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Arsenal in der Champions League: Die Krönung einer langen Entwicklung – Sport | ABC-Z

Vielleicht hätte Dani Carvajal bei seinen Psychospielchen mit Bukayo Saka diesmal mehr erwirkt, wenn er zu ihm überraschend freundlich gewesen wäre. Er hätte ihn zum Beispiel nach dessen verschossenem Elfmeter in der Anfangsphase aufmuntern können. Stattdessen packte der plötzlich am Spielfeldrand auftauchende Verteidiger von Real Madrid den Stürmer des FC Arsenal im Kabinengang von hinten unsanft am Nacken und versuchte, ihm einen Finger ins Gesicht zu halten. Carvajal wollte Saka provozieren und offenbar zu einer Tätlichkeit verleiten, deren Bestrafung Arsenal geschwächt hätte. Einen möglichen eigenen Platzverweis nahm Carvajal beifällig in Kauf, das hätte sein Team sportlich ja nicht unmittelbar betroffen: Er ist derzeit verletzt.

Allerdings kam Carvajals Verhalten den Gunners im Viertelfinalrückspiel der Champions League eher entgegen – denn genau darauf hatte Gästetrainer Mikel Arteta seine Mannschaft vorbereitet. Saka ließ Carvajal stehen und reichte eine Reaktion in Form seines späteren Treffers in der 65. Minute nach, mit dem er alle Hoffnungen Reals auf ein weiteres Comeback in diesem Wettbewerb nach der 0:3-Hinspielpleite zunichtemachte. Weil zudem Gabriel Martinelli in der Nachspielzeit den vorherigen Ausgleich durch Vinicius Júnior (67. Minute) konterte, gewann Arsenal auch das zweite Duell 2:1 – und brach damit einen Mythos im Bernabéu-Stadion. Seit 2019 hatte Real immer die nächste Europapokalrunde erreicht, wenn das Rückspiel in Madrid stattgefunden hatte.

Arsenals Halbfinaleinzug ist die Krönung einer langen Entwicklung. Dem Klub eilte jahrelang der Ruf voraus, in wichtigen Meisterschaftsspielen einzubrechen, vor allem auswärts. Beispiele dafür gab es genügend, vor zwei Jahren versenkte der Klub die eigenen Chancen auf den Ligatitel mit einer krachenden Pleite bei Manchester City. Um diese Anfälligkeit abzustellen, erarbeitete Arteta Strategien, die seiner Elf halfen, auch in Madrid zu bestehen. Der Auftritt bot Anschauungsmaterial, wie man einen Vorsprung verwaltet.

Am schwersten tut sich Arsenal, Pflichtsiege in der Liga einzufahren – auch aufgrund der eigenen drückenden Erwartungshaltung

Arsenals Fokus liegt grundsätzlich darauf, den Spielrhythmus des Gegners zu brechen. Dies geschieht über zweierlei Varianten. Zum einen verhindern die Gunners bei gegnerischem Ballbesitz schnelle Spielfortsetzungen, um nicht überrumpelt und dauerhaft an den Strafraum zurückgedrängt zu werden. Dafür attackieren die Spieler selbst weit vom eigenen Tor entfernte Einwürfe und Freistöße des Gegners, indem sie die umliegenden Anspielstationen zudecken. Ein Resultat davon ist, dass der Gegner immer wieder gezwungen wird, neu von hinten aufzubauen. Zum anderen geht es darum, selbst möglichst lange am Ball zu bleiben, sei es durch Kombinationsspiel oder Spielverzögerungen bis an den Rand der Legalität.

All diese Dinge waren exemplarisch nach Reals Ausgleichstreffer auf einmal zu besichtigen gewesen, als das Match hätte kippen können. Arsenal setzte sich links vorne im Ballbesitz fest, holte diverse Freistöße heraus und verschleppte deren Ausführung geschickt. Einmal lagen absichtlich auch zwei Bälle auf dem Platz. Und als der Ball doch verloren ging, setzte man sofort nach und hielt Real so minutenlang in der deren Hälfte fest. Die Aufbruchstimmung war schon kurz danach weg. Dieser Abgeklärtheit ist gerade kaum beizukommen. In der Premier League hat Arsenal seit zwei Saisons kein Spitzenspiel gegen die Titelkonkurrenten Liverpool und Manchester City verloren, zuletzt rettete die Mannschaft trotz langer Unterzahl ein Remis in Manchester.

In diesen Partien fällt auf, dass Arsenal nicht unbedingt als Favorit agiert. Am schwersten tun sie sich dagegen, Pflichtsiege in der Liga einzufahren – auch aufgrund der eigenen drückenden Erwartungshaltung, nach 2004 endlich wieder Meister zu werden. Ähnlich erging es schon dem Konkurrenten Liverpool, das dereinst noch länger auf einen Ligatitel wartete. Dort löste sich die Verkrampfung über den Triumph in der Champions League 2019, dem ein Jahr später die Meisterschaft folgte. Dies könnte auch ein Weg für den FC Arsenal sein. Nach dem Real-Spiel räumte Trainer Arteta ein, er hätte Saka nach dessen Fehlschuss am liebsten eine verpasst. Aber die Art, wie Spieler und Mannschaft damit umgegangen seien, habe das Weiterkommen für ihn zu einem der besten Nächte seiner Karriere gemacht.

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