Auch Italien will aufrüsten: Salvini entdeckt den Pazifisten in sich, Meloni wackelt | ABC-Z

Der Lega-Chef und Vizepremier Salvini lässt keine Gelegenheit aus, im Rampenlicht zu stehen. Gerade kontert er gegen den EU-Verteidigungsplan, den auch Meloni unterschrieben hat. Diese schweigt – aber wie lange funktioniert das?
Berichten zufolge hat der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto den Stabschef der italienischen Armee mit einem Plan beauftragt, der das nationale Militärwesen wieder auf die Beine bringt. Dabei geht es unter anderem um die Ausbildung von weiteren 30.000 bis 40.000 Soldaten. Im Notfall würde Italien dann insgesamt über 135.000 Mann verfügen. Noch vor ein paar Monaten war die Rede davon, Reservisten auszubilden. Jetzt geht es um im Dienst stehende Soldaten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach vor einigen Tagen von den „gefährlichen Zeiten“ in denen wir gerade lebten. Damit begründete sie auch den in der vergangenen Woche bei einem EU-Sondergipfel beschlossenen „ReArm Europe“-Plan, für den ein Etat von 800 Milliarden Euro vorgesehen ist.
Gefährliche Zeiten führen auch in Italien traditionell in der Außenpolitik zu einer gewissen überparteilichen Geschlossenheit. Gefragt wäre staatspolitische Verantwortung, die aber nicht einmal innerhalb der italienischen Regierung gegeben ist.
In Rom fliegen die Fetzen
Denn Uneinigkeiten gibt es nicht nur zwischen Regierungskoalition und Opposition, sondern zwischen den Koalitionspartnern von Premierministerin Giorgia Melonis rechtsgerichteter Regierung.
Matteo Salvini, Chef der nationalpopulistischen Lega sowie Infrastrukturminister und stellvertretender Premier, hat den Pazifismus für sich entdeckt und versucht, wie einst mit Rosenkranz und Heiligenbildern, politisches Kapital daraus zu schlagen.
„Die Welt geht in Richtung Frieden, Selenskyj will den Frieden, Putin will den Frieden, Trump will den Frieden. Macron und jemand anderes in Europa sprechen von Krieg“, sagte er am Wochenende bei einer Kundgebung in Mailand. „Es wird über gemeinsame Schulden geredet, um Panzer zu kaufen, das ist doch verrückt.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen waren Salvini schon immer ein Dorn im Auge.
Salvini für Starlink-Abkommen
Für Donald Trump forderte Salvini schon vor einiger Zeit den Friedensnobelpreis, sollte es dem US-Präsidenten gelingen, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Und auch Elon Musk zollt er Respekt. Was dessen Satellitensystem betrifft, so sagte er in Mailand: „Meiner Ansicht nach wäre es im Interesse Italiens, morgen früh ein Abkommen mit Starlink zu unterschreiben. (…) Nicht, weil er mir sympathisch ist, oder weil ich auf Trumps Seite stehe, sondern weil es der Verbesserung der nationalen Sicherheit dienen würde.“
Dass Musk eines Tages auch Italien damit drohen könnte, sein Satellitensystem abzuschalten, wie er es gerade mit der Ukraine macht, scheint Salvini nicht zu beunruhigen. Bei einem Thema zeigte er sich aber dann doch uneins mit Musk, und zwar was den Ausstieg der USA aus der Nato betrifft. Bei dieser Forderung liege er falsch, sagte er Musk, „denn die Nato garantiert den Frieden. Ich habe weder Lust noch die Absicht, mich den Franzosen anzuvertrauen.“ Übersetzt heißt das: Salvini lehnt den von Frankreich in die Debatte gebrachten europäischen Atomschutzschirm ab.
Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti, Mitglied der Lega, begründet seinen Widerstand gegen das Vorhaben der EU damit, dass „der Plan unüberlegt und zu schnell verfasst“ worden sei. Italien werde einen Plan vorlegen, der vor allem auf private Investitionen setze.
Tajani versucht Paroli zu bieten
Salvinis Aktivismus stellt Antonio Tajanis Geduld schon seit Längerem auf die Probe. Tajani ist Außenminister und Vizepremier sowie Vorsitzender von Forza Italia, der dritten und kleinsten Partei in Melonis Bündnis. Seinen Koalitionspartner ließ er vor laufenden Kameras wissen: „Die Außenpolitik wird von mir und Premierministerin Meloni bestimmt.“
Tajani gehört in Italien zu den eher wenigen Unterstützern von „ReArm Europe“. Er steht dazu, nicht zuletzt, weil er darin einen ersten Schritt in Richtung einer gemeinsamen europäischen Verteidigung sieht. In einem am Montag veröffentlichten Interview mit der Tageszeitung „Corriere della Sera“ sagte er: „Wir stehen vor großen Veränderungen und es sind die Voraussetzungen gegeben, eine europäische Verteidigung auf die Beine zu stellen.“ Macron sei auch kein Verrückter, er habe eben seine Ideen, die in diesem Fall nicht mit denen Italiens übereinstimmten.
Meloni schweigt und wackelt
Und Meloni? Die schweigt sich aus und wackelt zwischen Trump und Brüssel. Sie versucht, eine gute Beziehung zu den USA zu pflegen und gleichzeitig eine konstruktive Rolle in der EU zu spielen. Daher kam schon ihr Widerwille, Ende Februar am Krisengipfel in Paris teilzunehmen, den Macron einberufen hatte. Offiziell verwies sie darauf, dass Macron nicht alle anderen 26 EU-Mitgliedstaaten eingeladen hatte. Ein weiterer Grund könnte gewesen sein, Trump keinen Anlass zu Misstrauen zu geben. Und um etwaige Verdachtsmomente endgültig zu beseitigen, plant Meloni, gegen Ende März dem US-Präsidenten eine Visite abzustatten.
Was „ReArm Europe“ betrifft, hat auch Meloni diesem Plan zugestimmt, gleichzeitig aber Kritik geübt. Angefangen beim Namen: „Die Verteidigung Europas geht weit über die Wiederbewaffnung hinaus, weswegen ich diesen Begriff nicht teile“, hob sie hervor. Außerdem werde Italien die Gelder des Kohäsionsfonds nicht für die Verteidigung einsetzen, obwohl der Plan es erlauben würde.
Dass die italienischen Mitte-Links-Parteien der Opposition sich für ein Bollwerk des Friedens halten, liegt in ihrer Natur. Wobei sich auch in diesem Lager die Geister scheiden. So unterstützt der ehemalige EU-Kommissionspräsident und italienische Ex-Premier Romano Prodi den „ReArm Europe“-Plan, während die Vorsitzende der Demokratischen Partei, Elly Schlein, dagegen ist. Der schärfste Widerstand kommt aber aus den eigenen Reihen – es ist Salvini. Mittlerweile fragt man sich, wie lange sie sich das gefallen lassen wird. Salvini kann ihr zwar nicht gefährlich werden, nervenaufreibend sind seine täglichen Sticheleien und manchmal auch Provokationen aber schon.