Ampel-Aus bei “Hart aber fair”: Fratzscher: “Dies ist der schlechteste Zeitpunkt, keine Regierung zu haben” | ABC-Z
Ampel-Aus bei “Hart aber fair”
Fratzscher: “Dies ist der schlechteste Zeitpunkt, keine Regierung zu haben”
12.11.2024, 04:04 Uhr
Das Ampel-Chaos der letzten Wochen geht auch ohne die Ampel weiter. Wann wird neu gewählt? Welche Gesetze müssen dringend davor noch beschlossen werden? Während Rest-Regierung und Opposition über diese Fragen schachern, warnt der Ökonom Fratzscher bei “Hart aber fair” vor der sich verstärkenden Vertrauenskrise.
Wann soll gewählt werden? Die Diskussion, die den Politikbetrieb seit letzter Woche beschäftigt, wird am Montagabend auch bei “Hart aber fair” in der ARD geführt. Wolfgang Kubicki von der FDP und Dorothee Bär von der CSU wollen, dass Bundeskanzler Scholz so schnell wie möglich im Bundestag die Vertrauensfrage stellt. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch setzt sich dafür ein, dass vorher noch wichtige Gesetze beschlossen werden. Dazu gehört die Stärkung des Bundesverfassungsgerichts und ein Paket, das die Wirtschaft stärken soll. Doch da gehen die Meinungen schon auseinander. Kubicki möchte zwar Hilfen für die Wirtschaft beschließen, lehnt aber Sozialgesetze ab, die die Grünen mit der Abstimmung verbinden wollen. Außerdem verlangt er, Scholz solle vorher die Vertrauensfrage stellen. Das sieht auch Dorothee Bär so.
Theoretisch könnte sich die parlamentarische Mehrheit aus Union und FDP mit dem Vorschlag eines abgespeckten Gesetzespakets durchsetzen. Sogar der vom Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz zuletzt vorgeschlagene Wahltermin am 16. oder 23. Februar könnte noch eingehalten werden. So könnte es gehen: Scholz stellt am 6. Dezember die Vertrauensfrage. Spricht ihm das Parlament das Vertrauen nicht aus, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen, also spätestens am 27. Dezember. Davor wäre noch eine reguläre Sitzungswoche. Da könnten dann die Rumpf-Regierung und die anderen Parteien noch Gesetze beschließen. Nach der Auflösung des Bundestages müssen innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden, also spätestens am 25. Februar, einem Dienstag. Die beiden von Merz vorgeschlagenen Wahltermine liegen innerhalb dieser 60 Tage.
Bundeskanzler Scholz hatte am Sonntagabend indirekt die Suche nach einem Wahltermin in die Hände der Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU gelegt, also von Rolf Mützenich und Friedrich Merz. Die beiden hätten noch nicht miteinander geredet, sagt Dorothee Bär am Montagabend bei “Hart aber fair”. Doch, das hätten sie bestimmt, entgegnet der Journalist Robin Alexander von der WELT – und berichtet über eine geheime Treppe, die die Büros der Fraktionschefs verbinde.
Das Ende der Ampel
“Die letzten Wochen der Ampel waren eigentlich schon keine Regierung mehr. Da waren Leute, die in der Regierung gegeneinander arbeiten. Und wenn das noch ein Jahr so weitergegangen wäre, das wäre nicht gut gewesen. Deshalb glaube ich, dass es besser ist, dass es jetzt etwas Neues gibt.” So analysiert Robin Alexander das Ende der Ampel, das Bundeskanzler Scholz am Mittwochabend verkündet hatte.
” Die Tatsache, dass sowohl in der Fraktion der SPD, der Grünen und bei uns Jubel ausbrach, als die Koalition beendet war, deutet darauf hin, dass bei uns allen das Gefühl da war, es machte keinen Sinn mehr”, beschreibt Wolfgang Kubicki die Erleichterung der Ampelparteien nach dem Ende der Koalition. “Es sind große Herausforderungen, die auf alle Parteien jetzt zukommen”, fügt Matthias Miersch hinzu.
Etwas angefasst wirkt Kubicki, als Moderator Louis Klammroth ihn auf Volker Wissing anspricht. Der Verkehrsminister hatte am Morgen nach dem Ampel-Aus die FDP verlassen. “Ich wünsche ihm persönlich alles Gute, und damit ist die Sache für mich erledigt”, sagt Kubicki.
Die Wirtschaftskrise
Ob vor oder nach der Vertrauensfrage: Die Wirtschaft ist in einer tiefen Krise und braucht eigentlich Unterstützung von der Regierung. So sieht es DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Für die derzeitige Krise macht er die hohen Energiekosten verantwortlich. Außerdem weist er darauf hin, dass Deutschland vor allem von Exporten profitiert. Aber er stellt auch klar: In der Wirtschaft herrsche eine schlechte Stimmung. Die Unsicherheit sei der Hauptgrund für die derzeitige Krise. “Wenn die Unternehmer kein Vertrauen in die Regierung haben, werden sie nicht investieren. Wenn die Bürgerinnen und Bürger kein Vertrauen haben, dass ihr Job sicher ist, dass sie ein gutes Einkommen haben, werden sie nicht konsumieren, sondern sie sparen ihr Geld. Das ist die Situation im Augenblick.” Diese Spirale führe direkt in die Krise hinein. “Da müssen wir wieder rauskommen”, sagt Fratzscher.
Nun müssten alle die Verantwortung übernehmen, so Fratzscher weiter. Da sei die Bundesregierung, die Vertrauen verspielt habe. Aber das betreffe auch die Unternehmen, die zu spät auf wichtige Punkte wie die Digitalisierung gesetzt haben. “Uns muss klar sein, dass dies der schlechteste Zeitpunkt ist, keine Regierung zu haben – oder einen Bundestag, der nicht handlungsfähig ist, weil er nicht in der Lage ist, gewisse Gesetzesvorhaben zu beschließen.” Als Beispiele nennt Fratzscher das Kindergeld, den Kinderzuschuss für Familien, aber auch die von der Regierung bereits vorbereitete Wachstumsinitiative. “Jetzt sechs Monate Lähmung und Stillstand zu haben – denn das ist der realistische Zeitpunkt bis zur neuen Bundesregierung -, das ist wirklich schädlich, weil die Unternehmen, die Wirtschaft, aber auch die Menschen keine Orientierung und Sicherheit haben”, so Fratzscher.
Natürlich seien Neuwahlen jetzt wichtig, und zwar so schnell wie möglich. Jetzt sei es aber auch die Aufgabe des Parlaments, wichtige Gesetze zu beschließen. Neben der Wachstumsinitiative könnten dies die Abschaffung der kalten Progression und weitere Steuerentlastungen sein. Fratzscher: “Die Politik kann Vertrauen schaffen. Wenn der Staat für Unternehmen und für die Bürgerinnen und Bürger Steuern senkt, kommt das sofort an. Das ist ganz konkret etwas, dass die Politik tun kann: Gemeinsam mit der Opposition zu sagen, wir machen die steuerlichen Entlastungen. Das ist nicht der ganz große Wurf, aber es würde schon eine Menge weiterhelfen.”
Miersch stimmt sofort zu. “Wir sind jetzt alle in der Pflicht. Wir sind ein funktionsfähiges Parlament”, betont der SPD-Politiker. Bär sieht das anders. “Wir entlasten, aber anders, als es sich die SPD vorstellt”, sagt sie. Kubicki könnte sich vorstellen, das eine oder andere Gesetz mit der SPD zu beschließen. “Aber stellen Sie erstmal die Vertrauensfrage”, verlangt er.
Und am Ende ist klar: Sinnloser Streit geht auch ohne die Ampel.