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Ärzte-Streiks in Bayern: „Uns geht es nicht nur ums Geld“ – Bayern | ABC-Z

Ihre Hochzeit haben Konstantin Zwirlein und seine Frau am Telefon geplant. Sie sind beide Ärzte. In den Monaten vor der Trauung arbeitete sie im Frühdienst. Er war in der Facharzt-Weiterbildung auf der Intensivstation und hatte fast nur Spät- oder Nachtschichten. „Gesehen haben wir uns quasi gar nicht“, erzählt Zwirlein. Inzwischen arbeitet er als Facharzt für Innere Medizin in der Notaufnahme am Klinikum Nürnberg. Nachtschichten gehören auch hier zu seinem Alltag, natürlich. Für einen Arzt in der Notaufnahme ist das quasi Teil der Jobbeschreibung. Er würde sich aber mehr Ausgleichstage wünschen.

An diesem Morgen erst kam er nach fünf Nachtschichten in Folge ziemlich kaputt nach Hause. Der Tag selbst gilt dann als frei, obwohl er bis sechs Uhr morgens Dienst hatte. Arbeitsrechtlich sei das vielleicht in Ordnung. Aber wie viel hat man von einem freien Tag, wenn man sich die Nächte zuvor um die Ohren geschlagen hat, fragt er.

An anderen Tagen steht er bis halb neun abends in der Notaufnahme. Das gilt dann als ganz normale Arbeitszeit, für die es nicht mal Zuschläge gibt. Andere Menschen sitzen da aber schon mit Freunden in der Kneipe oder mit der Familie beim Abendbrot. „Solche Arbeitszeiten können sich andere Akademiker oft gar nicht vorstellen“, sagt Zwirlein. Nachtarbeit mache nachweislich krank. Auch Geld würde solche Arbeitszeiten nur teilweise kompensieren. Was er sich viel mehr wünschen würde, wäre Zeit: Auf Nachtarbeit sollte zum Beispiel eine bezahlte Ausgleichszeit folgen.

Schwerpunkt der Streiks in Bayern

Das Schichtsystem gehört reformiert, das finden sie auch bei der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Die Gewerkschaft hat eine Änderung im Schichtdienstes zur zentralen Forderung in den seit September laufenden Tarifverhandlungen mit den kommunalen Kliniken gemacht. Aus Sicht der Ärzte waren die Verhandlungen zuletzt festgefahren, weshalb die Gewerkschaft die Ärzte an kommunalen Kliniken für diesen Mittwoch zu dreitägigen bundesweiten Streiks aufgerufen hat. Ein Schwerpunkt der Proteste dürfte in Bayern liegen, wo ein Drittel der 540 kommunalen Kliniken in Deutschland stehen. Bis zu 20 000 Ärztinnen und Ärzten im Freistaat könnten sich dem Ausstand anschließen, schätzt der Marburger Bund.

Mehrere Kliniken haben bereits vor Einschränkungen der medizinischen Versorgung in den kommenden Tagen gewarnt. Absehbar sei, dass im Streikfall geplante Operationen verschoben werden müssten, hieß es etwa aus dem Klinikum Nürnberg. Dort ist für Mittwoch eine Kundgebung der streikenden Ärzte vor der Klinik geplant. Am Freitag soll es einen großen Protestmarsch in München geben.

In den Verhandlungen hatten die Ärzte neben einem neuen Schichtsystem 8,5 Prozent mehr Geld bezogen auf ein Jahr gefordert. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) hatte ein Gehaltsplus von 5,5 Prozent angeboten. Die Erhöhung käme aber in mehreren Schritten, ein Teil erst Ende 2026. Gleichzeitig erklärten sich die Arbeitgeber bereit, die Nachtschicht-Zuschläge deutlich zu erhöhen. Der Gewerkschaft aber reicht das nicht.

Der Nachtdienst sei zuletzt so schlecht vergütet worden, dass eine prozentuale Steigerung der Zuschläge für die Ärzte nur wenige Euro bedeute, erklärt Internist Zwirlein. Als Facharzt erhält er nachts 6,97 pro Stunde Zuschlag. Die Erhöhung der Zuschläge sei überfällig, sagt auch der Geschäftsführer des Marburger Bundes Bayern, Klaus-Martin Bauer. „Aber uns geht es nicht nur ums Geld“, sagt er. „Wir wollen eine strukturelle Veränderung des Schichtdienstes.“ Vorstellbar wäre, dass zusätzliche Belastung auch mit zusätzlichen Freischichten kompensiert würden. Die Arbeitgeber aber hätten sich auf diese Diskussion nicht eingelassen.

Generationenkonflikt: Ältere Ärzte kannten noch die 72-Stunden-Dienste

Das sieht man auf Arbeitgeberseite naturgemäß etwas anders. Man habe zu jeder Forderung des Marburger Bundes ein Angebot gemacht, heißt es vom VKA, auch für die Nachtschichten, die deutlich besser vergütet werden sollten. Der Marburger Bund habe aber auf seinen Maximalforderungen beharrt.

Die Kliniken stünden derzeit unter massivem wirtschaftlichem Druck. Eine maßvolle Forderung wäre deshalb angebracht, findet der Geschäftsführer der Starnberg Kliniken, Thomas Weiler, der auf VKA-Seite an den Verhandlungen beteiligt ist. Davon aber sei die Gewerkschaft noch ein Stück weit entfernt. Er selbst sei 62 Jahre alt und damit Teil der Ärzte-Generation, die noch 72-Stunden Dienste in den Kliniken geschoben habe. Was die heutige Ärzte-Generation an Work-Live-Balance fordere, sei zu seiner Zeit undenkbar gewesen. Es sei gut, dass sich hier etwas geändert habe. Andererseits würden die Deutschen immer älter. In Zukunft müssten daher eher mehr Patienten in den Kliniken behandelt werden. „Da brauchen wir Ärzte, die arbeiten“, sagt Weiler.

Am frühen Montagabend fanden noch Gespräche zwischen den Tarifparteien statt. Eine Einigung in letzter Minute galt nach Einschätzung der Parteien als denkbar.

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