Atomico-Studie: Investitionen in europäische Start-ups sinken weiter – aber die Trendwende ist in Sicht | ABC-Z
Schlechte Wirtschaftslage, immer noch recht hohe Zinsen, kaum Börsengänge – Investitionen in Start-ups sind bei vielen professionelle Investoren derzeit nicht angesagt. Darunter leiden Gründer, die Geld brauchen.
Die Summe an Risikokapital, die Investoren in Deutsche Start-ups stecken, sinkt weiter. Sie dürften dieses Jahr rund 6,7 Milliarden Dollar Wagniskapital einsammeln (gut 6,3 Milliarden Euro), schätzt der Londoner Risikokapitalgeber Atomico in seinem neuen Bericht zur Lage der Gründerbranche in Europa. Das wären noch weniger als die 7,1 Milliarden Dollar 2023, das bereits als schwieriges Jahr galt.
Das liegt allerdings nicht allein an der schlechten Stimmung in Deutschland. Europaweit dürften Tech-Firmen schlechter abschneiden als im Vorjahr, erwartet Atomico. Demnach dürften die jungen wachstumsorientierten Firmen auf dem Kontinent 2024 rund 45 Milliarden Dollar von Investoren einwerben – etwas weniger als im Vorjahr (47 Milliarden Dollar). Im Rekordjahr 2021, also vor der Wende hin zu höheren Zinsen, waren es sogar 101 Milliarden Dollar.
Wagniskapital, mit dem sich oft spezialisierte Fonds an Start-ups beteiligen, gilt als Schlüssel für das Wachstum junger Firmen. Der Rückgang liegt auch daran, dass die Fonds die Start-ups schlecht zu Geld machen können: 2024 gab es nur elf Börsengänge solcher Unternehmen in Europa – ein Zehn-Jahres-Tief. Allerdings sieht Atomico inzwischen 100 aussichtsreiche Börsenkandidaten. Daher rechnen die Studienautoren für 2025 wieder mit steigenden Finanzierungssummen.
Auf lange Sicht zieht Atomico ohnehin ein positives Fazit zur Gründerbranche in Deutschland und Europa. „Der Kontinent hat in den vergangenen zehn Jahren enorme Fortschritte gemacht“, sagt Co-Autor Tom Wehmeier. Atomico veröffentlicht jährlich eine große Zusammenstellung von Statistiken zur Lage der Branche in Europa.
Damit will Atomico Aufmerksamkeit für die europäische Tech-Szene erzeugen. Kopf hinter der Investorenfirma ist der Skype-Gründer Niklas Zennström. Atomico hat im Sommer zwei neue Fonds mit einer Gesamtsumme von 1,24 Milliarden Dollar aufgelegt.
Seit 2015 hätten deutsche Tech-Firmen 74 Milliarden Dollar eingesammelt, heißt es in der Studie. In den zehn Jahren von 2005 bis 2014 waren es demnach zusammen nur 8,1 Milliarden Dollar. Berlin etwa habe zu den weltweit führenden Start-up-Metropolen aufgeschlossen. Auch hier beobachtet Atomico eine Verzehnfachung der Gelder im langfristigen Vergleich.
Bei Gründungen und Finanzierungen in der frühen Wachstumsphase stehe Europa gut da, schreibt Atomico. Berlin zähle hier zu den global stärksten Adressen. Auch beim Zukunftsthema Künstliche Intelligenz (KI) schneide Deutschland recht gut ab: Hiesige KI-Startups warben demnach 2024 rund 1,4 Milliarden Dollar ein – Platz fünf weltweit.
In der späteren Wachstumsphase von Start-ups bleibe in Europa aber im Rückstand zu den USA. So sei die Wahrscheinlichkeit, Finanzierungen jenseits von 15 Millionen Dollar zu erhalten, für amerikanische Start-ups doppelt so hoch wie für europäische. Denn in Europa investierten Pensionsfonds kaum in Wagniskapital – anders als in den USA. Prominente Beispiele für ausbleibende Wachstumsfinanzierungen waren, wenn auch etwas untypisch, zuletzt die Flugtaxihersteller wie Lilium.
Deutsche Gründer leiden schon länger unter den gestiegenen Zinsen, 2023 brachen die Finanzierungen für Start-ups ein. Zuletzt sahen die Beratungsgesellschaft EY und die Förderbank KfW eine Erholung. Mit sinkenden Leitzinsen habe sich das Umfeld verbessert.
dpa/cuk