Art Basel and UBS Survey of Global Collecting 2024 | ABC-Z
Die schlechte Nachricht schickt Kulturökonomin Clare McAndrew gleich vorweg: 2023 ist das Umsatzvolumen des globalen Kunsthandels um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr geschrumpft, auf 65 Milliarden Dollar. So ist es im ersten Kapitel der knapp 200 Seiten starken Studie über das Kaufverhalten finanzstarker Sammler zu lesen, die McAndrew und ihre Firma Art Analytics seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit dem Messeunternehmen Art Basel und der Schweizer Großbank UBS erstellen. Die aktuelle Ausgabe soll klären: Welche Verschiebungen sind für den Rückgang verantwortlich? Und wohin bewegt sich der Markt?
Vom Kopf wieder auf die Füße gestellt
Befragt zu ihrem Kaufverhalten 2023 und der ersten Jahreshälfte von 2024 wurden 3660 Kunst sammelnde „high-net-worth individuals“ – also Menschen, die mindestens eine Million Dollar zur Hand haben. Knapp 40 Prozent der Auskunftgebenden aus vierzehn Ländern und Regionen verfügen sogar über mehr als zehn Millionen, sechs Prozent über mehr als 50 Millionen. Geld für Kunst als Genuss oder Anlageform, könnte man meinen, spielte in solchen Vermögensregionen keine Rolle mehr. Doch geopolitische Spannungen und höhere Zinssätze sorgten nicht nur für weniger Impulskäufe, sondern schmälerten die Investitionsfreude speziell im Spitzensegment des Marktes.
Kunstwerke, die teurer als zehn Millionen Dollar sind, hatten es 2023 deutlich schwerer als im postpandemischen Boom zuvor, Käufer zu finden. Dazu passt, dass der Erhebung zufolge die durchschnittlichen Ausgaben der Kunstsammler im vorigen Jahr gegenüber 2022 um 32 Prozent gesunken sind, der Medianwert dagegen einigermaßen gleich blieb: Während die Luft oben dünner wird, gewinnen darunter gelegene Bereiche an Stabilität. Auf Händlerseite in einem stark von Emotionen und Psychologie mitbestimmten Geschäft könnte das für Optimismus sorgen, den die befragten Sammler selbst mitteilten: 91 Prozent blickten mit positiven Erwartungen auf die Entwicklung des Kunstmarkts in den kommenden sechs Monaten, was eine deutliche Verbesserung gegenüber 77 Prozent Ende 2023 ist.
Bestens gelaunt können Händler in China sein: dem Land, das am längsten von Covid-Restriktionen betroffenen war und dessen Wirtschaftswachstum stockt. Doch die 300 befragten Sammler – darunter „ultra-high-net-worth individuals“ – aus der Volksrepublik, in der Vermögen extrem ungleich verteilt sind, gaben gegenüber Teilnehmern aus anderen Ländern den höchsten Medianwert für Kunst und Antiquitäten aus, wovon vor allem ihr Heimatmarkt profitierte.
Was die globale Akkumulation von Vermögen betrifft, liegen die Vereinigten Staaten mit einem Anteil von 38 Prozent aller Millionäre weltweit immer noch an erster Stelle, gefolgt von China mit zwölf Prozent. In Großbritannien, Frankreich, Japan und Deutschland leben zusammengenommen weitere 20 Prozent aller Millionäre. Deren Anzahl wird nach Schätzungen der UBS in den nächsten fünf Jahren um 15 Prozent größer werden, mit erwarteten Zuwächsen in Asien jenseits Chinas besonders in Taiwan, Japan, Südkorea und Indonesien.
Vermögenstransfer im großen Stil
Dort sind die Wohlhabenden folglich jünger als im Westen, wo ein bedeutender Faktor der Transfer von Vermögen und Sammlungen durch Vererbung spielen wird – und spielt. Vermögenswerte in der Höhe von 84 Trillionen Dollar sollen in den nächsten beiden Jahrzehnten in andere Hände übergehen. Schon jetzt geben 91 Prozent der von McAndrew Befragten an, Kunstwerke geerbt oder von Vorfahren geschenkt bekommen zu haben. Entgegen der allgemeinen Beobachtung eines Geschmackswandels zeigt sich das Beharrungsvermögen des Überkommenen: 72 Prozent der Sammler haben zumindest einige ererbte Werke in ihrer Kollektion behalten; weniger als ein Drittel der Generation Z und der Millennials sortierte Ererbtes aus, weil es nicht den eigenen Vorstellungen entsprach.
Diese Jungen zeigen allerdings auch neue Zurückhaltung beim Kauf. Nicht mehr Millennials, sondern Angehörige der Generation X gaben 2023 und 2024 im Durchschnitt am meisten für Kunst aus. Dass Werke von Künstlerinnen immer beliebter werden, könnte mit dem generationell „horizontalen“ Vermögenstransfer beim Tod von Ehemännern auf ihre Frauen zu tun haben, entspricht aber auch dem allgemeinen Trend hin zu bisher womöglich unterbewerteten Kunstschaffenden.
Überhaupt bleibt das Neue gefragt: Sei es, dass Sammler in neuen Galerien kaufen (88 Prozent) oder Arbeiten aufstrebender Künstler erwerben (52 Prozent). Alle zur Verfügung stehenden digitalen und analogen Wege zur Kunst werden beschritten, wobei Händler vor Auktionshäusern liegen und Messekäufe wieder zulegen konnten. Digitale Kunst ist nach dem NFT-Hype und trotz KI-Schöpfungen wieder ein Randgeschäft. Wenn es eine sichere Wette auf die Zukunft gibt, dann wohl die auf anhaltende Begeisterung für Malerei: Sie bleibt die meistverkaufte Kunstgattung.