Anerkennung von Palästina: Wie die SPD in der Palästina-Frage Merz unter Druck setzt | ABC-Z

Die Außenpolitiker der SPD drängen die Bundesregierung, eine Anerkennung Palästinas zu erwägen – und setzen damit Bundeskanzler Friedrich Merz und dessen Union unter Druck. “Es reicht nicht aus – wie die Union es tut – eine Anerkennung Palästinas als letzte Maßnahme in Rahmen einer Zweistaatenlösung darzustellen. Diese Haltung ist zu bequem”, sagte der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner der ZEIT. “Wenn wir wirklich ein Ende dieses völkerrechtswidrigen Krieges herbeiführen wollen, können wir einen solchen Schritt nicht auf einen Sanktnimmerleinstag verschieben.”
Ähnlich äußerte sich der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Adis Ahmetovic. “Wir können die Ankündigungen zur Anerkennung von Palästina seitens Frankreichs, Großbritanniens und Kanadas sehr gut nachvollziehen”, sagte Ahmetovic dem Focus. Dies sei “ein logischer nächster Schritt in deren Außenpolitik”. Zuvor hatte die für Außenpolitik zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Siemtje Möller noch etwas zurückhaltender formuliert: Die Anerkennung eines palästinensischen Staates sei “kein Tabu und muss nicht zwingend am Ende eines Prozesses” einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung stehen. Nun werden die Forderungen der Sozialdemokraten deutlicher.
Die Außenpolitiker arbeiten aktuell an einer offiziellen Positionierung zur Frage der Anerkennung Palästinas. Für Stegner geht es dabei darum, “Bedingungen zu formulieren, unter denen ein palästinensischer Staat anerkannt werden kann, dazu gehört selbstverständlich, dass die Hamas nicht in der Regierung vertreten sein kann.”
Damit gerät Bundeskanzler Merz weiter unter Zugzwang, die deutsche Politik gegenüber Israel und dem Gazakrieg zu ändern. Zwar ist man in der Bundesregierung bereit, wegen der katastrophalen Lage in Gaza den Druck auf Israel zu erhöhen, konnte sich jedoch abgesehen von der Beteiligung an einer Luftbrücke bislang nicht auf eine neue Politik einigen. Zu einer Anerkennung Palästinas sagte Merz am Montag, dies könne nur der letzte Schritt im Rahmen einer Zweistaatenlösung sein – in dieser Frage stünden keine Entscheidungen an.
Weiter heißt es: “An der Seite Israels”
Zudem gibt es Forderungen, deutsche Waffenlieferungen an Israel zu stoppen, ein EU-Abkommen mit Israel zu politischen und wirtschaftlichen Beziehungen auszusetzen oder Sanktionen gegen rechtsextreme Mitglieder der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu verhängen.
Es bleibt die Palästinafrage, die dabei die größte Dynamik entfaltet: Seit der enge Verbündete Frankreich durch Präsident Emmanuel Macron vor einer Woche eine Anerkennung Palästinas angekündigt hatte und anschließend Großbritannien ebenfalls mit einen solchen Schritt drohte, hat sich der Handlungsdruck auf Merz schlagartig erhöht. Nun steigt er auch im Inneren durch die Forderungen des Koalitionspartners SPD.
Merz, der vor wenigen Monaten im Bundestagswahlkampf noch eine größere Unterstützung Israels versprochen hatte, hadert sichtlich mit einer Wende in der Nahostpolitik. Zwar ist er bereits vor zwei Monaten rhetorisch deutlich auf Distanz gegangen und hat die Zustände in Gaza wiederholt kritisiert. Doch an der Politik änderte sich wenig. Merz steht dabei wie Außenminister Johann Wadephul (ebenfalls CDU) wiederum auch in der eigenen Union unter Beobachtung: Der CSU ging die Israelkritik des Außenministers zwischenzeitlich zu weit. Merz fordert von der israelischen Regierung auch öffentlich, die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern, versucht in Telefonaten Einfluss auf Netanjahu zu nehmen, und betont gleichzeitig, wie Wadephul auch in diesen Tagen: “Wir stehen an der Seite Israels.”
“Sonst ändert Israel seine Politik ja nie”
SPD-Außenpolitiker Stegner betrachtet die Appelle des Kanzlers allein allerdings als nicht zielführend: “Für uns alle in Deutschland muss gelten: Wir müssen uns gemeinsam in Europa in dieser Frage bewegen, sonst ändert Israel seine Politik ja nie.”
Merz wollte nach einem Besuch im Saarland am heutigen Freitag eigentlich in den Urlaub gehen, doch diese Pläne haben sich geändert: Der Bundeskanzler erwog, erneut das Sicherheitskabinett zum Gaza-Krieg tagen zu lassen, nachdem Außenminister Wadephul am Freitag von seiner Nahost-Reise zurückgekehrt sein wird. Schon am Montag hatte Merz in diesem Format unter anderem mit Vizekanzler, Verteidigungsminister und Innenminister über die deutsche Politik gegenüber Israel und Gaza gesprochen.
Außerdem wird Merz, anders als geplant, auch die reguläre Sitzung des Kabinetts am kommenden Mittwoch leiten – eigentlich war vorgesehen, dass in seiner Abwesenheit der Vizekanzler Lars Klingbeil von der SPD diese Rolle übernehmen würde. Doch das war für den Kanzler in dieser Lage offenbar keine Option mehr.