Ammersee: Die Huteiche und der Gasteiger-Park – Starnberg | ABC-Z

Wie eine ungedüngte, wenig gemähte Wiese ausschaut, kann man in der Kulturlandschaft kaum noch erleben. Aber es gibt sie noch, zum Beispiel rund um die Villa Gasteiger in Holzhausen am Ammersee. „Um die Kulturdenkmäler sind diese Wiesen konserviert worden“, sagt Christian Niederbichler. Der Gebietsbetreuer des Ammersees führt zum Tag des offenen Denkmals durch den Park, der eine bukolische Idylle konserviert hat, allerdings ohne Rinder, Schafe oder Hirten.
Eben diese Schäferidylle habe das Ehepaar Mathias und Anna Sophie Gasteiger im Sinn gehabt, als es von 1902 bis 1913 die Villa und den Park anlegen ließ. Er schuf Skulpturen im Jugendstil, sie machte sich als Blumenmalerin einen Namen. Wohnhaus, Blumenparterre und Landschaftsgarten bilden ein einzigartiges Ensemble. Rund ums Haus wurde ein französischer Garten mit streng geometrischen Formen angelegt. In einem kleinen achteckigen Wasserbecken vor der Villa wachsen nicht nur Seerosen, sondern auch besondere Wasserpflanzen – Armleuchteralgen.
Manche der zehn Teilnehmer fragen ungläubig und lachend nach. Niederbichler bestätigt den kuriosen Namen und erklärt den Zusammenhang mit der präparierten Kolbenente, die er mitgebracht hat. Die Armleuchteralgen seien die Leibspeise dieser seltenen Entenart mit dem rostroten Schopf und dem leuchtend roten Schnabel.
Die Algen wachsen im Ammersee wieder in größerer Zahl, seit durch die Ringkanalisation das Wasser wieder sauber ist. Die Kolbenenten weisen, wie Niederbichler erklärt, ein ungewöhnliches Zugverhalten auf: Sie brüten in Spanien und fliegen, wenn dort im Sommer die Seen austrocknen, nach Norden. Über den Vierwaldstättersee und den Bodensee kommen sie an den Ammersee. Noch bis Ende September kann man etwa 2000 Stück in der Fischener Bucht beobachten.
Niederbichler weist auf die beiden bewusst angelegten Sichtachsen hin: eine über den See zum Kloster Andechs, einen schmalen Kiesweg entlang zu einer alten Eiche die andere. Der riesige, weit verzweigte Baum steht in dem Teil des Landschaftsparks, der als englischer Garten gestaltet wurde. Dafür seien nur kleine Eingriffe gemacht worden, um Effekte zu verstärken. Die einzeln stehende Eiche ist 250 bis 400 Jahre alt, ein „Hutbaum“ oder „Hutebaum“, und wurde bewusst erhalten.
„Sie verrät viel darüber, wie die Uferlandschaft vor dem Bau der Villa ausgeschaut hat“, sagt Niederbichler. So zeigen ihre ausladenden Äste, dass sie freistehend aufgewachsen ist. Zwischen dem Ammersee und Landsberg gebe es viele solche alten Eichen. „Sie weisen auf Allmenden oder gemeinsam genutztes Klosterland hin“, sagt Niederbichler. Eine Allmende ist Land im Allgemeinbesitz, das auch gemeinsam genutzt wird. Und die Wiesen sind eben so konserviert, wie sie 1902 waren. „Die haben noch nie eine Düngung gesehen. Davon profitiert auch die Eiche.“ Denn Dünger schädige die „Wurzelpartner“ der Eiche, Pilze, die dem Baum helfen, Wasser und Nährstoffe aufzunehmen.

Wegen der alten Eichen gibt es im Gasteiger-Park und im benachbarten Seeholz „naturkundliche Besonderheiten“: den seltenen Mittelspecht und sogar den streng geschützten Eremiten, eine Käferart, die nicht fliegen kann. Die Larven leben mehrere Jahre in vermodertem Eichenholz. „Da, wo er vorkommt, ist er seit Jahrhunderten oder sogar Jahrtausenden“, sagt der Gebietsbetreuer. Und er kann, wie in Stuttgart, sogar große Bauvorhaben verzögern.
Die offene Landschaft, in der die Gasteiger-Villa errichtet wurde, sei geprägt gewesen von der Weidenutzung. Der Kreuzlinger Wald bei Germering und der Forstenrieder Park seien ebenfalls Eichenhutungswälder gewesen, erst später gezielt mit Fichten aufgeforstet. „Auf den Eichen wachsen die besten Schinken“ – dieser Spruch habe früher auch in Bayern gegolten, sagt Niederbichler. Bis zum Zweiten Weltkrieg seien Schweine zur Eichelzeit ins Seeholz getrieben worden, um sich an den eiweißreichen Früchten sattzufressen. Wer keinen eigenen Wald hatte, konnte „Dechelrechte“ erwerben. Am Kittenbach, der durch den Park fließt, gab es sogar eine Alm, Niederbichler zeigt ein altes Foto.

Jetzt im Herbst blühen noch ein paar Flockenblumen, Herbstzeitlose und der raue Löwenzahn. Blätter von Mädesüß und Wiesensalbei sowie Samenstände des Großen Wiesenknopfs deuten auf die Blütenpracht des Frühlings hin. Im Mai, zum Museumstag, kann man sie bei Führungen bewundern. Eine Besonderheit laut Niederbichler: Die Blutrote Sommerwurz, eine Schmarotzerpflanze, die die Wurzeln von Klee anzapft und selbst kein Blattgrün bildet. „Die gibt es nur in Bayern“, sagt er. „Besucher aus dem Norden knien sich oft in die Wiese, um sie zu fotografieren.“ Ähnliche konservierte Wiesen gibt es auch bei Schloss Linderhof, im Nymphenburger Schlosspark und sogar auf den KZ-Friedhöfen am Lech.
Das Künstlerhaus ist von April bis Oktober sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet, der Park ist das ganze Jahr über zugänglich.