Amtsenthebung von Südkoreas Präsident: Ein Sieg für die Demokatie | ABC-Z
204 von insgesamt 300 Abgeordneten votierten am Samstagabend für eine Amtsenthebung von Präsident Yoon Suk Yeol, der sein Land mit seiner Kriegsrechtsentscheidung in eine tiefe Staatskrise gestürzt hat. Damit erreichte der Antrag – wenn auch nur knapp – die benötigte Zweidrittelmehrheit. Gemessen an den Mehrheitsverhältnissen haben mindestens zwölf Abgeordnete der Regierungspartei ebenfalls für die Amtsenthebung ihres Präsidenten gestimmt.
Was für Südkorea auf dem Spiel stand, ist nach wie vor in den Räumlichkeiten der Nationalversammlung zu besichtigen: eine eingeschlagene Holztür, über die sich Soldaten in den Nachtstunden des 3. Dezembers Zugang zum Parlament verschafft haben. Unzählige umgeworfene Tische und Sessel, mit denen die Abgeordneten versucht haben, sich zu verbarrikadieren. Nur haarscharf konnten damals 190 von ihnen im Plenarsaal eine spontan einberufene Abstimmung durchführen – und so den Präsidenten zur Wiederaufgabe des Kriegsrechts zwingen. Das Militär hatte schließlich bereits den Befehl, die Politiker aus dem Gebäude zu zerren.
Für die junge Demokratie Südkoreas war jener Ausnahmezustand vor allem deshalb so traumatisierend, weil er an die dunkle Zeit der Militärdiktatoren erinnerte. Das letzte Mal, dass ein südkoreanisches Staatsoberhaupt das Kriegsrecht ausrief, war im Frühjahr 1980: Damals schossen die Soldaten mit Gewehrsalven auf Studenten in der Stadt Gwangju – auf jene jungen Menschen, die freie Wahlen für ihr Land forderten.
Über vier Dekaden später reagierte die koreanische Öffentlichkeit höchst wachsam – und blitzschnell: Täglich marschierten Demonstranten in der Innenstadt auf, um den Rücktritt des Präsidenten zu fordern. Die Proteste ähnelten oft Outdoor-Konzerten mit Musik, Tanzeinlagen und jeder Menge Spaß.
„Die Amtsenthebung von Yoon Suk Yeol spiegelt die breite Unterstützung der Südkoreaner für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie wider“, sagt Elaine Pearson, Asien-Direktorin der NGO Human Rights Watch.
Tatsächlich ist Yoons präsidiale Macht nur vorübergehend ausgesetzt. „Ich werde all die Kritik, den Zuspruch und die Unterstützung, die ich erhalten habe, mitnehmen und bis zum Ende mein Bestes für die Nation geben“, sagte Yoon Suk Yeol in einer Ansprache, die er in seinem Präsidentenwohnsitz aufnehmen ließ.
Doch Fakt ist: Sein politisches Schicksal liegt nicht mehr in den eigenen Händen. Das Verfassungsgericht wird nun über die finale Entscheidung abstimmen, ob Yoons Amtsenthebung rechtskonform ist oder als verfassungswidrig wieder aufgehoben wird. Möglicherweise könnte dem 63-jährigen Konservativen dabei eine Formalie zu Gute kommen: Da derzeit nur sechs von insgesamt neun Richterstellen am Verfassungsgericht besetzt sind, reicht bereits eine Veto-Stimme aus, um Yoon wieder zurück ins Präsidentenamt zu befördern. Bei voller Besetzung wären vier Veto-Stimmen notwendig.
Ein halbes Jahr hat das Verfassungsgericht jetzt Zeit für seine Entscheidung. Doch dessen Vorsitzender hatte bereits versprochen, „rasch und fair“ weiterverfahren zu wollen. Darauf pochen nicht nur internationale Unternehmen, die sich angesichts der volatilen Lage mit Investitionen in Südkorea zurückhalten. Sondern natürlich wünscht sich allen voran die Bevölkerung ein rasches Ende des Machtvakuums, damit die wahren Probleme des Landes angegangen werden.
Übergangsweise wird vorerst der 75-jährige Premierminister Han Duck Soo die Amtsgeschäfte des Staates leiten. Der ehemalige Botschafter gilt als besonnen und diplomatisch. In einer ersten Handlung hat er sein Militär dazu aufgerufen, seine Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken. Das ist auch ein Wink in Richtung Nordkorea, das möglicherweise im Falle einer anhaltenden Staatskrise das Chaos im Süden ausnutzen könnte.
Yoons Unterstützung innerhalb der Öffentlichkeit war spätestens seit Donnerstag endgültig erodiert, als er in einer Fernsehansprache seine umstrittene Kriegsrechtsentscheidung ohne wenn und aber verteidigt – und als Maßnahme zum Schutz der Nation dargestellt hatte. Seine Umfragewerte fielen daraufhin auf ein Rekordtief von elf Prozent.