Oscar Piastri gewinnt Formel-1-Rennen in Saudi-Arabien vor Max Verstappen | ABC-Z

Wachablösung in der Formel 1? Das gilt wohl (noch) nicht für die Position von Max Verstappen, obwohl der Weltmeister am Sonntag beim Großen Preis von Saudi-Arabien erst den Start und dann das Rennen verlor gegen Oscar Piastri, einen Verfolger aus der nächsten Generation.
Es geht – eine Nummer kleiner – wohl eher um die Frage, welche Rolle der 24 Jahre alte Australier nach seinem fünften Sieg in der Formel 1 im eigenen Team bekleidet. Sein zweiter Triumph in dieser Saison, diesmal vor Verstappen und Charles Leclerc im Ferrari, führt ihn an die Spitze der Fahrerwertung, während sein hochgeschätzter Teamkollegen Lando Norris „nur“ Vierter wurde nach einem weiteren Fehler schon am Samstag in der Qualifikation.
„Sehr reif für einen so jungen Fahrer“
Auch Nico Hülkenberg erlebte am Sonntag keine gute arabische Nacht auf seinem Weg im Sauber zu Rang 15. Im Mittelpunkt aber stand der Sieger. „Ein enges Rennen, Oscar hat es am Start gewonnen, er konnte das Rennen von vorne kontrollieren. Er ist sehr reif für einen so jungen Fahrer“, sagte McLarens Teamchef Andrea Stella dem TV-Sender Sky. „Lando muss seine Samstage noch ein bisschen auspolieren, dann sieht es besser aus.“
Kaum hatte sich das Feld in Bewegung gesetzt, da schaute die Teamführung von Red Ball sparsam aus der Wäsche: Verstappen war zwar noch ganz vorne, aber nur dank einer Abkürzung in der ersten Kurve, während Teamkollege Yuki Tsunoda rückwärts drehend über den Kurs schlitterte. Der Japaner blieb wie sein Unfallkollege Pierre Gasly auf der Strecke. Feierabend nach ein paar Kurven.
Das ausgerückte Safety-Car bot Zeit für Diskussionen am Funk: „Er muss die Position hergeben“, sagte Piastri mit Blick auf seinen besseren Start schräg hinter dem Gewinner der Pole-Position am Samstag, „ich war vor ihm.“ Geklagt, gewonnen. Als die Rennleitung den Grand Prix wieder freigab, ereilte den Weltmeister das Urteil des Schnellgerichts: fünf Sekunden Zeitstrafe. „Oh, wow, das ist nett“, antwortete der Champion mit ironischem Unterton. An Nettigkeiten fühlen sich Streckenkommissare in der Regel nicht gebunden. Eher ans Verkehrsrecht. Sie lagen richtig.
Warum Verstappen nach der Abkürzung, weil Piastri ihm vorher keinen Platz gelassen hatte, nicht kurz das Gas herausnahm, sondern beschleunigte und stur seinen Kurs hielt? Aus strategischen Gründen. Alle Welt ahnte, dass der McLaren auf dem warmen Asphalt zu Beginn des Rennens (38 Grad Celsius) besser über die Runden kommen würde als am Samstag, als Verstappen die kühle Oberflächentemperatur nutzte für seinen Coup, um eine Hundertstel schneller über die Runde zu kommen als der Zweitschnellste Piastri.
Also musste der Red-Bull-Star vorne bleiben, Piastri unbedingt hinter sich halten, um Zeit zu gewinnen. Denn wie schnell der papaya-farbene Bolide unter den für ihn besseren Bedingungen zu fahren ist, zeigte Norris im zweiten McLaren. Am Samstag war er in der „Kälte“ beim Startplatzrennen auf rutschigen Reifen in die Mauer geschossen: Zehnter.
24 Stunden später kreiste er nach 15 Runden schon hinter dem zu diesem Zeitpunkt Sechsten Lewis Hamilton im Ferrari (Rang sieben), obwohl die Strecke in Dschidda, ein verkappter Stadtkurs ohne jegliche Anbindung an das Straßennetz, kaum Überholmanöver zulässt. 30 im Schnitt in den ersten vier Großen Preisen von Saudi-Arabien seit dem Debüt 2021.
Dass Norris drei Mal an Hamilton vorbei kam oder vorbeikommen musste, hing mit der Cleverness des Rekordsiegers zusammen. Der ließ seinen Landsmann bewusst überholen, um sich eine unschlagbare Ausgangsposition für eine Revanche vor der ersten Kurve zu verschaffen dank des DRS-Systems, das ein Flachstellen eines Heckflügelelementes erlaubt, solange der Vordermann nicht um mehr als eine Sekunde voraus ist. Bis Norris merkte, wie es laufen muss, nämlich umgekehrt, verlor er wertvolle Sekunden. Er kam eine Sekunde hinter Leclerc ins Ziel.
Das Rennen um den Sieg wurde in der Box entschieden. Als Verstappen im Zuge seines Reifenservice die Fünf-Sekunden-Strafe im Stillstand verbrachte. Eine harte Zeit für einen, der den Speed sucht und braucht. Zum Vorfall in der ersten Kurve wollte er zunächst nichts sagen, zumindest kurz nach dem Rennen. Zurück auf der Piste tauchte er – wie erwartet – hinter Piastri auf.
McLaren hatte dem Australier vorher Beine gemacht mit einer Ansage, Gas geben zu müssen. Schon schoss er gleich nach seinem Reifenwechsel so rasant wie gekonnt an Hamilton vorbei, später gelang das auch Verstappen. Würde der Niederländer näher herankommen gegen die Fahrgemeinschaft Piastri/McLaren: Bestzeit für den Gejagten auf den Positionen drei und vier, während Leclerc im Ferrari führte vor Norris (auf harten Reifen), weil beide noch auf dem ersten Satz Pneus kreisten.
Ein Zeichen, wie strategisch am Roten Meer gefahren und gedacht wurde. Und wie manche auf den Zufall setzten: Eine weiterer Safety-Car-Einsatz in dieser Phase hätte Norris und Leclerc strahlen lassen unter dem Nachthimmel. Aber diesmal hielten sich das Feld auf der Piste. Kein Crash, kein Ausfall, kein großes Glück, weder für Leclerc noch für Norris.
Aber mit den harten Reifen und dem besten Rennwagen schaffte er es mit einem sehr späten Service-Aufenthalt (35. Runde von 50) fast bis aufs Podium: Eine respektable Schadensbegrenzung für den von Rang zehn losgesausten Engländer. Aber Piastri lief ihm dem Rang ab. „Ich bin so happy, es gewonnen zu haben“, sagte Piastri, „ich habe in Kurve eins gezeigt, wo der Chef sitzt.“
Wenn das nicht bislang schon ein latentes Gefühl war in seinem eigenen Team, so gibt es jetzt eine nachlesbare Bestätigung. In der Fahrerwertung übernahm Piastri die Führung mit 99 Punkten vor Norris (89) und Verstappen (87). „Ich fühle mich etwas zerdeppert von gestern“, hatte Norris gesagt, bevor er in seinen an rund dreißig Stellen erneuerten Dienstwagen stieg. Die Folgen des Fehlers wirkten ausgebeult – soweit sichtbar.