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Auf den Spuren des philippinischen Schriftstellers José Rizal | ABC-Z

Stand: 14.10.2025 06:39 Uhr

Zwei Romane von José Rizal werden zur Buchmesse in Frankfurt neu veröffentlicht. Auch nahe Heidelberg gedenkt man des Nationalhelden der Philippinen bis heute – denn in Wilhelmsfeld vollendete er sein literarisches Werk.

Von Dominic Konrad, SWR Kultur

Knapp 3.200 Einwohner zählt der baden-württembergische Luftkurort Wilhelmsfeld bei Heidelberg. Doch Filipinos und Filipinas ist die Gemeinde im vorderen Odenwald bestens vertraut. Hier verbrachte der Augenarzt und Schriftsteller José Rizal im Jahr 1886 den Sommer. Und hier verfasste er die letzten Kapitel des Romans, der seinen Nachruhm begründen sollte – und der ihm schließlich zum Verhängnis wurde: “Noli me tangere”.

Als Held der Nation wird Rizal in seiner Heimat bis heute verehrt. Flaggen säumen den Weg zum Denkmal, das zu seinen Ehren in Manila errichtet wurde. Es steht an dem Ort, an dem Rizal am Morgen des 30. Dezember 1896 hingerichtet wurde. Ein Militärgericht hatte den 35-Jährigen der Rebellion, des Aufstands und der Verschwörung gegen die spanischen Kolonialherren für schuldig befunden.  

José Rizal auf einem Archivbild aus dem Jahr 1890.

Die Krankheit seiner Mutter führt Rizal zur Medizin

Geboren wird José Protacio Mercado Rizal 1861 in Calamba, einer Stadt südlich von Manila. Er ist das siebte von elf Kindern einer wohlhabenden Familie, seine Eltern sind Pächter eines Landguts der dominikanischen Lokalverwalter. Katholische Missionare spielten noch im 19. Jahrhundert eine zentrale Rolle in der lokalen Verwaltung der Philippinen, die seit Mitte des 16. Jahrhunderts unter spanischer Kolonialherrschaft standen.  

Wie seine Geschwister schicken die Eltern José Rizal auf die Schule nach Manila, zunächst aufs Jesuitenkolleg, später an die Universität, wo er Literatur, Philosophie und Jura studiert. Die drohende Erblindung seiner Mutter bewegt den jungen Mann schließlich dazu, sein Studienfach zu wechseln. Er schreibt sich an der medizinischen Fakultät ein und spezialisiert sich auf Augenheilkunde. 

Ab 1882 führt Rizal seine Studien in Madrid fort. Hier kommt er verstärkt in Kontakt mit den liberaleren europäischen Reformbewegungen seiner Zeit. Er verkehrt mit anderen philippinischen Studenten, die die Abspaltung von Spanien forderten, und schreibt auch selbst reformistische Artikel für Zeitungen. 

Prägende Monate an der Heidelberger Universität

Ab Frühjahr 1886 studiert Rizal in Heidelberg bei Otto Becker, einem der führenden Augenärzte seiner Zeit. “Ich verbringe meinen halben Tag mit dem Studium des Deutschen und die andere Hälfte mit den Erkrankungen des Auges”, schreibt der damals 25-Jährige in einem Brief an seine Eltern. “Zweimal pro Woche gehe ich in die Bierbrauerei, um mit meinen Kommilitonen Deutsch zu sprechen.”  

Seine Schriften aus dieser Zeit, darunter das Gedicht “An die Blumen von Heidelberg”, zeugen von der Sehnsucht nach der fernen Heimat. Bei seinen Spaziergängen durch die Studentenstadt macht Rizal auch die Bekanntschaft des evangelischen Pfarrers Karl Ullmer. Er lädt Rizal ein, bei seiner Familie in Wilhelmsfeld die Sommermonate zu verbringen und dort zu schreiben. 

Rizals Roman attackiert die spanischen Machthaber

In “Noli me tangere”, dem Roman, den er im Wilhelmsfelder Pfarrhaus vollendet, erzählt Rizal die Geschichte eines jungen Filipinos, der nach seinem Studium aus Europa in die Heimat zurückkehrt, um den Tod seines Vaters zu rächen: Dieser starb im Gefängnis, nachdem ein Pfarrer ihn zu Unrecht beschuldigt hatte, ein “Filibustero”, ein Umstürzler, zu sein. 

Den Roman lässt Rizal 1887 in Berlin auf Spanisch veröffentlichen. Er ist nicht nur autobiografisch geprägt, sondern kritisiert offen Korruption und Amtsmissbrauch der spanischen Machthaber. In einigen Regionen der Philippinen wird “Noli me tangere” verboten, dennoch verbreitet sich das Buch unter der Bevölkerung. 

Mit “Die Rebellion” – im Original “El Filibusterismo” – veröffentlicht Rizal 1891 eine Fortsetzung. Seine politischen Essays machen ihn schließlich endgültig zur geistigen Lichtgestalt der Unabhängigkeitsbewegung.   

Die Revolution bricht los

Nach unsteten Jahren in Europa und Hongkong kehrt Rizal 1892 wieder auf die Philippinen zurück und engagiert sich in der Bürgerbewegung. Durch seine Romane zum prominenten Wortführer geworden, wird er vom Gouverneur von Manila ins Exil geschickt: In der nordphilippinischen Stadt Dapitan gründet er unter anderem eine Schule und ein Krankenhaus. Hier unterrichtet und praktiziert er auch selbst. 

Unterdessen nimmt die philippinische Unabhängigkeitsbewegung auf der Hauptinsel Luzon an Fahrt auf. Kurz nach Rizals Deportation formiert sich in Manila die Katipunan-Bewegung – eine Reformbewegung, die sich zunehmend radikalisiert und zu Waffen greift. 

Als das politische Klima immer unsicherer wird, beantragt Rizal im Sommer 1896 die Versetzung als Militärarzt nach Kuba. Dann initiiert die Katipunan-Bewegung während seiner Überfahrt die Philippinische Revolution. Als Rädelsführer der Bewegung wird Rizal in Barcelona festgesetzt und zurück nach Manila gebracht, um dort dem Kriegsgericht vorgeführt zu werden.  

Als Rebell ermordet, als Nationalheld verehrt

Auch wenn er den bewaffneten Widerstand zeitlebens abgelehnt hatte, macht seine Hinrichtung am 30. Dezember 1896 Rizal zum Gesicht der Philippinischen Revolution. Sie endet 1898 mit der Unabhängigkeit von Spanien und einem neuen Kolonialherren: den USA. Die vollkommene Unabhängigkeit erlangt der Inselstaat erst 1946. 

Trotzdem bleibt das Andenken an Rizal fester Bestandteil der philippinischen Identität. Seine Romane sind bis heute Pflichtlektüre an den Schulen und Universitäten des Landes. Beide sind nun vor der Frankfurter Buchmesse auf Deutsch neu aufgelegt worden. 

Auch im baden-württembergischen Wilhelmsfeld ist Rizal unvergessen: Eine Bronzestatue und der sie umgebende Rizal-Park erinnern bis heute an den bedeutenden Sommergast. 

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