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Riester-Rente: Kündigungen erreichen Rekordwert in Deutschland – Wirtschaft | ABC-Z

Wer nach Neuigkeiten googelt zur Frage „Was soll ich mit meinem Riester-Vertrag tun?“, der ahnt die Misere schon. „Riester-Frust? So können Sie sich wehren“, lautet da etwa eine Schlagzeile an vorderer Stelle.  „Riester-Rente war die unnötigste Investition“ eine andere. Die allgemeine Skepsis gegen private Altersvorsorge per Riester-Modell spiegelt sich auch im Handeln der Bürger wider. Nach Daten des Internetportals Finanztip, das sich auf Angaben der Deutschen Rentenversicherung stützt, haben Sparer in Deutschland dieses Jahr, Stand 8. August, schon fast 220 000 Riester-Verträge gekündigt. Die Daten lagen der Süddeutschen Zeitung vorab vor.

Damit steuert die Zahl der Kündigungen auf einen neuen Rekordwert zu, im vergangenen Jahr hatten sich die Vertragsbeendigungen auf rund 266 000 summiert. Und das, während die Politik intensiv darüber diskutiert, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr privat fürs Alter vorsorgen müssten, wenn sie ihren Lebensstandard als Ruheständler auch nur annähernd halten oder Altersarmut vermeiden wollen. Die Menschen sollten demnach mehr auf Riester-Verträge (oder andere private Vorsorge) setzen, nicht auf weniger. „Die Riester-Rente startete vor fast 25 Jahren mit dem Versprechen, die Rentenlücke zu schließen und den Menschen eine verlässliche Altersvorsorge zu bieten“, sagt Saidi Sulilatu, Chefredakteur von Finanztip. „Dieses Vorhaben ist gescheitert.“ Das Internetportal Finanztip ist Teil der gemeinnützigen Finanztip-Stiftung, deren Stiftungszweck die Finanzbildung von Verbrauchern ist.

Die Riester-Rente war 2002 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführt worden, um das Sinken des Niveaus der gesetzlichen Rente auszugleichen. Die Bürger sollen freiwillig fürs Alter vorsorgen, der Staat bietet als Anreiz teils großzügige Zulagen und Steuervergünstigungen. Allerdings gilt die Rendite der Verträge seit Jahren als viel zu niedrig, die Kosten vieler Anbieter als hoch. Inzwischen wurden mehr als fünf Millionen Verträge vorzeitig gekündigt, jeder vierte der 20 Millionen Abschlüsse.

Union und SPD planen laut Koalitionsvertrag eine Reform der privaten Altersvorsorge einschließlich der Riester-Rente, mal wieder. Eine Reform war schon mehrfach versprochen worden, zuletzt vom damaligen Finanzminister Christian Lindner (FDP), dessen Vorhaben jedoch mit dem Bruch der Ampelkoalition im Herbst 2024 abrupt endete. Das Bundesfinanzministerium teilte auf Anfrage mit, man sei sich der Dringlichkeit einer Reform bewusst. „Zum Zeitplan können wir derzeit allerdings noch keine genauen Angaben machen.“

Mit viel mehr Nachdruck hat Schwarz-Rot dagegen die „Frühstart-Rente“ vorangetrieben, ein Unionsversprechen aus dem Wahlkampf. Sie soll schon Anfang 2026 in Kraft treten.  Hierfür will der Bund jedem Kind, das in Deutschland eine Schule besucht, zwischen dem sechsten und dem 18. Lebensjahr jeden Monat zehn Euro zum Investieren zahlen. Die bis zum 18. Geburtstag angesparte Summe soll danach bis zum Renteneintritt durch eigene Einzahlungen erhöht werden.

Erstklässler in Wuppertal. Der Bundesregierung wll jedem Kind, das in Deutschland eine Schule besucht, zwischen dem 6. und 18. Lebensjahr zehn Euro pro Monat zahlen. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Finanztip-Chef Sulilatu befürchtet, dass nun zwar die Frühstart-Rente kommt, eine Reform von Riester aber wieder einmal versandet. „Die Frühstart-Rente darf nicht dazu führen, dass eine Reform von Riester vernachlässigt wird. Hier muss schnell gehandelt werden. Jedes weitere verlorene Jahr kostet die Menschen im Alter Einkommen“, sagte er der SZ.  Es sei noch Zeit, etwas zu tun für die Zusatzvorsorge der Leute unter 50 Jahren, vor allem für die unter 40. „Die Frühstart-Rente ist ein Feigenblatt. Das reicht nicht ansatzweise.“ Die Regierung müsse auch etwas für andere Gruppen tun, für Alleinerziehende, Geringverdiener oder auch Familien.

Konkret fordert Sulilatu, die Koalition müsse fünf Lehren aus dem „Riester-Desaster“ ziehen. Die Riester-Rente sei an hohen Kosten, Intransparenz und komplizierten Regeln gescheitert. Ein Riester-Nachfolger müsse deshalb mehr Möglichkeiten zulassen, wie das Geld später verwendet werden darf. Die bisher komplizierten Steuerregeln müssten vereinfacht werden.

Ein geförderter Altersvorsorgevertrag solle zudem Standard werden, wer ihn nicht wolle, solle bewusst aussteigen müssen, so Sulilatu. Bisher müssen Beschäftigte ihn bewusst abschließen. Eine attraktive Alternative benötige zudem einfache, standardisierte ETF-Produkte mit Gesamtkosten von höchstens 0,5 Prozent pro Jahr. Die Garantie, dass alle eingezahlten Beiträge wieder ausbezahlt werden, müsse fallen, ein Ende der Beitragsgarantie ermögliche höhere Renditechancen. Damit könnten sich auch die Schlagzeilen zur privaten Altersvorsorge wieder verändern. Eine weitere prominente zu Riester-Verträgen lautet: „Viel Gebühren, wenig Rente.“

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