Atomanlagen im Iran: Strahlungsgefahr? „Man darf sich keine radioaktive Wolke vorstellen“ |ABC-Z

Nach den Angriffen auf die iranischen Atomanlagen stellt sich die Frage nach einer möglichen Strahlungsgefahr. Unweigerlich kommen Vergleiche zu Tschernobyl und Fukushima auf. Und wie groß ist die Gefahr einer improvisierten Atombombe?
Nach den US-Angriffen im Iran geht nach Einschätzung eines namhaften Nuklearforschers von den beschädigten Anlagen keine Gefahr für die Welt aus. „Selbst wenn die Zentrifugen zum Zeitpunkt des Angriffs gelaufen sind und mit Uran bestückt waren: Das wäre eine geringe Menge gewesen, und Uran ist bedingt durch seine lange Halbwertzeit fast nicht radioaktiv“, sagte Georg Steinhauser, Professor an der technischen Universität Wien.
In Bezug auf die Anlage in Fordo sagte Steinhauser: „Eine Freisetzung von Uran aus dieser Anlage wäre eine lokale Belastung mit dem Schwermetall Uran, aber man darf sich nicht vorstellen, dass da eine radioaktive Wolke wie seinerzeit in Tschernobyl oder Fukushima verursacht werden kann, die um den Planeten zieht.“
Im ehemaligen ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl kam es 1986 bei einem Unfall zu einer Kernschmelze. Es wurden große Mengen an Radioaktivität freigesetzt, die bis nach Westeuropa zogen. Im japanischen Atomkraftwerk Fukushima gab es 2011 nach einem schweren Erdbeben und Tsunami ebenfalls eine Kernschmelze. Auch dort wurden radioaktive Stoffe freigesetzt und verbreiteten sich global.
Die Internationale Atomenergieagentur IAEA, die die iranischen Atomanlagen überwachte, hat keine erhöhte Radioaktivität festgestellt, wie sie mitteilte.
Das iranische Atomprogramm dürfte in Trümmern liegen, sagte Steinhauser. „Da nicht nur die Anreicherungsanlagen, sondern auch die Zentrifugenfabriken angegriffen worden sind, wäre es eine Frage von Jahren oder womöglich Jahrzehnten, um das iranische Atomprogramm wieder aufzubauen.“
Der Iran besitzt laut IAEA gut 400 Kilogramm auf 60 Prozent angereichertes Uran. Dies zu finden sei wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. „So eine Menge passt in ein paar Schuhkartons, sofern das Uran in seine metallische Form umgewandelt wurde“, sagte Steinhauser.
Die „New York Times“ berichtet unter Bezug auf zwei mit Geheimdienstinformationen vertraute israelische Beamte von Hinweisen, wonach der Iran in den Tagen vor dem Angriff Geräte und vor allem Uran aus seiner wichtigsten Anlage in Fordo evakuiert hat. Laut Spezialisten des Londoner Open Source Centre zeigten Satellitenbildern, die kurz vor dem US-Angriff aufgenommen wurden, 16 Lastwagen vor einem Eingang der Atomanlage.
Theoretisch sei nicht ausgeschlossen, dass der Iran versucht, mit dem Material eine improvisierte Atombombe zu bauen. „Die wäre aber wahrscheinlich ungleich größer und schwerer zu transportieren, und das wäre für die iranischen Raketensysteme zu klobig. Die Trägersysteme sind darauf nicht ausgerichtet.“
60 Prozent angereichertes Uran sei eine schlechte Qualität, sagte Steinhauser. Noch nie habe jemand versucht, damit eine Bombe zu bauen.
Sämtliche iranischen Pläne dürften für qualitativ hochwertiges Material ausgelegt gewesen sein. „Das wäre so, als wenn man einen Rennwagen entwickelt und die Planung mit einem Formel-1-Motor rechnet, aber dann plötzlich doch nur noch den Motor eines Traktors zur Verfügung hat“, sagte Steinhauser.
Um unter diesen Umständen eine Bombe zu bauen, bräuchte es sehr kreative Köpfe, sagte Steinhauser. „Aber mehrere Atomwissenschaftler hat Israel ja getötet. Da reicht es nicht, dass die vielleicht ihr Wissen aufgeschrieben haben.“
rc mit dpa