Ifo-Umfrage: Deutsche mehr im Home-Office als Beschäftigte in anderen Ländern – Wirtschaft | ABC-Z

Stirbt das Home-Office hierzulande aus? Diesen Eindruck erweckten zuletzt einige große Unternehmen, die ihre Mitarbeiter wieder mehr im Büro sehen wollen. SAP, Volkswagen, die Deutsche Bank, die Deutsche Telekom, der Handelsriese Otto, sie alle verschärften ihre Präsenzregeln und beorderten ihre Mitarbeiter zumindest tageweise zurück an die Büroschreibtische. Das hatte für Proteste in der Belegschaft gesorgt und eine öffentliche Debatte über ein etwaiges Ende des Home-Office ausgelöst, in dem sich hiesige Büroarbeiter während der Corona-Pandemie eingerichtet hatten.
Die Realität aber sieht anders aus: Die Deutschen arbeiten im weltweiten Vergleich sogar überdurchschnittlich oft von zu Hause aus. Das zeigt eine Umfrage unter Arbeitnehmern mit Hochschulabschluss in 40 Ländern, die das Münchner Ifo-Institut am Freitag vorstellte. Demnach sind Akademiker hierzulande im Schnitt an 1,6 Tagen pro Woche im Home-Office. Zum Vergleich: Der globale Durchschnitt beträgt 1,2 Tage pro Woche bei Vollzeit mit mindestens sechs Arbeitsstunden täglich. „Trotz prominenter Beispiele von Unternehmen, die ihre Beschäftigten zurück ins Büro holen, zeigen unsere Ergebnisse, dass die Home-Office-Quote seit 2023 international stabil ist“, sagt Ifo-Forscher Mathias Dolls.
In der EU wird unter Akademikern lediglich in Finnland mehr daheim gearbeitet – im Durchschnitt sind es dort 1,7 Tage. Weltweit am weitesten verbreitet ist Home-Office in Kanada (1,9 Tage) und in Großbritannien (1,8 Tage). Am wenigsten von zu Hause gearbeitet wird in Südkorea (0,5 Tage), China und Griechenland (je 0,6 Tage).
:Mal angenommen, die Leute kämen gern ins Büro
Dass Chefs ihre Leute wieder mehr im Büro sehen wollen, ist richtig. Nur machen sie dabei viel falsch. Wie es gelingt, dass Mitarbeiter sogar gern an ihre Schreibtische zurückkehren.
„Beschäftigte mit Kindern teilen ihre Arbeitswoche häufiger zwischen dem Home-Office und dem Standort des Arbeitgebers auf, während Beschäftigte ohne Kinder häufiger entweder vollständig remote oder vollständig vor Ort arbeiten“, erklärte das Ifo-Institut. In beinahe allen Ländern ist die Home-Office-Rate bei Männern und Frauen ähnlich hoch. Bei Frauen mit Kindern ist der Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu arbeiten, allerdings stärker ausgeprägt als bei Frauen ohne Kinder.
Präsenzpflicht schadet laut Forschern oft mehr, als sie nützt
Dass Home-Office gut fünf Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown nicht auf dem Rückzug ist, zeigt auch die neue Konstanzer Home-Office-Studie von Mitte April. „Der Trend geht nicht zurück ins Büro – sondern zu flexiblen Arbeitsmodellen“, so das Fazit der Studie, die im fünften Jahr in Folge zentrale Entwicklungen zum mobilen Arbeiten ausgewertet hat. Nur noch 19 Prozent der Beschäftigten berichten demnach von einer verstärkten Präsenzpflicht in ihrem Unternehmen – ein Rückgang gegenüber 22 Prozent 2024. Eine komplette Präsenz an allen fünf Tagen ist sogar nur bei acht Prozent der Beschäftigten Realität.
Selbst unter Führungskräften, die dem Home-Office in der Vergangenheit häufig skeptisch gegenüberstanden, steigt die Akzeptanz. Nicht einmal mehr jeder Vierte (24 Prozent) befürchtet Kommunikationsprobleme durch mobiles Arbeiten, im Vorjahr dachten das noch doppelt so viele Vorgesetzte. Im selben Zeitraum sank der Wunsch nach mehr Präsenzpflicht unter Führungskräften um acht Prozentpunkte.
Die Konstanzer Forscher weisen auf klare Nachteile einer verschärften Präsenzpflicht hin: Beschäftigte fühlten sich emotional deutlich erschöpfter, ohne dass die Produktivität messbar steige, so der Wirtschaftswissenschaftler Florian Kunze, der die Studie leitete. Er sagt: „Unsere Daten deuten darauf hin, dass Präsenzpflicht oft mehr schadet als nützt.“