Wirtschaft

Autos, Werke, Software: Volkswagens verblüffendes Anführer-Ziel – und was von ihm schon zu sehen ist | ABC-Z

Die Baustellen bei Volkswagen sind groß, das spiegeln auch die Jahreszahlen wider. Trotzdem ruft Chef Oliver Blume ein verblüffend ambitioniertes Ziel aus: Der Konzern solle zum „globalen Technologietreiber“ werden. Erste Vorarbeiten dafür sind schon zu erkennen.

Volkswagen-Chef Oliver Blume hat seinem Konzern ein neues Ziel gesteckt, das angesichts der Schwierigkeiten der vergangenen Jahre sehr ambitioniert klingt. Das Unternehmen soll zum „Globalen Technologietreiber für die Automobilindustrie“ werden, kündigte der Manager bei der Vorstellung der Ergebnisse für das vergangene Jahr an. Blume denkt dabei an einen Zeitraum von zehn Jahren, in dem sich bei VW und in der Industrie vieles radikal verändern wird.

Derzeit sind im Konzern allenfalls Vorarbeiten für das große Ziel zu erkennen. In entscheidenden Technologiefeldern wie Software, Batterien und autonomem Fahren hinkt VW manchen Konkurrenten noch immer hinterher.

Allerdings hat Blume die zweieinhalb Jahre seit seinem Amtsantritt dazu genutzt, die Strukturen grundlegend zu verändern. Die Software-Systeme der Zukunft entwickelt Volkswagen nun gemeinsam mit zwei Start-ups: XPeng in China und Rivian in den USA. Außerdem ist die Tochtergesellschaft in China deutlich unabhängiger geworden. Mit besseren und günstigeren Fahrzeugen soll sie den Niedergang von VW im chinesischen Markt stoppen.

Zunächst steht dem Konzern aber ein weiteres schwieriges Jahr bevor. Blume kündigte für 2025 ein leichtes Umsatzwachstum an. Beim Gewinn wird es im Vergleich zu 2024 kaum Verbesserungen geben. Man erwarte eine operative Rendite in der Bandbreite zwischen 5,5 und 6,5 Prozent, sagte Finanzvorstand Arno Antlitz. Er sprach von einem „deutlich schwächeren“ ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr.

Nicht enthalten in der Prognose seien „mögliche Effekte aus der Einführung oder Anpassung von Handelszöllen oder möglicher weiterer Restrukturierungsaufwendungen. Andererseits sind mögliche Entlastungen bei der CO₂-Regulierung in Europa ebenfalls nicht unterstellt“, sagte Antlitz. Im Jahr 2024 hat der Konzern eine Rendite von 5,9 Prozent erreicht, 2023 waren es noch sieben Prozent.

2024 rund 31 Prozent weniger Gewinn als im Vorjahr

Der Gewinn ist im vergangenen Jahr deutlich gesunken, während der Umsatz leicht gestiegen ist. Nach Steuern hat Volkswagen rund 31 Prozent weniger Gewinn gemacht als im Jahr 2023 – einem Jahr von Rekordgewinnen in der ganzen Branche. Mit Ausnahme der Nutzfahrzeug-Tochter Traton haben nun alle Bereiche weniger verdient als zuvor.

Die Zahlen spiegeln die größten Baustellen im Unternehmen wider. Vor allem die Premium-Tochter Audi hat massive Probleme. Der operative Gewinn der Audi-Gruppe, zu der auch die hochprofitable Tochter Lamborghini, Bentley und Ducati zählen, sank um 38 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro. Bei Porsche schrumpfte das Ergebnis um 24 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro. Beides belastet den Konzern enorm.

Die Software-Tochter Cariad hat ihre operativen Verluste im vergangenen Jahr noch einmal ausgeweitet, auf minus 2,4 Milliarden Euro. Dass Cariad-Chef Peter Bosch das Unternehmen massiv verkleinert und umgebaut hat, spiegelt sich in den Zahlen nicht wider.

Immerhin kassierte die interne Softwareeinheit aber Lizenzeinnahmen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Dieses Geld kommt vor allem von Audi und Porsche, die das um Jahre verspätete System 1.2 nun in neuen Fahrzeugen wie A6 und Q6 oder dem Macan einsetzen.

In Blumes neuer Software-Strategie spielt Cariad eine Nebenrolle. Die von seinem Vorgänger Herbert Diess gegründete Einheit konzentriere sich künftig auf Technologien wie autonomes Fahren, Infotainment, Cloud-Services und Datenverarbeitung. Die Steuerung der bestehenden Software bringe man aber „dorthin, wo sie genutzt wird: in die Marken“, sagte Blume. Das bedeutet eine teilweise Rückabwicklung der großen Konzentration von Software-Spezialisten an einer Stelle im Konzern.

Die Sportwagen-Tochter Porsche, deren Vorstandschef Blume in Personalunion ist, geht ohnehin schon eigene Wege bei der Software und kooperiert beispielsweise mit Apple.

Den Kooperationen kommt in der Strategie eine entscheidende Bedeutung zu. „Wir entwerfen das Auto der Zukunft um die Software und seine digitalen Fähigkeiten“, sagte Porsche-Entwicklungschef Michael Steiner am Vortag der Bilanzvorstellung.

Die Rivian-Architektur soll im ID.1 eingesetzt werden

Steiner koordiniert die Entwicklung für den ganzen Konzern. Die ersten Fahrzeuge mit XPeng-Technologie sollen im kommenden Jahr in China auf den Markt kommen, die Rivian-Architektur wird laut Plan 2027 erstmals im Kleinwagen ID.1 eingesetzt.

Im laufenden Jahr wird von diesen Zukunftstechnologien allenfalls in Präsentationen und Messeauftritten etwas zu sehen sein. Gerade in China droht dem Konzern ein weiteres schwieriges Jahr, weil die neuen Autos erst im nächsten Jahr auf den Markt kommen werden. Lokale Konkurrenten setzen den früheren Marktführer mit billigen und moderneren Elektroautos unter Druck.

Die Probleme in China zeigen sich auch in den Zahlen. Im vergangenen Jahr schrumpfte das operative Ergebnis für VW dort auf nur noch 1,7 Milliarden Euro, ein Minus von 34 Prozent. Das ist weit weg von den Summen, die früher aus China kamen – und die hohen Kosten in Deutschland quersubventioniert hatten.

In diesem Jahr dürfte der Beitrag aus China noch weiter abschmelzen. Vorstandschef Oliver Blume hatte bereits auf einer Betriebsversammlung in Wolfsburg davor gewarnt, dass der „Scheck aus China“ künftig viel kleiner wird. Die Analysten der Investmentbank UBS rechnen für 2025 nur noch mit einem „Scheck“ in Höhe von 600 Millionen Euro. Antlitz stellte für die folgenden Jahre eine positive Entwicklung des China-Beitrags in Aussicht. Für das Jahr 2027 peilt er einen Beitrag von etwa zwei Milliarden Euro an.

Insgesamt sollen die Investitionen des Konzerns in den kommenden Jahren deutlich sinken, von zuletzt 185 Milliarden Euro auf 165 Milliarden Euro für die kommenden fünf Jahre. Rund 30 Prozent davon fließen laut Antlitz noch in die Verbrennertechnologie. Dieser Posten wird nun noch weiter sinken.

VW-Chef: „Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch“

Für Blume ist klar: „Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch.“ Sie sei der Verbrennertechnologie „im Eigenschaftsprofil“ überlegen, betonte er. „Dazu stehen wir. Gleichzeitig sehen wir, dass sich die Transformation der weltweiten Märkte unterschiedlich schnell entwickelt.“ Dieser Entwicklung werde man pragmatisch folgen und weiterhin ein „breites, flexibles Produktportfolio über alle Antriebsvarianten“ anbieten. So wie bei Porsche finde in allen Marken eine Überprüfung der Elektrostrategie statt.

Den Aufbau der eigenen Batteriezell-Produktion hat der Konzern bereits verlangsamt. Statt wie bisher geplant 15 Milliarden Euro fließen in den kommenden fünf Jahren nur zehn Milliarden Euro in die Batteriefabriken in Deutschland, Spanien und Kanada.

Am deutschen Standort Salzgitter soll die Produktion in diesem Jahr starten. Wie geplant sollen die drei Werke in Deutschland, Spanien und Kanada gebaut werden, aber sie sollen zunächst kleiner als bisher vorgesehen ausfallen. In Blumes Strategie spielt die eigene Zellfertigung eine wesentliche Rolle, um zum Technologieführer in der Industrie zu werden.

Im Zentrum stehen für den VW-Chef aber die Autos. Die elektrischen Kleinwagen ID.2 und ID.1 werden dabei eine wesentliche Rolle spielen. „Attraktive Produkte zum richtigen Preispunkt anzubieten“ sei der Job der Autohersteller, sagte Blume. Von einer neuen Bundesregierung erhoffe er sich, weiter Tempo zu machen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Handlungsbedarf gebe es außerdem bei Energiepreisen und „Anreizsystemen für die Elektromobilität“.

Er habe vorgeschlagen, den Kauf eines Elektrofahrzeugs in der Steuererklärung anrechnen zu lassen – wie eine Handwerkerleistung. Auch soziales Leasing wie in Frankreich halte er für sinnvoll. Der Bundesregierung werde man noch weitere Ideen liefern.

Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie.

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