Bayern: Verfassungsschutz beobachtet zweiten AfD-Abgeordneten – Bayern | ABC-Z

Für die Beobachtung einzelner Abgeordneter durch den Verfassungsschutz gelten besondere Hürden. Die Maßnahme ist nur beim Verdacht zulässig, dass ein Abgeordneter sein Mandat „zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft“. Auf dieser Grundlage beobachtete Bayerns Verfassungsschutz bislang einen Landtagsabgeordneten der AfD: Franz Schmid aus Neu-Ulm. Jetzt ist seit Ende April eine zweite Person in der AfD-Fraktion hinzugekommen, bei einer dritten wird das außerdem geprüft.
Das gab Verfassungsschutzpräsident Manfred Hauser am Mittwoch im Innenausschuss des Landtags bekannt; eher beiläufig auf eine Frage der Abgeordneten Christiane Feichtmeier (SPD). Die Maßnahme steht nicht in direktem Zusammenhang mit der jüngsten Hochstufung der Bundes-AfD, die das Bundesamt für Verfassungsschutz nun als „gesichert rechtsextrem“ einordnet.
Eine Beobachtung von Abgeordneten, bei der auch nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden dürfen, gilt es sorgsam abzuwägen: 2013 hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einer Grundsatzentscheidung Grenzen zur Beobachtung von Mandatsträgern definiert, damals ging es um den Linken-Politiker Bodo Ramelow. So müsse mit Blick auf das freie Mandat die Verhältnismäßigkeit stets genau beachtet werden.
Hintergrund der Beobachtung von Franz Schmid waren völkisch-nationalistische Äußerungen sowie Kontakte mit Rechtsextremisten außerhalb der AfD, zuvorderst der sogenannten Identitären Bewegung. Wer die zweite Person in der AfD-Fraktion ist, die nun derart konkret in den Fokus des Verfassungsschutzes gerät, wurde am Mittwoch nicht bekannt. Im Innenausschusses und auch in AfD-Kreisen hatte man allerdings registriert, dass Hauser in der Sitzung dezidiert den AfD-Kreisverband München-Ost erwähnte – als Beispiel für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Vorsitzender dort ist der Landtagsabgeordnete Rene Dierkes. Dessen Äußerungen etwa zur „Remigration“ waren wiederum 2024 am Verwaltungsgericht München Gegenstand, wo die AfD erfolglos gegen ihre Behandlung durch den Verfassungsschutz geklagt hatte. Eine Bestätigung, dass es sich um Dierkes handelt, ist das nicht. Auch die Abgeordneten kennen den Namen bislang nicht.
Ursprünglich ging es im Innenausschuss um die Aussprache zum bereits kürzlich veröffentlichten Verfassungsschutzbericht. Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU) und Hauser stellten den Abgeordneten die Erkenntnisse über Islamismus, Rechts- sowie Linksextremismus vor. Vor allem ging es in der Debatte dann aber um die AfD, übrigens im Beisein dreier Abgeordneter dieser Partei.
:„Wo ein politischer Wille da ist, ist auch ein Weg“
Die AfD ist auch in Bayern auf dem Weg zur zweitstärksten Kraft. Im Zentrum ihrer Kampagne steht die „Remigration“, gerade nach den Attentaten von Aschaffenburg und München. Doch verschleiert die Partei dabei ihre wahren Absichten? Erkundungen im Wahlkampf.
Kirchner erklärte, ausschlaggebend für die Hochstufung der AfD sei das in der Partei vorherrschende ethnische Volksverständnis gewesen, mit dem Migranten und Muslime „in einer die Menschenwürde verletzenden Weise ausgegrenzt und abgewertet werden“. Deutsche mit Migrationshintergrund würden nach rassistischen Kriterien „Passdeutsche“ genannt, denen „nur ein rechtlich abgewerteter Status zugebilligt werden soll“. Im Ausschuss wurde der Netz-Post eines schwäbischen AfD-Kreisverbands gezeigt. Darauf zu sehen sind zwei schwarze Personen, die einen deutschen Pass zeigen, mit der Zeile: „Wir sind Deutsche“. Darunter ist ein Bild von zwei Löwen mit der Losung: „Wir sind Vegetarier“. Kirchner sprach davon, dass Teile der AfD „ihre Demokratie-zersetzende Agitation ungemindert fortsetzen“.
Richard Graupner (AfD) erwiderte, die Hochstufung sei „ein erheblicher Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien“. Es gehe letztlich „um Begrifflichkeiten und deren Auslegung“. So gebe es gar keine „sogenannte Islamfeindlichkeit“ in der AfD oder Abwertung bestimmter Personen; sondern lediglich „Hinweise“ etwa auf eine Anschlagsgefahr durch Muslime. „Die ganze AfD-Diskussion“, so Graupner, sei „eine staatliche Verschwörungstheorie“.
Die Folgen der Neueinstufung für die staatliche Parteienfinanzierung oder für AfD-Mitglieder im öffentlichen Dienst werden nach Kirchners Worten geprüft. Es werde aber „keinen Automatismus“ geben. Florian Siekmann (Grüne) forderte, dass die AfD in Bayern umgehend in das „Verzeichnis extremistischer oder extremistisch beeinflusster Organisationen“ aufgenommen werden müsse. Die Partei sei schließlich „Dreh- und Angelpunkt“ im gesamten rechtsextremen Umfeld.
In dem Verzeichnis sind hunderte Organisationen aufgeführt, auch Linksextremisten oder Islamisten. Bewerber für den Staatsdienst müssen Angaben machen, ob sie dort Mitglied sind. Falls ja, wird der Zugang aber nicht generell verweigert – es findet eine Einzelfallprüfung statt, ebenso bei einer potenziellen Enthebung aus dem Dienst. Bei Polizei und Justiz gibt es dagegen weitergehende Regelabfragen über Bewerber.