf 100 Gramm enthalte. Als Glutenfrei dürfe alles bezeichnet werden, das weniger als 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm enthalte. Daten zur Allergiker-Quote im Landkreis lägen dem Gesundheitsamt nicht vor.
Jeder Gast mit Unverträglichkeiten sollte beim Bestellen genau nachfragen
Glutenfreie Gerichte stehen in einem Traditionsgasthaus wie dem Münsinger Altwirt nicht auf der Speisekarte. Wer eine Unverträglichkeit habe, könne das Schnitzel dann eben natur gebraten ohne Panade haben oder müsse sich für ein anderes Gericht entscheiden, sagt Metzgermeister und Inhaber Joseph Großmann. „Auf Nachfrage haben wir eine Speisekarte, auf der alle Zusatzstoffe aufgeführt sind“, sagt er. Die werde allerdings nur selten angefragt. Im Betrieb verzichteten er und sein Team zudem darauf, Geschmacksverstärker einzusetzen. Soßen würden klassisch mit Knochen angesetzt.
Auf Fisch ist der Forellenhof Walgerfranz außerhalb von Bad Tölz spezialisiert. Chefin ist die Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Bayern, Monika Poschenrieder. „Wir haben viele Gerichte, die praktisch gluten- und laktosefrei sind“, sagt sie. Bei einem mit Essig und Öl angemachten Salat sei das etwa ziemlich eindeutig. Trotzdem empfiehlt sie jedem Gast, der an einer Lebensmittelunverträglichkeit leide, nachzufragen, bevor er ein Gericht bestelle. Nach Allergenen im Essen erkundigten sich allerdings nur ein bis zwei Prozent der Gäste in ihrem Restaurant.
Die Münsinger Bäckerei Krümel & Korn hatte vor Ausbruch der Pandemie bereits alles vorbereitet, um allergenfreie Produkte anbieten zu können. In der Filiale in Berg (Landkreis Starnberg) habe er dafür eine separate Backstube einrichten können, erzählt Betreiber Paul Otto. Doch dann habe der darauf spezialisierte Mitarbeiter aufgehört, das Projekt wurde aufgegeben. „Nicht jeder Bäcker kann glutenfrei backen“, sagt Otto, der seit zehn jahren auch Ernährungsberater ist. „Die Teige und alles sind anders.“ Ohne das entsprechende Know-how sei das nicht umzusetzen.
Doch auch unabhängig davon achte er im Betrieb darauf, alle Produkte so verträglich wie möglich herzustellen, sagt Otto. Man verzichte auf Backtriebmittel und lasse die Vorteige lange ruhen. Für einen kleinen Bäckerbetrieb sei es in der Regel aber gar nicht machbar, zusätzlich explizit allergenfreie Produkte anzubieten. Die nötige zusätzliche Backstube sei finanziell nicht zu stemmen. Krümel & Korn habe glücklicherweise in der Berger Filiale Räume dafür. „Wir sind für alles offen“, sagt Otto. „Vielleicht findet sich ja jemand, der das bei uns machen will. Wir haben alle Zutaten.“