Sport

Aufstieg des FC Schweinfurt in die 3. Liga: Ein Verein löst seine Fesseln – Sport | ABC-Z

Zunächst einmal eine Erinnerung an ein Treffen mit Markus Wolf, eine Bäckerei in der Würzburger Innenstadt, ein Freitagvormittag im Sommer, knapp zwei Jahre ist es jetzt her. Wolf war gut gelaunt, er wirkte fast gelöst, irgendwie befreit, weil sich der FC Schweinfurt 05 vor dem Saisonstart in der Fußball-Regionalliga Bayern nicht mehr auferlegt hatte, um jeden Preis Meister werden zu müssen.

An jenem Tag in der Bäckerei sagte Wolf, die Mannschaft habe in der bevorstehenden Saison „eigentlich überhaupt kein Ziel“. Es war ein Satz, der einen ziemlich tiefen Blick in die Schweinfurter Seele freigab. Man könnte meinen, dass eine gewisse Schwermütigkeit aus ihm sprach, vielleicht sogar Resignation, weil die Nullfünfer ihr großes Ziel in den vorangegangenen Jahren wieder und wieder verfehlt hatten. Doch für Wolf, Schweinfurts Geschäftsführer, schien der Satz eine Erlösung zu sein. Als habe ihm jemand eine tonnenschwere Last abgenommen. Die Mannschaft solle zwar „attraktiven Fußball spielen“ und „erfolgsorientiert“ sein, erklärte Wolf – dem Druck, mit aller Macht in die dritte Liga aufzusteigen, wolle man sich aber nicht mehr aussetzen.

Dazu muss man wissen, dass die Schweinfurter bis zu jenem Tag im Sommer 2023 schon fünf Anläufe genommen hatten, um unter Profibedingungen in den Profifußball zurückzukehren – fünfmal waren sie gescheitert. Sie hatten es mit mehreren Mannschaften versucht, mit zig Trainern und mit unterschiedlichen Konzepten. Nur er, Wolf, war immer dabei. Und so ist Schweinfurt mittlerweile längst auch sein Verein.

Wolf, 56, ist ja nicht nur Geschäftsführer und Präsident des Klubs, sondern auch sein größter Geldgeber. Ohne ihn, diese These ist alles andere als gewagt, wäre Schweinfurt längst zu einem herkömmlichen Klub im gehobenen Amateurfußball verkommen. Doch nun sind die Unterfranken tatsächlich aufgestiegen. In der neuen Saison spielt der FC Schweinfurt 05 in der dritten Liga, jetzt sagt Wolf: „Ich kann es noch gar nicht greifen. Es ist surreal! Ich realisiere das erst, wenn der Spielplan rauskommt. Normalerweise steigst du ja nicht mit Amateuren aus der Region in die dritte Liga auf.“

„Ich kann es noch gar nicht greifen. Es ist surreal“: Geschäftsführer Markus Wolf. (Foto: Frank Scheuring/Imago)

Was Wolf meint: Auch Regionalligisten nehmen mittlerweile gleich mehrere Bündel an großen Scheinen in die Hand und rüsten mindestens im mittelgroßen Stile auf, wenn sie sich den Aufstieg vornehmen. Die Schweinfurter aber haben es gerade jetzt geschafft, da sie den Fuß vom Gaspedal nahmen und auf die Bremse stiegen. Während Vereine wie die SpVgg Bayreuth, der FC Bayern II und die Würzburger Kickers unter professionellen Bedingungen arbeiteten, stellte Wolf nach dem x-ten misslungenen Versuch auf Amateurbetrieb um. Am Ende aber triumphierten die Schweinfurter Feierabendfußballer, die zu mehr als drei Vierteln aus der Gegend stammen und teilweise schon in ihrer Jugend die Kabine geteilt haben.

Die Geschichte, die Wolf jetzt also zu erzählen hat, hat eine romantische Note. Und gerade deshalb ist sie so gut: weil sie im kommerzialisierten Geschäft, das der Fußball geworden ist, aus der Reihe fällt. Weil sie sich nicht den Gesetzen beugt, die in der Branche mittlerweile gelten.

Anfang des Jahrtausends spielten die Schweinfurter zuletzt im Profifußball, gerieten dann aber in finanzielle Turbulenzen. Ab 2002, nach nur einem Jahr in der zweiten Liga, stürzte der Klub nach und nach ab. 2013 war er bloß noch Oberligist, fünftklassig – es war die Schwelle zur Bedeutungslosigkeit.

2018, 2019 und 2021 stieg der Klub im DFB-Pokal auf die bundesweite Bühne, „aber das waren nur einzelne Spiele, nicht unser Alltag“

Auch darum ging es also in den vergangenen Jahren in Schweinfurt: nicht in Vergessenheit zu geraten. Überhaupt noch gesehen zu werden und den Platz im kollektiven Gedächtnis von Fußballdeutschland nicht endgültig zu verlieren. Je länger die Saison in der zweiten Liga zurücklag, desto mehr verblasste die Erinnerung. Schweinfurt, war da nicht mal was?

„Wir müssen aufpassen, dass wir nicht vergessen werden“, sagte Wolf in der Bäckerei, „aber Corona, der Krieg, es wird nicht leichter. Und wenn es nicht leichter wird, müssen wir auch in Schweinfurt kleinere Brötchen backen.“

Es war die Ankündigung, von nun an nicht mehr so viel Geld in die Hand zu nehmen – auch jetzt sagt Wolf ganz offen: „Mein Sohn ist 21. Wir waren vor fast 25 Jahren in der zweiten Liga. Wenn er mich nicht hätte, wüsste er wahrscheinlich gar nicht, was Schweinfurt überhaupt ist.“

Zwar stieg der Klub 2018, 2019 und 2021 auf die bundesweite Bühne, als er in der ersten Runde des DFB-Pokals antrat, „aber das waren nur einzelne Spiele, nicht unser Alltag“, betont Wolf. Im Pokal hatte es Schweinfurt mit Schalke und Eintracht Frankfurt zu tun, doch in aller Regel hießen die Gegner in den vergangenen 20 Jahren eher Schalding und Eintracht Bamberg. Künftig werden dann traditionsreiche Vereine wie der TSV 1860 München, Rot-Weiss Essen und möglicherweise Hansa Rostock ins Sachs-Stadion kommen. Für Schweinfurt werden die Heimspiele Fußballfeste. Schon am vergangenen Freitag, als die Nullfünfer erstmals seit 2013 ein Punktspiel gegen die Würzburger Kickers gewannen und ausgerechnet gegen ihren ärgsten Rivalen den Aufstieg besiegelten, kamen 12 000 Fans.

Die Begeisterung schwappt inzwischen durch die ganze Region – und alles begann damit, dass Markus Wolf auf die Bremse stieg und Sätze formulierte, die im ersten Moment nach Schwermütigkeit und Resignation klangen. Heute weiß man: Sie lösten Fesseln und waren der Schlüssel, um das Tor zum Profifußball zu öffnen.

Back to top button