Alte Messe im Petersdom: Wie Leo still und leise Franziskus korrigiert | ABC-Z

Es ist schwierig, ja unwahrscheinlich, die Feier der heiligen Messe im gegenwärtigen, „ordentlichen“ Ritus als Faszinosum zu erleben – als ein solches Faszinosum, wie es prachtvoll vom alten Messritus in der Fellini-Welt ausging und dort nicht selten satirisch-groteske, auch sarkastische Töne hervorrief. Man hatte etwas, woran man sich in Strenge abarbeiten konnte. Das ist im nachkonziliaren Ritus, dem Ritus nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanums (1962 bis 1965), nicht mehr ohne weiteres gewährleistet. Zu didaktisch, zu ethisch, zu erfahrungsbesessen, so scheint es bei Weitem nicht nur den älteren Gläubigen, kommen die Dinge hier, in der neuen Messform, rüber, alles ist im buchstäblichen wie übertragenen Sinne verdeutscht. Polemisch gewendet: ein aufs Horizontale gebrachtes Humanum prägt das Kirchenbild unserer Städte, da hat das Geheimnisvolle einen schweren Stand.
Kein Monopol auf den Ausdruck des Sakralen
Dass aber auch solche Eindrücke einer flachen Immanenz zum Klischee geraten können, belegen Gegenbeispiele wie Johannes Graf von und zu Eltz, Domkapitular des Bistums Limburg und ehemaliger Stadtdekan von Frankfurt. Feiert er eine Alltagsmesse, so ist man auch im neuen Ritus recht verstanden dem Alltag enthoben, was das geistliche Niveau seiner Bibelauslegungen angeht, die Sorgfalt bei der Rezitation der liturgischen Texte, die Haltung der Anbetung den eucharistischen Gestalten Brot und Wein gegenüber.
Der alte Ritus hat in dem Sinne also kein Monopol auf eine das Sakrale ausdrückende Form. Letzteres ist selbstverständlich auch im neuen Ritus ausdrückbar, wenn der Zelebrant sich nicht mit persönlichen Einfällen, Echauffierungen und Flamboyanzen in den Vordergrund der Feierlichkeit spielt, in lustbetontem Elend, sondern sich hinter die liturgische Form zurückzunehmen weiß, gleichsam mit dem Rücken zum Volk agierend wie im alten Ritus tatsächlich und nicht grundlos vorgesehen.
Aus dem liturgischen Verkehr gezogen
Den Ritus der Tradition, wie er auch genannt wird, die laut Joseph Ratzinger „außerordentliche Form des römischen Ritus“ als Bezeichnung für die tridentinische Messe – sie hatte Benedikt XVI. wieder gesamtkirchlich zugänglich gemacht. Bevor dann sein Nachfolger Franziskus durch den Erlass „Traditionis Custodes“ (2021) nicht nur die erwähnte Bezeichnung abgeschafft hatte, sondern zugleich der Alten Messe selbst erst mal den Garaus machte, indem er ihre Feier mit so vielen Restriktionen verband, dass sie faktisch aus dem liturgischen Verkehr gezogen war. Unter dem aktuellen Pontifikat kehrte die Alte Messe vorigen Samstag in den Petersdom zurück, wo sie Franziskus zuvor abgeräumt hatte. Man sieht, ein ordentlicher Weg, den die außerordentliche Form des römischen Ritus da hinter sich brachte, und natürlich hatte Franziskus einen Punkt, als er der Alten Messe ein ideologisches Framing unterstellte, das er wiederum als Hauptgrund seiner eigenen Ablehnung anführte.
Denn man kann es drehen und wenden, wie man möchte: als lupenreine Vertreter des Zweiten Vatikanums wird man die Anhänger der traditionellen Liturgie in ihrer Mehrheit kaum bezeichnen wollen. Da liegt dann auch theologisch und kirchenpolitisch der Hase im Pfeffer. Denn was bedeutet in diesen Zusammenhängen schon lupenrein? Wie im wirklichen Leben ist Lupenreinheit oft mit Borniertheit gepaart, dann nämlich, wenn Kontexte der Herkunft und Wirkung ausgeblendet werden, der gemischten Verhältnisse eben, und Ereignisse als vom Himmel gefallen missverstanden und mit absoluter Geltung versehen werden. So gibt es nicht nur bornierte Anhänger der Alten Messe, sondern auch bornierte Adepten einer verkürzten oder reformerisch voreingenommenen Lektüre des Zweiten Vatikanums.
Gepfefferte Konflikte um Auslegungsfragen des Konzils sind als solche ja nicht reaktionär, schismatisch oder querulantisch. Vielmehr öffnen sie die Augen für Linien des Bruchs oder der Kontinuität und schärfen so das konziliare Verständnis des Christentums in seiner Tiefe. Sein Faszinosum kommt in den Blick. Eine kritische, unterscheidende Haltung zum Zweiten Vatikanum, wie sie sich im Milieu der alten Liturgie auch findet, ist noch nicht des Teufels, solange an Religionsfreiheit und anderen konziliaren Klärungen und Innovationen festgehalten wird.
Die Rückkehr der Alten Messe in den Petersdom ist zweifellos ein kräftiges römisches Signal. Seine Reichweite muss man abwarten.





















