Politik

Luisa Neubauers Buch „Was wäre, wenn wir mutig sind?“ | ABC-Z

Für mutig hielt man es unter Ökoaktivisten vermutlich, den vom renitenten Volk betriebenen Verbrenner-Heizungen mit Gesetz und Verbot zu Leibe zu rücken. Geführt hat dieser Mut zu einem Absturz der Grünen und zum größten Einbruch auf dem Wärmepumpenmarkt. Ein Desaster für die Klimawende. Was also meint Luisa Neubauer, eine der prominentesten Klimaaktivistinnen, wenn sie in ihrem neuen Manifest von Mut spricht? Es geht ihr um den Mut zum Gegenteil, um eine Abkehr von der Konzentration auf das „Müssen und Sollen“.

Mehr noch: Die „erhoffte Kraft des Faktischen“ habe nichts bewirkt, Zahlen seien gegen die „Springer-Propaganda“ nicht angekommen. Es brauche daher emotionale Gegennarrative: „Denn was mindestens genauso viel wiegt wie die Zahlen, sind die Gefühle, die Geschichten, die Bilder.“ Kurz: „Die Ökologie darf nicht nur das moralisch richtige Leben propagieren, es muss das gute Leben werden.“ Dass diese Formel an Angela Merkels Slogan von einem „Deutschland, in dem wir gut leben können“, erinnert, mag kein Zufall sein.

Wer eine systematische Strategie für eine nicht mehr besserwisserische Kommunikationsstruktur der Klimabewegung erwartet, wird enttäuscht werden. Es finden sich lediglich vage Andeutungen, dass dabei kein paradiesischer Zustand versprochen werden sollte, sondern das kleine Glück der Solidarität. Inmitten der Krise erwachse nämlich hier und da eine „unwahrscheinliche Idylle“. Man könnte nun Erfolgsgeschichten des Umweltschutzes der dystopischen Verfallserzählung entgegensetzen; das allerdings tut Neubauer nicht. So ganz scheint die Autorin der auf positive Emotionen setzenden Argumentation nicht zu trauen, denn große Teile des Buchs füllen Warnungen vor den Klimawandelfolgen sowie Angriffe auf eine von der Kohle- und Öllobby ­geschmierte und naiv auf rettende Innovationen hoffende Politik. Auch von dem „Sich-nicht-immer-zu-ernst-Nehmen“ ist wenig zu spüren: Bierernst ist der Ton der kleinen Schrift. Es klingt oft nach „Müssen und Sollen“.

Was bitte soll denn Fossilität sein?

Mit einem performativen Widerspruch geht es auch schon los. Im Bücherregal ihrer Großmutter Dagmar Reemtsma, einer Aktivistin der ersten Stunde, findet Luisa Neubauer zahlreiche Klassiker der Klimaliteratur. Die Gefahr war also bekannt, und doch werde die Situation immer dramatischer. Mit Büchern, so die Schlussfolgerung, lasse sich wenig ausrichten. Und diese Erkenntnis wird präsentiert: in einem Buch (mit stilistisch bereits etwas schiefem, Konjunktiv und Indikativ auf Spannung vernähendem Titel).

Luisa Neubauer: „Was wäre, wenn wir mutig sind?“Rowohlt Verlag

Auch argumentativ ist wenig Stringenz in dem Pamphlet, was vielleicht sogar intendiert ist, schließlich möchte die Autorin darauf hinaus, dass selbst für Klimabewegte eine widerspruchsfreie Existenz heute nicht möglich sei. Zu tief präge die fossile Kultur unseren Alltag und unsere Lebensweise. Das ist eine weitere Warnung vor zu viel Rigorismus an die eigene Basis. Vielleicht hat sie dabei auch ihre jüngsten USA-Flugreisen im Hinterkopf, für die sie von konservativen Kommentatoren hämisch kritisiert worden war. Für noch frühere Flugreisen erteilt sie sich selbst – in Abkehr von der Zentralforderung, zu den Brüchen in den eigenen Biographien zu stehen und kleine Schritte zu wagen – allerdings einen Freispruch, aus dem sogar ein Vorwurf wird. Natürlich sei sie geflogen, heißt es, sie gehöre zur „Generation Easyjet“. Man habe ihr das so beigebracht: „Ältere Generationen haben junge Generationen in eine durch und durch fossile Welt hineingezogen.“

Allerdings kommt die Devise, „die Widersprüche in dieser Welt lieben zu lernen“, schnell an eine Grenze, wo die „fossile Übermacht“ in den Blick gerät. Neubauer fasst diese Übermacht als industriell-politischen Komplex mit klaren Profiteuren auf, und weil das alles nicht falsch, aber auch nicht neu ist, möchte sie zumindest einen neuen Begriff für dieses im Unterbewusstsein der Gesellschaft verankerte, aber zu bekämpfende Konglomerat prägen. Sie nennt es „Fossilität“ und meint damit so etwas wie einen dominanten Diskurs im foucaultschen Sinne.

Glücksangebote und Radikallösungen

Das wirkt durchaus anregend, und es ist bedauerlich, dass der kulturgeschichtliche Rundumblick dann so schütter gerät. Über die Verbrenner-Mentalität in der westlichen Kultur ließe sich bis zurück zu Prometheus schließlich einiges sagen. Die Autorin aber belässt es bei wenigen Anmerkungen zur Autovergötterung in Film und Stadtarchitektur. Und leider versteigt sie sich dann zu einer Weltformel-Argumentation, bei der die Fossilität mit nahezu allem verbunden wird: mit Kritikwürdigem wie dem Patriarchat, der Entfremdung von der Natur oder dem Kolonialismus (den es für sie ohne „Kohledampfer“ und „Gewehre“ nicht gegeben hätte) ebenso wie mit Wünschenswertem wie der modernen Demokratie (Macht der Kohlekumpel). Das wirkt unterkomplex zusammenkompiliert. Und unnötig, denn es geht ja in der Klimafrage gar nicht um den Umgang mit Feuer als zentrale zivilisatorische Kulturtechnik, sondern bloß um den leicht ersetzbaren Einsatz von Kohle und Öl zur Herstellung von Energie.

Man versteht Luisa Neubauers Wut; ein einziger Blick auf die Energiepolitik Donald Trumps zeigt den Sieg der Realitätsverweigerung. Man versteht ihre Verzweiflung, mit Argumenten nicht durchzudringen. Man versteht auch den Impuls, alle Hoffnung auf die Gesellschaft zu setzen, nicht länger auf die Politik. Und doch scheint das in gewisser Weise fatal zu sein, denn so richtig es ist, dass „Wandel viel schneller möglich“ ist als erwartet, sobald die gesellschaftliche Stimmung sich gedreht hat – die opportunistische Politik folge einfach –, so unbestreitbar ist, dass die gesellschaftliche Stimmung gerade nicht in Richtung Wärmepumpe und Elektroauto tendiert.

Wer den Menschen die Wahl lässt, muss das Ergebnis auch akzeptieren. Und ob die hier gemachten Glücksangebote („Sich regelmäßig zu engagieren, kann auch tröstend sein“) und die wolkig allgemeinen Fernziele („Wiederentdeckung eines Verhältnisses zur Welt, das von Friedfertigkeit und Achtsamkeit und Liebe geprägt ist“) tatsächlich die Überzeugungskraft haben, die Bevölkerung für Radikallösungen zu begeistern, kann bezweifelt werden. Da sind vielleicht Daten und Zahlen und politische Angebote am Ende doch noch hilfreicher.

Luisa Neubauer: „Was wäre, wenn wir mutig sind?“ Rowohlt Verlag, Hamburg 2025. 144 S., geb., 13,– €.

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