Automobilbranche: Webasto aus Stockdorf baut Stellen ab – Starnberg | ABC-Z

Der hoch verschuldete Autozulieferer Webasto aus Stockdorf in der Gemeinde Gauting versucht, mit einem Sanierungskonzept und deutlich weniger Mitarbeitern aus der wirtschaftlichen Krise zu kommen. Ziel der „Restrukturierung“ sei es, die Webasto-Gruppe in angespannter Lage an die veränderte Marktlage anzupassen, sagt Jörg Buchheim, der seit März Chef des angeschlagenen Familienunternehmens ist. Hierfür werden bis zum Ende des Jahres auch 650 Stellen in Deutschland abgebaut, davon etwa 100 in der Stockdorfer Zentrale, in der es dann noch 1200 Arbeitsplätze gibt. Rund 150 Stellen fallen in Gilching weg, wo der Standort wohl noch in diesem Jahr aufgegeben wird.
Man sei auf einem guten Weg, aber um einen „wirklichen Turnaround zu erreichen“ seien noch erhebliche Anstrengungen nötig, betont der Vorstandsvorsitzende. Denn die geschäftlichen Entwicklungen blieben „volatil und die Unsicherheiten unter anderem wegen handelspolitischer Auseinandersetzungen groß“, erläutert Buchheim. Überdies machen die Gläubiger mächtig Druck und die Zeit drängt.
Der Konzern, der vor allem Schiebedächer und Thermosysteme produziert, sucht daher nun auch einen Ausweg über einen Treuhänder, dem Anteile von den Eigentümerfamilien übertragen werden könnten. Im Gegenzug sollen die Banken Webasto bis zu 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen – das wäre frisches Kapital, das dringend benötigt wird.
Die Treuhandlösung wäre eine Option, doch es würden auch noch andere Konzepte diskutiert, sagt dazu eine Webasto-Sprecherin. Jedenfalls laufe die Restrukturierung nach Plan und das Vorstandsteam arbeite gemeinsam mit Aufsichtsrat, Eigentümern und Finanzierungspartnern „weiter intensiv und konstruktiv an einem Sanierungskonzept“, erklärt die Firmensprecherin, die auch Daten vorlegte.
So ging nach vorläufigen Zahlen der Umsatz im vergangenen Jahr um rund 300 Millionen Euro auf 4,3 Milliarden Euro im Vergleich zu 2023 zurück. Im selben Zeitraum sank weltweit die Anzahl der Mitarbeitenden von 16 600 auf 15 300 an mehr als 50 Standorten. Derzeit sind in Europa noch rund 8200, in Deutschland 3700 und in Bayern etwa 2800 Menschen bei Webasto beschäftigt.
Um die Talfahrt nach Gewinneinbrüchen zu stoppen und Kosten zu sparen, stehen bei dem Unternehmen schon seit Längerem sämtliche Bereiche auf dem Prüfstand – egal, ob in der Verwaltung, Entwicklung oder Produktion. In diesem Jahr waren auch betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr zu vermeiden. An den Webasto-Standorten in Deutschland trifft es Hengersberg in Niederbayern am härtesten: Dort verlieren bis zum Jahresende von 340 Mitarbeitern rund 200 ihren Job.
Von diesen sollen etwa 100 Beschäftigte Ende Juni in eine Transfergesellschaft wechseln, in der sie nach Angaben von Webasto bis zu zwölf Monate beschäftigt sind und bei der „Suche nach einer neuen beruflichen Perspektive unterstützt werden“. Je nach Aufgabenbereich folgten dann weitere 100 Beschäftigte aus Hengersberg in jene Auffanggesellschaft, so die Firmensprecherin.
Betroffen ist auch der Standort Neubrandenburg, wo der Zulieferer Standheizungen und elektrische Hochvoltheizer für Hybrid- und E-Fahrzeuge produziert. Dort werden aufgrund geringerer Nachfrage 85 Stellen gestrichen. Zudem werden in Utting am Ammersee 38 von 300 Arbeitsplätzen wegfallen. Die Anpassungen erfolgten auch dort überwiegend über Vorruhestandsregelungen, das Auslaufen befristeter Verträge und Renteneintritte, berichtet die Webasto-Sprecherin. Sie teilt aber auch mit, dass die Standorte Schaidt (Rheinland-Pfalz) und Schierling (Oberpfalz) nicht vom Stellenabbau betroffen seien.
2023 verzeichnet Webasto einen Verlust von 195 Millionen Euro
Noch ist aber unklar, ob noch mehr Mitarbeiter ihren Job bei dem Autozulieferer verlieren. Das hängt laut Webasto von der weiteren Entwicklung ab. Man sei in diesem Jahr zumindest „solide“ gestartet. Der Stellenabbau war mit dem Betriebsrat abgestimmt worden und soll sozialverträglich ablaufen. So seien in einer ersten Welle 90 Prozent der betroffenen Mitarbeiter in eine renommierte Transfergesellschaft vermittelt worden, sagt Betriebsratsvorsitzender Mirco Eschrich. Er glaubt weiter daran, dass Webasto es schafft, die Krise zu meistern. Das scheint jedoch ungewiss, zumal die hohen US-Zölle sich wohl negativ auf den Handel auswirken. Überdies liegt auch der Geschäftsbericht für das Jahr 2024 noch immer nicht vor.
Im Jahr zuvor verzeichnete das Familienunternehmen, das 1901 gegründet wurde, laut Geschäftsbericht 2023 einen drastischen Gewinneinbruch und einen Verlust von 195 Millionen Euro. Derzeit belaufen sich zudem die Verbindlichkeiten auf rund 1,2 Milliarden Euro, wie die Sprecherin bestätigt. Die Absatzflaute, gestörte Lieferketten und die verzögerte oder verschlafende Transformation zur E-Mobilität in der Autoindustrie trafen auch Webasto mit voller Wucht.
Die Firma musste daher die Produktion herunterfahren und Standorte in China sowie in den USA und Mexiko schließen. Beschlossen wurde ein rigider Sparkurs, zudem verstärkte der erprobte Krisenmanager Johann Stohner als „Chief Restructuring Officer“ den Vorstand des Unternehmens, das in Schieflage geraten war. Zusammen mit dem neuen Firmenchef Buchheim versucht der Sanierer, das Steuer herumzureißen.