Auswärtiges Amt unterstützt Reporterin von islamistischem TV-Sender | ABC-Z
Im Zuge seiner feministischen Außenpolitik fördert das Auswärtige Amt Journalistinnen im Irak. Recherchen zeigen: Ausgerechnet das Aushängeschild des Projekts arbeitete für mehrere Islamisten-Sender, die unter Kontrolle der iranischen Revolutionsgarde stehen.
Zum Welttag der Pressefreiheit, am 3. Mai 2022, veröffentlichen Mitarbeiter des Auswärtigen Amts ein rund zweiminütiges Video auf der Facebook-Seite des Ministeriums. In diesem steht Hiba Elmajid vor einer Kamera. Die Journalistin aus der Stadt Kerbela im Irak trägt einen grünen Blazer und ein weißes Kopftuch. „Ich arbeite als Journalistin und Reporterin für lokale irakische Medien“, sagt Elmajid. Ihr Berufsstand sehe sich im Irak „Mord, Schikanen und Terror“ ausgesetzt. Gerade Frauen würden erpresst und verleumdet.
Das Auswärtige Amt hat die Journalistin im Zuge eines Projektes mit dem Titel „Her Turn“ gefördert. Rund 100.000 Euro flossen allein 2024 aus dem Ministerium von Annalena Baerbock (Grüne) in das Projekt, das von der „taz Panter Stiftung“ durchgeführt wird.
Im Baerbock-Ressort ist man stolz auf die Unterstützung der irakischen Reporterin. In einer Broschüre zur feministischen Außenpolitik wird ihre Förderung beispielhaft erwähnt. Auf der Seite davor heißt es, man werde, wo immer möglich, „besonders gefährdete Gruppen wie Menschenrechts-, Frauenrechts- und Friedensaktivist*innen“ schützen.
In welche Kategorie Elmajid fallen soll, ist indes fraglich. Denn die Journalistin arbeitet regelmäßig für einen Sender, der laut Einschätzung der US-Sicherheitsbehörden unter der Kontrolle der iranischen Revolutionsgarde steht. Im Jahr 2020 nahm das US-Justizministerium auf Betreiben des FBI eine damals in den USA gehostete Internetseite von Al-Ghadeer TV vom Netz. Diese werde „von oder im Namen der Revolutionsgarde betrieben“ – ein islamistisches Propagandasprachrohr also, so der Vorwurf.
Al-Ghadeer TV gehört der sogenannten Badr-Organisation, einer islamistischen Partei, die nicht nur zu den bedeutendsten politischen Akteuren des Landes gehört, sondern auch eine Miliz stellt, die zu den wichtigsten paramilitärischen Fraktionen in der Region zählt. Laut einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik „scheint die Organisation zusehends in eine Rolle hineinzuwachsen, wie sie die Hisbollah im Libanon (für Iran) spielt“. Ideologisch orientiere sich die Organisation „an den Gedanken Ayatollah Ruhollah Khomeinis (1902–1989) und damit an der Staatsdoktrin der Islamischen Republik Iran“.
Elmajid präsentiert auf ihrem Instagram-Profil regelmäßig Fotos bei Drehs des TV-Senders. Auf anderen Bildern hält sie ein Mikrofon des Senders Nujaba TV in der Hand. Dieser zweite Sender gilt als Sprachrohr der schiitischen Miliz Harakat Hisbollah an-Nujaba, die ebenfalls von der iranischen Revolutionsgarde unterstützt wird.
Im Mai 2020 postete Elmajid bei Facebook das Foto eines Maschinengewehrs. Darauf eingraviert: „Alnujaba“. Im rechten oberen Eck des Fotos prangt das Logo der Miliz. Darunter steht das Wort „Media War“, „Medienkrieg“. Ein Hinweis auf Elmajids journalistisches Selbstverständnis?
Gruppenfoto im Auswärtigen Amt
Auf Anfrage erklärt Elmajid nur, sie arbeite derzeit nicht „für diese Organisation“, sondern sei Freiberuflerin. Sie gehöre keiner Partei an.
Die „taz Panter Stiftung“ zumindest entschied sich dazu, Elmajid mit Fördermitteln des Auswärtigen Amts den Zugang zu Workshops und einen Berlin-Aufenthalt zu ermöglichen. Fotos zeigen die Journalistin zusammen mit weiteren Teilnehmern im Auswärtigen Amt. Auf einem Bild posieren die Teilnehmer für ein Gruppenfoto mit Staatssekretärin Jennifer Morgan.
Schon zuvor hatte die Reporterin offenbar an einem Programm der Deutschen Welle Akademie teilgenommen, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert wird, wie ein Zertifikat auf ihrem Instagram-Profil belegt. Warum unterstützt die Bundesregierung gerade eine Frau, die im Dienst von islamistischen Propagandamedien steht?
Das Auswärtige Amt beantwortete diese Frage in der gesetzten Frist nicht. Eine Sprecherin der „taz Panter Stiftung“, die das „Her Turn“-Projekt durchführt, schickte dagegen eine lange Erklärung. Die Teilnehmerinnen seien von einer international besetzten Jury ausgewählt worden. Die habe sich bewusst für die Teilnahme von Elmajid entschieden.
Es sei ein bewusstes Ziel der Workshops gewesen, einer jungen Journalistin aus dem schiitisch geprägten Kerbela den Austausch mit Kolleginnen aus anderen Teilen des Irak und auch mit Kolleginnen aus Europa zu ermöglichen, „um sowohl ihren journalistischen als auch ihren persönlichen Horizont zu erweitern“. Elmajid habe sich im Laufe der Workshop-Reihe hinsichtlich ihrer journalistischen Fähigkeiten stark weiterentwickelt.
Die Journalistin habe zwar „zu Beginn ihrer Karriere als freie Mitarbeiterin für die Sender Al-Nujaba TV und Al-Ghadeer TV gearbeitet“. Ihre dort veröffentlichten Beiträge hätten jedoch ausschließlich lokale und soziale Bezüge gehabt und keinerlei politische Botschaften enthalten. Mit Projektbeginn habe sie im Jahr 2020 ihre freie Mitarbeit bei Al-Nujaba TV und Al-Ghadeer TV beendet.
Daran jedoch sind Zweifel angebracht. Allein auf ihrer Facebook-Seite hat die Reporterin Dutzende Beiträge geteilt, die sie im Zeitraum zwischen 2020 und 2022 im Einsatz für Al-Nujaba TV zeigen.
Lediglich „lokale Bezüge“?
Im Sommer 2024 wiederum war sie offenbar erneut im Einsatz für Al-Ghadeer TV. Auf einem mittlerweile gelöschten Post ist Elmajid im August mit einem Mikrofon des Senders auf der „Al-Aqsa Call-Konferenz“ in Kerbela zu sehen. Die anwesenden schiitischen Politiker und Geistlichen riefen laut Abschlusserklärung zum Widerstand und Kampf gegen „die kriminelle zionistische Einheit“ auf. Elmajids Rolle als unabhängige Beobachterin scheint zweifelhaft.
So ließ sie sich mit einem Palästina-Schal, den alle Teilnehmer trugen, ablichten. Auf einem Foto steht sie vor einem Plakat mit der Aufschrift „Gaza: der Triumph des Willens über die Tyrannei“.
Auch ob Elmajids Beiträge vor Beginn der Förderung tatsächlich nur „lokale und soziale Bezüge“ gehabt hätten, ist fraglich. So berichtete sie auch in den Jahren 2019 und 2020 über zahlreiche politische Ereignisse im Irak, darunter Angriffe der US-Armee auf Ziele der irakischen Hisbollah-Brigaden – in dem Beitrag als „amerikanische Aggression“ beschreiben.
Auch privat schrieb Elmajid immer wieder Posts, die ein durchaus politisches Weltbild erkennen lassen. Gestorbene Kämpfer der schiitischen Miliz Saraya al-Salam, die vom radikalen Geistlichen Muqtada as-Sadr gegründet wurde, bezeichnete sie mehrfach, das letzte Mal in einem Facebook-Post in diesem Jahr, als Helden. Einen „Märtyrer und Helden“ nannte sie im Jahre 2020 auch einen Kämpfer der 25. Brigade der schiitischen Volksmobilmachungskräfte. Die Einheit machte sich im Kampf gegen den IS einen Namen, gegen sie stehen jedoch auch Vorwürfe der Kriegsverbrechen im Raum. Seit der militärischen Niederlage der IS fielen Kämpfer der Volksmobilmachungskräfte durch die Niederschlagung von Protesten auf.
Im Juli dieses Jahres verbreitete sie eine Karikatur. Einem Journalisten wird darauf mit einer Bombe der Kopf weggeschossen. Auf der Bombe prangt ein Davidstern. Darunter steht: „Made in USA“.
Die „taz Panter Stiftung“ meinr, Elmajid habe „die Chance genutzt“, die ihr in Deutschland geboten wurde. Sie habe dabei „bewusst in Kauf genommen, dass sie durch die Teilnahme an dem Programm mit einer deutschen Stiftung bei Medienhäusern in Kerbela keine berufliche Chance mehr haben wird“. Im August habe sie noch einmal aus „ökonomischen Gründen“ für Al-Ghadeer TV gearbeitet. Dann sei sie aufgrund ihrer internationalen Kontakte entlassen worden.
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