Zahnpflege und Mundgesundheit: Was man darüber wissen sollte – Gesundheit |ABC-Z

In den vergangenen 30 Jahren ist die Anzahl der gezogenen Zähne in Deutschland um ein Drittel gesunken, die Anzahl der Wurzelbehandlungen um ein Viertel. Die Zahl der Zähne, die jährlich gefüllt werden müssen, hat sich halbiert. „Diese Erfolge resultieren zum Großteil aus einer besseren Mundhygiene“, betonte Annette Wiegand, Direktorin der Universitätszahnklinik in Göttingen, während des Forums. „Aber auch Ernährung spielt eine Rolle.“ Menschen wissen zunehmend, dass süße Zwischenmahlzeiten den Zähnen ebenso schaden wie Rauchen und dass von einer Ernährung mit viel Obst und Gemüse und wenig Fleisch auch die Zähne profitieren. „Hinzu kommt der Einsatz von Fluorid“, sagte Wiegand. „Das Mineral macht den Zahnschmelz härter und widerstandsfähiger, es hat extrem dazu beigetragen, dass sich die Mundgesundheit der Bevölkerung so stark verbessert hat.“
Bedenken gegenüber Fluorid seien unbegründet, betonte die Präventionsexpertin. Gleichwohl sollte man es nicht übertreiben: Zu viel Fluorid könne weiße Flecken auf den Zähnen hervorrufen. Und bei extremer Überdosierung kann Fluorid womöglich sogar dem Gehirn schaden. Kleinkindern solle man deshalb keine Fluoridtabletten mehr geben, sobald man ihre Zähnchen mit fluoridhaltiger Zahnpasta putzt. „Aber unter der normalen Anwendung von Fluoriden ist der Sicherheitsabstand zu einer potenziellen Schädigung sehr, sehr groß“, so Wiegand. Normale Anwendung, das heißt: zweimal täglich die Zähne mit fluoridhaltiger Zahnpasta putzen, einmal pro Woche zusätzlich ein Fluoridgel benutzen und beim Kochen fluoridiertes Speisesalz verwenden.
Um das Putzen abzurunden, sollte man zudem – je nach individuellem Gebiss – Zahnseide oder feine Bürstchen verwenden, um die Zahnzwischenräume zu reinigen. Und man sollte regelmäßig zum Zahnarzt gehen, mindestens einmal im Jahr. Eine professionelle Zahnreinigung (PZR) sei vor allem bei erhöhtem Risiko für Karies und Parodontose zu empfehlen, so Wiegand: „Dann ist die PZR sicherlich sinnvoll. Für Patienten mit gesunden Zähnen und Zahnfleisch ist hingegen nicht hinreichend belegt, dass die PZR ihnen nützt.“ Auch Zungenschaber sind der Professorin zufolge nur für Menschen sinnvoll, die unter starkem Mundgeruch leiden.
Allerdings kann man es nicht nur mit Fluorid übertreiben. Man könne auch zu viel schrubben und putzen, sagte Falk Schwendicke, Direktor der Zahnklinik an der Universität München. Dann können Defekte im Zahnschmelz entstehen. Der Zahnmediziner warnte zudem vor stark bleichender Zahnpasta: Diese schmirgelt Verfärbungen ab. „Dadurch sieht es dann wieder ein bisschen schöner aus, aber wenn ich über längere Zeit sehr intensiv damit putze, kann ich Schaden hervorrufen“, so Schwendicke. Auch das Zahnfleisch kann man wegschrubben, wenn man zu engagiert putzt; hier entsteht dann ein zungenförmiger Rückgang an der Außenseite der Zähne. „Aber insgesamt“, betonte Schwendicke, „besteht die Gefahr eher darin, dass man zu wenig macht.“
Wer sich hellere Zähne wünscht, muss immer gewisse Risiken eingehen
Wer sich hellere Zähne wünscht, muss dafür immer gewisse Risiken eingehen. Auch wenn Verblendschalen vor den Zähnen „nahezu nur noch geklebt werden, ohne dass von den Zähnen groß etwas abgetragen wird“, so Schwendicke, ist zuvor eine Aufrauung der Zähne nötig.
Bleaching-Methoden schädigen die Zähne ebenfalls, auch wenn die Aufweichung des Zahnschmelzes beim modernen Bleaching nicht mehr so ausgeprägt ist wie früher. „Wenn Patienten mit ihrer Zahnfarbe sehr unzufrieden sind, ist ein kontrolliertes, professionell durchgeführtes Bleaching in den meisten Fällen eine sichere Option“, so Schwendicke. Dieses solle aber durch einen Zahnarzt oder eine Zahnärztin angeleitet werden, damit keine Zahnsubstanz zerstört wird. Dem stimmte der Verbraucherschützer Stefan Stehl, der bei der Verbraucherzentrale NRW das Portal Kostenfalle-Zahn verantwortet und für Beschwerden zum Thema Zahnbehandlung zuständig ist, ausdrücklich zu: „Wir haben Fälle, wo Leute das im Do-it-yourself-Verfahren durchführen, und je nachdem, welche Erwartungen sie haben oder wo sie ihre Produkte beziehen, ist das eher schadhaft, als dass es einen Nutzen für die Patienten hat.“
Statt Amalgam finanzieren die Kassen jetzt Zement
Und wenn die Zähne trotz aller Pflege doch Schaden nehmen, welches Füllmaterial ist dann zu empfehlen? Amalgam ist nicht mehr zu bekommen. Nachdem es jahrzehntelang das Füllmaterial Nummer eins war, das die gesetzlichen Krankenkassen erstatteten, hat die EU Amalgam Anfang 2025 verboten – allerdings aus Umweltgründen, wie Falk Schwendicke betonte, nicht aus gesundheitlichen Erwägungen.
Statt Amalgam erstatten Krankenkassen nun Füllungen aus Glasionomerzement, einem Material aus einer organischen Verbindung und einem Glas, das sich von allein mit dem Zahn verklebt. „Dieses Material ist in der Verarbeitung ähnlich einfach wie Amalgam, und neuere Daten deuten darauf hin, dass es auch sehr lange hält“, so Schwendicke. Somit sei der Zement ein sinnvoller Ersatz. Allerdings sieht der Zahnzement eben aus wie Zement: Die Füllungen sind deutlich sichtbar. Wer nicht möchte, dass seine geflickten Zähne auffallen, kann auf Komposit ausweichen, einen Kunststoff. „Doch das bedeutet in der Regel, dass man aus eigener Tasche zuzahlen muss“, so Schwendicke.
Das Unangenehmste bei einer Füllung ist neben dem Bohren oft die Abformung: Bevor ein Zahntechniker eine passende Füllung herstellen kann, müssen Abdrücke gemacht werden. Dazu wird Patienten in der Regel eine Spange mit einer Paste in den Mund geschoben, auf die sie beißen müssen. Inzwischen lassen sich auch digitale Abdrücke mithilfe von Intraoralscannern herstellen, aber die Technik reicht noch nicht vollständig an die unangenehmen Abdrücke mit der Paste heran: „Bei kleineren Restaurationen wie Füllungen für einzelne Zähne, Teilkronen, vielleicht auch kleinen Brücken sind die Intraoralscanner ähnlich gut wie die Abformung“, sagt Falk Schwendicke. „Wenn es aber um große Sachen geht, dann ist die Abformung verlässlicher.“
Sind Zähne irreparabel geschädigt, kommt auf Patienten eine Entscheidung zu: Möchten sie einen künstlichen Zahn in den Kiefer geschraubt bekommen? Oder lieber eine Brücke, die die Zahnlücke überspannt und an benachbarten Zähnen angebracht werden muss? Sicher ist: Die Frage muss man im Einzelfall beantworten. „Auf keinen Fall kann man sagen, dass ein Implantat der Mercedes ist und eine Brücke der VW Käfer“, betonte Matthias Folwaczny, der Leiter der Parodontologie an der Zahnklinik der Universität München. „Das kommt ganz auf die spezielle Situation an.“
Das Implantat hat den großen Vorteil, dass es nicht an Nachbarzähnen befestigt werden muss, die dafür womöglich beschädigt werden müssen. Doch gegen ein Implantat kann es zum Beispiel sprechen, wenn der Kieferknochen infolge einer Osteoporose weich oder brüchig ist oder wenn eine Parodontitis vorliegt, also eine anhaltende Entzündung in tiefen Zahnfleischtaschen. Denn auch sie führt oft dazu, dass sich der Knochen abbaut. Dann verliert das Implantat seinen Halt.
:„Mit Implantaten sehe ich häufiger Probleme auf uns zukommen“
Opas Gebiss im Glas ist Geschichte. Aber ist die Zahngesundheit der Deutschen wirklich so viel besser geworden? Sind Implantate empfehlenswert? Und was kann jeder tun, um seine Zähne bis ins Alter zu erhalten? Fragen an den Zahnmediziner Reinhard Hickel.
Prinzipiell ausgeschlossen sei ein Implantat in diesen Situationen aber nicht, betonte Matthias Folwaczny. „Wenn bei einem Patienten die Osteoporose noch nicht so weit fortgeschritten ist, dann ist ein Implantat absolut machbar.“ Sei die Knochendichte hingegen kritisch niedrig, sei oft eine Brücke oder eine abnehmbare Konstruktion wie eine Teilprothese zu empfehlen. Ein spezielles Problem gebe es, wenn Patienten Medikamente gegen ihre Osteoporose brauchen, die den Knochenaufbau fördern und den Knochenabbau verlangsamen: Diese Medikamente können zum Absterben von Knochen im Kiefer führen. Auch das sei aber „kein K.-o.-Kriterium“, so Folwaczny. Zum Beispiel sei zu erwägen, ob die Patienten schon lange solche Medikamente nehmen, ohne dass Knochengewebe abgestorben ist, und wie gut man fehlende Zähne mit anderen Methoden als Implantaten ersetzen kann.
Extraverfahren, die das Anwachsen des Implantats unterstützen sollen, seien in einer Zahnarztpraxis nicht nötig, betonte Folwaczny. Mitunter bieten Zahnärzte zum Beispiel Eigenblutverfahren wie PRF an. PRF steht für „Platelet Rich Fibrin“. Dem Patienten wird vor der Behandlung Blut abgenommen, darin werden Blutplättchen, Wachstumsfaktoren und das Protein Fibrin angereichert, welches die Blutgerinnung anregt. Dann wird das Blut zurückgespritzt. „Das bringt bei einer normalen Implantation keinen Nutzen“, so Folwaczny. „Man braucht in dem Knochenlager, in dem das Implantat verankert wird, keinen Knochenaufbau.“ Dies sei allenfalls nötig, wenn der Knochen etwa infolge eines Unfalls geschädigt ist.
Auch eine Parodontitis sei nicht grundsätzlich ein Ausschlusskriterium, betonte Folwaczny. „Man sollte diese aber zunächst wirklich ausreichend behandeln.“ Das ist nicht immer einfach. „Man kann eine Parodontitis vollständig ausheilen, aber das ist nicht immer möglich“, so Folwaczny. „Es gelingt in der klinischen Realität meist, die Parodontitis auszubremsen oder zurückzudrängen, aber oft bleiben noch Restzustände übrig.“ Die Bakterien, die zu den Entzündungsreaktionen führen, ließen sich in der Regel auch nicht durch Antibiotika vollständig eliminieren. Deshalb nimmt die Parodontitis nach einer Weile oft wieder Fahrt auf. Das liege auch daran, dass Patienten es „mitunter an der nötigen Konsequenz vermissen lassen und sich gegen weiterführende Maßnahmen wie chirurgische Eingriffe am Zahnfleisch entscheiden“, so Folwaczny. Mit solchen Eingriffen ließen sich die Zahnfleischtaschen verkleinern und damit den Bakterien die Schlupfwinkel entziehen, in denen sie weiter Entzündungen verursachen können.
Auch nach einer erfolgreichen Parodontitis-Behandlung bleibe aber ein erhöhtes Risiko für Komplikationen nach dem Einsetzen eines Implantats bestehen. So könne es zu einer Entzündung um das Implantat herum kommen. Grundsätzlich gelte, sagte Folwaczny: „Patienten mit Parodontitis tragen ein größeres Risiko, dass ihr Implantat erkrankt und vorzeitig wieder verloren geht.“
Entzündungen am Implantat können aber auch durch zu schlechte Pflege entstehen, ohne vorherige Parodontitis. Man müsse bei einer Entscheidung berücksichtigen, ob Patienten das Implantat gut pflegen können. Hochbetagten Menschen und solchen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen gelingt das in der Regel nicht mehr. In einer solchen Lebensphase wäre es oft besser, Patienten hätten noch – wie früher – eine Totalprothese und keine Implantate, sagte Falk Schwendicke: „Wenn man irgendwann den Punkt erreicht, wo man pflegebedürftig ist, lässt sich eine Totalprothese relativ leicht reinigen. Man kann sie rausnehmen, putzen und dann wieder zurücksetzen.“ Die Reinigung sei bei komplexerem Zahnersatz viel schwieriger. „Da verfolgt uns momentan ein wenig der Fluch der guten Tat.“
Nichts ist so gut wie ein natürlicher Zahn
Bei alldem gilt eine wichtige Regel: Nichts ist so gut wie ein natürlicher Zahn. Wenn für das Setzen einer Brücke zwei gesunde Zähne abgeschliffen werden müssten, sei dies ein starkes Argument für ein Implantat. Implantate kosten allerdings viel Geld, die Kosten belaufen sich pro Zahn leicht auf 1000 Euro und mehr. Auch bei vielen anderen Behandlungen wie den Kompositfüllungen oder Präventionsleistungen wie der PZR muss man als Patient zuzahlen. Das ist man als rundum versorgter Patient im deutschen Gesundheitssystem nicht gewohnt. Wie kann man herausfinden, ob man seinem Zahnarzt vertrauen kann und welche Behandlung wirklich sinnvoll ist?
Grundsätzlich seien die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen auch in der Zahnmedizin sehr gut, betonte Verbraucherschützer Stefan Stehl. Die Erstattungspläne der Kassen sehen vor, dass die Behandlung wirtschaftlich, medizinisch notwendig und ausreichend ist. „Man ist mit der gesetzlichen Versorgung gut versorgt.“
Doch über diese an sich ausreichende Grundversorgung hinaus gebe es ein breites Angebot an höherwertiger Versorgung. „Da muss man abwägen, was man möchte“, so Stehl. Wichtig sei dabei eine enge Zusammenarbeit von Patient und Zahnarzt. „Zahnärzte sind sowieso dazu angehalten, auch gesetzlich, dass sie vollumfänglich aufklären, bevor eine Behandlung stattfindet. Zu dieser Aufklärung gehört, dass man für eine größere Behandlung einen Heil- und Kostenplan aufstellt.“ Ein Warnzeichen für überzogene Forderungen könne der „Steigerungsfaktor“ sein, der dem Heil- und Kostenplan zu entnehmen ist, sagte Stehl. Dieser Faktor werde individuell festgelegt, ein hoher Faktor stehe für eine aufwendigere Behandlung. „Wenn man sieht, dass der Steigerungsfaktor deutlich über 3,5 liegt, so im Bereich von 5, dann sollte man auf jeden Fall nachfragen, warum.“

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Extrem unterschiedlich fallen auch Rechnungen für eine PZR aus. Stehl zufolge gibt es hier klare Leitplanken: „Es gibt Sätze, die ungefähr dafür empfohlen werden, was eine PZR pro Zahn kostet. Wenn es kein besonderer Fall ist, liegen wir hier im Bereich von 100 bis 180 Euro.“
Doch wenn Patienten unzufrieden mit einer Behandlung sind, geht es oft nicht ums Geld, sondern um die Aufklärung. „Die Kommunikation ist ganz oft das Problem“, sagte Stehl. Wichtig sei deshalb, dass sich Patienten vor einer Behandlung Zeit nehmen und sich auch trauen, Fragen zu stellen.
Je nach Vertrag können Zahnzusatzversicherungen einen Großteil der Kosten auffangen. Dennoch rät Stehl nicht grundsätzlich zu einer solchen Versicherung. Auch hier sei eine Kosten-Nutzen-Abwägung unerlässlich, weil viele Tarife Leistungen für bereits begonnene oder angeratene Behandlungen ausdrücklich ausschließen. Zudem sei man auch mit der gesetzlichen Leistung gut aufgestellt. Zusatzversicherungen lohnten sich vor allem dann nicht, wenn man für seine Zahngesundheit gut vorsorgt. Dieser positive Nebeneffekt des Putzens ist bei allem gesundheitlichen Nutzen also nicht zu unterschätzen: Man spart im Laufe seines Lebens viel Geld.
Zur Aufzeichnung des SZ-Gesundheitsforums geht es hier: www.sz-erleben.de/videozahngesundheit