Bezirke

Ateliertage Berg-Icking: Wunderbar schräge Kunst – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

Da ist dieser Esel. Isabelle Roth und ihr Ehemann Georg Schwellensattl blättern im neuesten Katalog, um das Bild zu zeigen, von dem sie sprechen. Beide schmunzeln. Er sagt: „Typisch Isabelle.“ Sie lächelt. Das Gemälde zeigt eine Frau, die neben einem Esel steht und ihm den Arm über den Hals gelegt hat. Zartblauer Hintergrund. Der Esel trägt eine Korb-Satteltasche voller Zitronen. Und was ist nun an diesem Esel so typisch für die Künstlerin Isabelle Roth? „Er ist schräg“, sagt Georg Schwellensattl. Und es bleibt offen, ob er schräg im wörtlichen oder übertragenen Sinn meint. Seine Frau jedenfalls sagt prompt: Ja, der Georg, der könne halt zeichnen, sie nicht.

Natürlich stimmt das so nicht. Und dennoch macht es einen Unterschied dieser beiden Künstler-Persönlichkeiten deutlich, die an den kommenden zwei Wochenenden als Gäste an den Ateliertagen Berg-Icking teilnehmen.

Schwellensattls Metier ist der Holzschnitt. Den beherrscht er nicht nur in freier Gestaltung mit großer Geste auf Baumscheiben, abstrakt und mit oft nur angedeutet figurativen Elementen, Blättern, Ästen. Er kann auch äußerst akkurat und anatomisch korrekt zeichnen, wie seine Serie von Glückwunschkarten mit astrologischen Sternzeichen beweist. Stier, Steinbock, Widder, Krebs oder Skorpion sind einwandfrei als solche zu erkennen. Er schneidet sie in kleine Birken-Druckstöcke. Die Karten sind in München bei Carta pura zu haben.

Georg Schwellensattls Metier ist der Holzschnitt. In seinem Geltinger Atelier legt er ein paar seiner Arbeiten aus. (Foto: Manfred Neubauer)

Seiner Frau geht es in ihren Bildern nicht um Genauigkeit; fast möchte man sagen, im Gegenteil. Denn die Frauen, die sie darstellt, sind schlanke, grazile Figuren – mit einer auffallenden körperlichen Besonderheit: Sie haben ungewöhnlich starke Beine, große Füße und Hände. Zarte Wesen mit stabiler Erdung. „Schräg“ ist diese Kunst tatsächlich, im Sinne von eigenwillig, unkonventionell, überraschend anders.

Isabelle Roth malt außer Stillleben nur Frauen. Nie Männer. „Ich male auch für Frauen“, sagt sie. Ihr Mann stutzt ein wenig. Sie sagt: „Das muss er doch wissen.“ Meist ist eine Frau im Bild, gelegentlich sind es zwei, die einander aber so ähneln, dass es womöglich zwei Aspekte ein und derselben Frau sind.  Und ja, sie erinnern alle an ihre Schöpferin. Isabelle Roth stimmt zu, betont aber, dass sie keineswegs Selbstporträts im Sinn habe.

Isabelle Roth: Ohne Titel, 120 x 400 Zentimeter. Bilder von dieser Größe zeigt die Künstlerin gelegentlich in einer Münchner Backstube.
Isabelle Roth: Ohne Titel, 120 x 400 Zentimeter. Bilder von dieser Größe zeigt die Künstlerin gelegentlich in einer Münchner Backstube. (Foto: Manfred Neubauer)

Es geht ihr, wie man sieht und wie sie sagt, um kleine Erzählungen. Eine Frau spielt Gitarre, eine andere sitzt im Ruderboot, an dem eine Eule in weichem Flug vorbeizieht; eine schwingt einen Lampion, eine andere schlägt eine Trommel, und eine Ziege folgt ihr auf dem Fuß. Ziege und Eule, Instrumente und mediterrane Früchte – all dies sind wiederkehrende Elemente in Roths Kompositionen. Die Künstlerin malt diese narrativen, lyrischen Bilder nicht, sie spachtelt. Zunächst grundiert sie die Leinwand mit Acrylfarbe, zeichnet darauf mit Kohle die Konturen ihrer Motive und gestaltet dann die Farbflächen in Öl mit unterschiedlich großen Spachteln. Man ahnt das kaum, wenn man die Bilder betrachtet. Aber auch dies macht einen individuellen Reiz aus.

Isabelle Roth stammt aus der Schweiz, hat sich in Tanz ausbilden lassen, auch ein wenig in Clownerie, und schließlich an der Kunstakademie in München studiert. Begonnen hat sie dort – man glaubt es nicht, wenn man ihre heutigen schwebenden Gemälde sieht – mit Bildhauerei. An diese Versuche, die sie bald zugunsten ihres eigentlichen Talents aufgegeben hat, erinnert am Wohn- und Atelierhaus des Künstlerpaars Roth-Schwellensattl in Gelting ein dunkler Betonguss in Gestalt einer eher geschlechtslosen Figur. Dass dies nur noch wenig Bedeutung für sie hat, zeigt der Standort: Die Plastik ist abgestellt im Freien, fast verborgen hinter einem Fahrrad.

Georg Schwellensattl zeigt kleinere Holzschnitte und einige seiner Monotypien.
Georg Schwellensattl zeigt kleinere Holzschnitte und einige seiner Monotypien. (Foto: Manfred Neubauer)

Man kann nur hoffen, dass im Atelier von Sebastian Heinsdorff in Icking, wo Isabelle Roth und Georg Schwellensattl während der Ateliertage zu Gast sind, genügend Platz für die beiden ist. Denn Roths Frauen-Bilder sind alle fast lebensgroß und brauchen Raum.

Ihr Mann hat sich bereits entschieden, kleinere Holzschnitte zu zeigen und einige seiner Monotypien. Bei dieser Technik wird ein Blatt Papier auf eine eingefärbte Glasplatte gelegt – und der Künstler zeichnet auf die Rückseite des Papiers. Dabei sieht er nicht, was entsteht. Die Linie erscheint erst später: seitenverkehrt, überraschend, oft unvorhersehbar. Gerade dieses Nicht-Sehen eröffnet ihm eine besondere gestalterische Freiheit – einen Raum für das Ungeplante, das Unkontrollierte.

Ateliertage Nr. 39 in Berg und Icking: „Geht’s noch?!“, an den Wochenenden 11. und 12., sowie  18. und 19. Oktober, jeweils am Samstag von 14 bis 19 Uhr und am Sonntag von 12 bis 19 Uhr. In diesem Jahr pausieren die Ateliers in Wolfratshausen; geöffnet sind die Ateliers von Dazze Kammerl, Ernst Grünwald, Lucie Plaschka, Gabriel Baumüller, Juschi Banaski, Roman Woerndl, Hans Panschar, Andreas Huber und Cornelia Hesse mit diesen Gästen: Anna Maria Bellmann, Matthias Schilling, Elisabeth und Fritz Güllich, Jozef Melichercik, Berends-Wöhrl, Sabine Kirchhoff sowie Isabelle Roth und Georg Schwellensattl.

Back to top button