Ausladung der Münchner Philharmoniker: Tournee wird zum Politikum – Kultur | ABC-Z

Konzerttourneen von Sinfonieorchestern finden normalerweise nur wenig Widerhall in der Presse, selbst wenn weltberühmte Musiker und Solisten daran beteiligt und die Konzerte überwältigend sind. Das ist bei der gerade stattfindenden Europatournee der Münchner Philharmoniker unter ihrem zukünftigen Chefdirigenten Lahav Shani jetzt völlig anders. Die Konzertreise, die die Musiker auch nach Paris, Wien, Berlin und Luxemburg führen wird, ist zu einem europaweit Aufsehen erregenden Politikum geworden, nachdem das Flanders Festival Ghent einen für den 18. September geplanten Auftritt Shanis mit den Münchnern überraschend und kurzfristig abgesagt hat. Weil, so die Festival-Website, die Haltung des Dirigenten zum „genocidal regime“ in Israel nicht klar sei, gemeint ist damit der Gaza-Krieg.
Nun hat sich Lahav Shani, geboren 1989 in Tel Aviv, dort Chef des Israel Philharmonic Orchestra und einer der begehrtesten Orchesterleiter weltweit, zwar des Öfteren gegen Krieg und für Versöhnung ausgesprochen, es aber abgelehnt, Israels Regierung außerhalb von Israel zu kritisieren. Ihn aber als Interessensvertreter der Regierung Netanjahu zu beschreiben, geht völlig an der Realität vorbei. Weshalb die Konzertabsage durch das nur regional bedeutenden Festivals von vielen Künstlern, Journalisten und Politikern als offener Affront und großer Skandal gewertet wird, immer wieder wird den Machern auch Antisemitismus vorgeworfen, was von der Intendanz in Gent zurückgewiesen wird.
Sogar der belgische Ministerpräsident nennt die Ausladung „unverantwortlich“
Auch in Belgien trifft die Entscheidung der Festivalmacher bei Politikern auf sehr viel Unverständnis. Sogar der belgische Ministerpräsident Bart de Wever, der kürzlich eine Anerkennung Palästinas in die Wege leitete, nannte die Ausladung nicht nur „unverantwortlich“, er schrieb sogar von Berufsverbot und dass damit dem Ruf Belgiens schwerer Schaden zugefügt wurde. Zudem kritisierte er „die beispiellose Forderung an Künstler, ihre politischen Ansichten schriftlich darzulegen. Dies widerspricht dem Wesen der künstlerischen Freiheit.“ Jetzt besuchte de Wever auch noch demonstrativ das Tourneekonzert Shanis und der Münchner Philharmoniker in Essen und entschuldigte sich dort bei dem Dirigenten, der sich bisher nicht selbst zu der Ausladung geäußert hat. Worauf Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) de Wever für dieses „Zeichen der Solidarität“ dankte: „Wir dürfen diesem blanken Antisemitismus keinen Platz geben.“
Musik, schreibt das Flanders Festival auf seiner Website, solle „eine Quelle für Verbundenheit und Versöhnung“ sein und in einem Kontext von „Respekt und Sicherheit erlebt werden“. Das alles hat das Festival durch seine Ausladung ad absurdum geführt, die unverständlicherweise einen um Versöhnung bemühten Musiker trifft, der auf keinen Fall für den Gaza-Krieg und deren Gräuel verantwortlich gemacht werden kann.
Auch andere Institutionen und Musiker reagieren demonstrativ pro Shani. Das Musikfest Berlin, das alljährlich die großen Orchester der Welt in der deutschen Hauptstadt versammelt, zeigte Solidarität, indem es Shani und die Münchner in Reaktion auf die Absage kurzfristig für diesen Montag zu einem Sonderkonzert nach Berlin einlud. Und der in Teheran geborene und den USA ausgebildete Cembalist Mahan Esfahani brandmarkt in einer Petition die Festivalentscheidung als einen „Angriff auf fundamentale europäische und demokratische Werte“ und fordert eine Wiedereinladung. Am Sonntagmittag hatten bereits 15 000 Menschen diesen Online-Aufruf unterschrieben.





















