Angriffe aus Indien: Pakistan droht mit Vergeltung | ABC-Z

Seit dem Terrorangriff im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs mit 26 Toten im April hatten die Inder nach Vergeltung gerufen. Ministerpräsident Modi hatte dem Militär „operative Freiheit“ gegeben. Die Generäle ließen sich mit ihren Schlägen gegen die in Pakistan vermuteten mutmaßlichen Hintermänner rund zwei Wochen Zeit. Nach Angaben des indischen Verteidigungsministeriums griff das Militär in der Nacht zum Mittwoch neun Ziele in Pakistan und im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs mit Raketen an. „Nur bekannte Terrorlager“ seien angegriffen worden, hieß es von indischer Seite.
Pakistan, das von Indien der Förderung und Finanzierung von Terroristen beschuldigt wird, meldete dagegen den Tod von 26 Zivilisten; 46 weitere Personen seien verletzt worden.
„Dieser abscheuliche Akt der Aggression wird nicht ungestraft bleiben. Pakistan behält sich das uneingeschränkte Recht vor, entschlossen auf diesen nicht provozierten Angriff Indiens zu reagieren – eine entschlossene Reaktion ist bereits im Gange“, schrieb Ministerpräsident Shehbaz Sharif auf der Plattform X.
Als erste Reaktion verschärfte Pakistan offenbar erheblich seinen Artillerie-Beschuss entlang der „Line of Control“, der durch die geteilte Kaschmir-Region führenden De-facto-Grenze zwischen den Ländern. In der Folge wurden laut indischen Angaben mindestens sieben Zivilisten im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs getötet. Islamabad gab außerdem an, den Stützpunkt einer indischen Brigade zerstört und fünf indische Kampfflugzeuge abgeschossen zu haben. Das wurde von indischer Seite vorerst aber nicht bestätigt.
Stattdessen wurden die Luftangriffe mit dem Titel „Operation Sindoor“ in Indien als großer Erfolg gefeiert. „Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan. Lang lebe Indien!“, hatte das Militär unmittelbar nach dem Angriff auf X geschrieben.
Iran könnte vermitteln
International wird nun eine weitere Eskalation zwischen den beiden Atommächten befürchtet, die schon drei Kriege um Kaschmir gegeneinander geführt haben. „Ich hoffe nur, dass es sehr schnell endet“, sagte US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich „tief besorgt“ über die Eskalation. „Die Welt kann sich eine militärische Konfrontation zwischen Indien und Pakistan nicht leisten“, ließ der UN-Chef verlauten. China, Pakistans wichtigster Verbündeter, nannte die indische Militäraktion „bedauerlich“. Mehrere Länder boten an, als Vermittler einzutreten. Am Donnerstag wird der iranische Außenminister Abbas Araghchi nach einem Besuch in Islamabad in Neu Delhi erwartet. Iran unterhält gute Beziehungen zu beiden Ländern.
Den indischen Angaben nach befanden sich mindestens zwei der neun getroffenen Ziele in der pakistanischen Provinz Punjab in den Orten Bahawalpur und Muridke. Aus pakistanischer Sicht wiegen diese Angriffe im Innern des Landes besonders schwer. Von pakistanischer Seite hieß es, unter anderem sei eine Moschee getroffen worden, die sich neben dem einstigen Büro der Gruppe Jaish-e-Mohammed befinde. Die Gruppe wurde in der Vergangenheit für mehrere Terrorangriffe in Indien verantwortlich gemacht. Das Büro wurde nach pakistanischen Angaben nicht mehr genutzt.
Indien: Maßvolle Maßnahmen
Im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs wurden unter anderem Einschläge in den Orten Muzaffarabad und Kotli gemeldet. Im Sender Skynews warf der pakistanische Informationsminister Ataullah Tarar Indien vor, es habe die Zivilbevölkerung ins Visier genommen. „Lassen sie mich es ganz klar sagen: Es gibt in Pakistan keine Terrorcamps“, so der Minister.
Von indischer Seite wurden die Darstellungen Pakistans dementiert. „Unsere Maßnahmen waren zielgerichtet, maßvoll und nicht eskalierend. Es wurden keine pakistanischen Militäreinrichtungen angegriffen“, hieß es in der Mitteilung des Militärs. Indien habe bei der Auswahl der Ziele und der Art der Durchführung „erhebliche Zurückhaltung“ gezeigt. Indien verfüge über „Belege“, die zeigten, dass Terroristen, die von Pakistan aus operierten und in Pakistan ausgebildet wurden, an dem Terrorangriff in Kaschmir vor zwei Wochen beteiligt gewesen seien. Neu Delhi hat solche Belege aber bisher nicht veröffentlicht.
Indien hatte in den vergangenen Tagen intensive Vorbereitungen für einen Militärschlag auf pakistanischem Gebiet getroffen. So hatte sich Ministerpräsident Narendra Modi persönlich mit den Chefs der drei Teilstreitkräfte – Armee, Marine und Luftwaffe – sowie dem Verteidigungsminister und dem Nationalen Sicherheitsberater getroffen. In Indien waren für Mittwoch an einigen Orten Zivilschutzübungen geplant. Neu Delhi hatte zudem das Gespräch mit Regierungsvertretern zahlreicher Länder gesucht, um internationale Rückendeckung für seine militärische Reaktion zu erhalten. Beide Seiten hatten zudem Raketentests durchgeführt.
Direkt nach dem Terroranschlag im kaschmirischen Pahalgam hatten Indien und Pakistan zunächst nichtmilitärische Maßnahmen ergriffen. Sie wiesen Staatsbürger der jeweils anderen Seite aus und verringerten die Zahl der Diplomaten an den jeweiligen Botschaften. Indien setzte außerdem den seit 1960 bestehenden Indus-Wasservertrag aus, der die gemeinsame Nutzung grenzüberschreitender Flüsse regelt. Die mehrheitlich muslimische Kaschmir-Region ist seit der Unabhängigkeit des ehemaligen Britisch-Indiens zwischen Indien und Pakistan geteilt. Beide Ländern erheben aber weiter Anspruch auf die gesamte Region.