Klimaforscher: Sieben von neun planetare Grenzen sind überschritten – Wissen | ABC-Z

Der „Planetary Health Check“-Bericht soll eine Einschätzung zum Zustand des Erdsystems liefern. Er basiert auf einem Konzept, das der schwedische Resilienzforscher Johan Rockström vom PIK mit Kollegen vor gut anderthalb Jahrzehnten entwickelt hat. Die planetaren Belastungsgrenzen betreffen demnach neun Prozesse, die die Stabilität, Widerstandsfähigkeit und lebenserhaltende Funktionen des Planeten regulieren. Innerhalb der Grenzen liegt der Idee zufolge der sicher Handlungsspielraum der Menschheit, das Ökosystem Erde zu verändern.
Kohlendioxid-Emissionen wären also zu verkraften, solange die globale Temperatur nicht beeinflusst wird. Wird das Wasser in den Ozeanen etwas saurer, können das die meisten Lebewesen darin aushalten – bis das Wasser zu sauer ist und zum Beispiel Muscheln ihre Schalen und Riffe ihre Skelette nicht mehr aufbauen können. Für das Artensterben gäbe es ebenfalls einen Toleranzbereich, sowie für die Belastung mit Umweltgiften, die Entnahme von Rohstoffen, die Verschmutzung mit Chemikalien, die Zerstörung der Ozonschicht und für weitere ökologische Teilsysteme.
Doch „mehr als drei Viertel der lebenswichtigen Erdsystem-Funktionen befinden sich nicht mehr im sicheren Bereich. Die Menschheit verlässt ihren sicheren Handlungsraum und erhöht so das Risiko, den Planeten zu destabilisieren“, sagte Rockström, Co-Autor des Berichts. Der Zustand der Erde verschlechtere sich massiv.
Wissenschaft sieht Ozean-Versauerung als „Warnsignal“
Die sieben überschrittenen Grenzen sind laut „Planetary Health Check“: Erderwärmung, Integrität der Biosphäre, Veränderung der Landnutzung, Veränderung der Süßwassersysteme, Veränderungen im Stickstoff- und im Phosphorkreislauf, Eintrag menschengemachter Substanzen sowie auch die Ozean-Versauerung. Nur noch zwei der ausgewiesenen Belastungsgrenzen liegen laut der Forscher im sicheren Bereich: die Belastung durch Aerosole (Luftverschmutzung) und die Ozonschicht.
Sobald eine Grenze überschritten wird, steigt laut Forschern das Risiko, die wichtigen Funktionen der Erde dauerhaft zu schädigen, und die Wahrscheinlichkeit, dass Kipppunkte überschritten werden, die Veränderungen unumkehrbar machen. Die Wissenschaftler beobachten diese Grenzen anhand zentraler Indikatoren.
Im ersten „Planetary Health Check“ vor gut einem Jahr lag die Ozean-Versauerung gerade noch im erträglichen Bereich, diese Grenze sei nunmehr auch übertreten worden. Hauptursache für die Ozean-Versauerung sei die Verbrennung fossiler Energieträger: Die Meere nehmen große Mengen des menschengemachten Kohlendioxids aus der Atmosphäre auf, wodurch ihr Wasser saurer wird. Verstärkt wird die Versauerung durch Abholzung und Veränderungen in der Landnutzung.
Durch diese Faktoren verlieren die Meere zunehmend ihre stabilisierende Rolle im Erdsystem, wie das Forscherteam mitteilte. Die Folgen seien spürbar: Kaltwasserkorallen, tropische Riffe und arktische Ökosysteme gerieten unter Druck. Zudem ergeben sich negative Folgen für ganze Nahrungsketten und die Ernährungssicherheit auch des Menschen. So zeigen winzige Meeresschnecken, sogenannte Flügelschnecken, laut PIK bereits Schädigungen an ihren Schalen. Sie seien eine wichtige Nahrungsquelle für Fische und Wale.
„Die Entwicklung geht eindeutig in die falsche Richtung. Die Ozeane versauern, Sauerstoffwerte sinken, und marine Hitzewellen nehmen zu. Damit wächst der Druck auf ein System, das für stabile Lebensbedingungen auf unserem Planeten unverzichtbar ist“, so die Co-Leiterin des „Planetary Boundaries Science Lab“ und Leitautorin des Berichts, Levke Caesar. Die Versauerung sei ein unübersehbares Warnsignal, dass die Stabilität der Erde in Gefahr sei, sagte die US-amerikanische Ozeanografin Sylvia Earle.
Der Bericht der Forscher ist auch ein Appell an Politiker, Wirtschaft und Gesellschaft, die Lebensgrundlagen besser zu schützen. „Beispiele wie der Rückgang der Luftverschmutzung durch Aerosole und die Erholung der Ozonschicht zeigen, dass wir die globale Entwicklung umsteuern können. Auch wenn die Diagnose ernst ist, besteht weiterhin die Chance, diese Entwicklung umzukehren“, sagte PIK-Direktor Rockström.





















