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Bahnrad-Star Emma Hinze aus Cottbus vor Comeback: “Ich mag es, mich zu quälen” | ABC-Z

Interview | Comeback von Bahnrad-Star Emma Hinze

“Ich mag es, mich zu quälen”


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Audio: Antenne Brandenburg | 06.06.25 | Daniel Mastow | Bild: Imago Images/frontalvision.com

Die achtfache Bahnrad-Weltmeisterin Emma Hinze ist zurück. Nach längerer Pause will die Wahl-Cottbuserin wieder angreifen. Im Interview spricht die 27-Jährige über ihr Comeback, das Loch nach Olympia und den Spaß am Quälen.

rbb|24: Emma Hinze, Sie haben auf Instagram gepostet: “I’m back.” Was bedeutet das?

Emma Hinze: Ich bin jetzt wieder zurück auf der Bahn. Ich habe wieder die Lust und Energie, nach einem Plan zu trainieren. Vor ungefähr vier Wochen dachte ich: Ok, ich bin jetzt bereit. Davor habe ich es nicht gefühlt. Ich dachte, das Gefühl kommt eher, aber es kam nicht. Ich habe mir wirklich Zeit genommen und es hat fast neun Monate gedauert.

Waren Sie während dieser Monate irgendwann an dem Punkt, an dem sie dachten: “Es kommt nicht mehr. Dann lasse ich es halt”?

Zwischendurch dachte ich, dass ich es nicht mehr mache. Aber ich war auch nie so richtig an dem Punkt zu sagen: Ich höre jetzt auf und lasse das los. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich sage: Das war’s und ich mache das nie wieder. Aber ich habe schon abgewogen.

Wie wichtig ist Ihr Partner und Trainer Maximilian Levy beim Comeback? War das eine Entscheidung, die Sie eher allein oder mit ihm getroffen haben?

Das war komplett meine Entscheidung. Max hat sich rausgehalten. Ich weiß, dass er mich gerne unterstützt, aber für ihn ist es auch ein Zwiespalt. Einerseits will er mir helfen. Andererseits weiß er auch, dass es nicht ganz so machbar ist, wie ich es mir vielleicht vorstelle.

Für mich ist Max sehr, sehr wichtig. Ich möchte auch gerne mit ihm trainieren. Aber er ist Junioren-Bundestrainer. Da hat er schon genug zu tun. Jemanden in der Elite zu trainieren, ist eigentlich ein Vollzeitjob. Wir müssen schauen, wie das aussehen kann und ob wir Unterstützung bekommen. Ganz allein kann er das nicht über Jahre hinweg leisten. Ich möchte nicht, dass Max daran kaputt geht.

Es tat weh, weil es schon das zweite Mal war, dass wir bei Olympia waren und so einen Dämpfer draufgekriegt haben.

Emma Hinze über das Teamsprint-Abschneiden bei Olympia 2024

Letztes Jahr haben Sie bei den Olympischen Spielen in Paris die Bronzemedaille im Teamsprint geholt. Als Außenstehender wusste man nicht genau, ob Sie sich darüber freuen oder es eine Enttäuschung ist, weil Sie als Weltmeisterin im Teamsprint angereist waren. Das erklärte Ziel, Gold, haben Sie nicht erreicht. Wie war es damals und wie ist es heute?

Einerseits war ich super froh, dass wir den Weltrekord gefahren sind. Wir sind so schnell gefahren wie noch nie. Andererseits war ich schon ein bisschen enttäuscht, dass es trotzdem nicht gereicht hat. Dass zwei Mannschaften nochmal einen Weltrekord fahren und wir deshalb nicht im Kampf um Gold dabei sind. Es tat weh, weil es schon das zweite Mal war, dass wir bei Olympia waren und so einen Dämpfer draufgekriegt haben. Bei der Weltmeisterschaft zwischendrin hat es immer geklappt.

Deswegen habe ich auch gesagt, dass sich einige Dinge für mich ändern müssen, damit ich das wieder mache. Erstens tut es weh. Und zweitens möchte ich bei Olympia nicht immer so ein Erlebnis haben. Ich bin auch mit dem fünften und sechsten Platz im Einzel super zufrieden, aber ich hatte für mich einfach auch andere Ansprüche und habe mir schon erhofft, dass ich ein bisschen weiter vorne reinfahren kann. Das ist damals wie heute meine Meinung.

Bahnradsportlerin Emma Hinze mit ihren Teamkolleginnen Pauline Grabosch und Lea Friedrich bei der Siegerehrung für den Teamsprint bei den Olympischen Spielen 2024 (Bild: Imago Images/SW Pix)Emma Hinze (links) mit ihren Teamkolleginnen Pauline Grabosch und Lea Sophie Friedrich bei der Siegerehrung für den Teamsprint bei den Olympischen Spielen 2024

Viele Sportler fallen nach Olympia in eine Art Loch. Wie sind Sie direkt nach den Spielen damit umgegangen?

Ich habe mir extra im Vorfeld schon gesagt, dass ich ein bisschen Abstand brauche und mir Zeit nehme. Das kannte ich schon von den Spielen aus Tokio, weil ich da wirklich in so ein Loch gefallen bin. Dieses Mal war es gar nicht so schlimm. Es tat mir trotzdem super gut, einfach Urlaub und etwas Abstand zu haben.

In den letzten Monaten habe ich jeden Tag trainiert – aber für mich. Das, worauf ich Lust hatte. Ich war ganz viel auf meinem Straßenrad unterwegs, habe super viel im Kraftraum gemacht, weil mir das einfach Spaß macht und war sogar joggen. Ich habe meinen Körper schon gequält, aber nicht so, dass ich die Grenze immer mehr verschoben habe. Das tat mir auf jeden Fall gut und hat auch viel an meinem Wohlbefinden geändert.

Nach so einer Trainingsveränderung muss es gar nicht unbedingt schlechter laufen. Wie ist Ihr Leistungsvermögen jetzt?

Abgesehen vom Berliner Sechstagerennen war ich eigentlich gar nicht auf der Bahn. Ich habe auch keine Lust gehabt, auf die Bahn zu gehen – bin ich ehrlich. Ich wusste also nicht so genau, was mein Körper jetzt auf der Bahn noch kann. Die letzten zwei Wochen habe ich dann beim Lehrgang der Nationalmannschaft in Cottbus mitgemacht. Das war mein erstes Bahntraining. Da habe ich gemerkt, dass mein Körper noch weiß, wie das geht. Es war auf jeden Fall besser, als ich erwartet habe.

Fühlt sich denn Ihre Entscheidung nach den ersten Bahntrainings richtig an?

Ich würde schon sagen, dass es sich richtig anfühlt und mir auch wieder Spaß macht. Es war mir wichtig, dass ich auch wieder Freude dabei empfinden kann. Auch Freude daran mich zu quälen. An sich mag ich es schon, mich zu quälen. Aber irgendwann war ich an einem Punkt, an dem es einfach zu viel war. Das war zu viel Druck, den ich mir natürlich auch selbst gemacht habe. Dann ist es für mich in eine Negativspirale abgerutscht. Es hat mir einfach keine Freude mehr bereitet. Das wollte ich auf jeden Fall wiederfinden. Das ist mir in den letzten Wochen gelungen. Das ist auf jeden Fall ein schönes Gefühl.

Wie war die Rückkehr in die Gruppe? Müssen Sie sich fürs Dreierteam qualifizieren oder können Sie einfach zurück?

Das haben wir noch nicht besprochen. So weit habe ich auch noch gar nicht geschaut. Ich will das ernst nehmen, aber etwas entspannter angehen. Mein Ziel ist erstmal der Große Preis in Cottbus, die Deutsche Meisterschaft und dann will ich in Richtung Weltmeisterschaft im Oktober schauen.

Ist dieser letzte noch nicht gewonnene Titel, die olympische Goldmedaille, auch Motivation oder geht es darum nicht?

Natürlich ist sie die Motivation, weil sie das Einzige ist, was mir noch in meiner Sammlung fehlt. Ich weiß aber auch, wie schwer es dieses Mal schon war. Ich frage mich, wie es in drei Jahren aussieht, wenn wir so weitermachen. Da bin ich ehrlich.

Ich möchte beim nächsten Mal nicht Fünfte oder Achte werden, weil wir einfach so weitermachen und alle Nationen an uns vorbeifahren. Für mich müssen sich noch ein paar Sachen ändern, damit man auch merkt, dass man gegenhalten kann und vorne ist. Das ist mein Anspruch. So bin ich die letzten Jahre Rad gefahren. Ich würde mir wünschen, dass wir das zusammen hinkriegen.

Das hört sich nach Kritik am Verband an, vielleicht auch am Material. Das FES-Rad ist vermutlich nicht mehr das schnellste. Gibt es konkrete Dinge, die sich verändern müssen?

Ich glaube, einmal ist es der Leistungsgedanke. Dass wir alles dafür tun zu gewinnen und ein Konzept haben, dem ich vertrauen kann, weil ich es kenne. Bisher weiß ich nicht so ganz, wie wir dort hinkommen. Das fehlt mir gerade noch ein bisschen. Das hatte ich eigentlich schon im letzten Jahr kritisiert und ich hoffe, dass ich das in nächster Zeit mal sehen kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Jörg Klawitter.

Sendung: DER TAG, 05.06.2025, 18 Uhr


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